„Manchmal will ich den Rollstuhl aus dem Fenster werfen“
Er war 23 Jahre alt, als ihn ein Sturz beim Schifliegen in den Rollstuhl brachte. Doch der gebürtige Kärntner Lukas Müller, 31, ließ sich nicht unterkriegen. Durch hartes Training schafft er es heute, mit Krücken ein paar Schritte zu machen. Aber es gibt Momente, in denen der als Vermögensberater arbeitende, querschnittgelähmte Exsportler seinen Rollstuhl verflucht.
Manchmal reicht eine Sekunde aus, um ein Leben zu verändern, beim Villacher (Ktn.) Lukas Müller, 31, war es ein Sprung. Als er im Jahr 2016 bei der Schiflug-Weltmeisterschaft am Kulm in Bad Mitterndorf (Stmk.) als Vorspringer über die Schanze fuhr, rutschte er kurz vor der Landung aus dem linken Schi. Müller konnte die Balance nicht mehr halten und stürzte bei einer Geschwindigkeit von mehr als 110 km/h rücklings in den Schnee. Er spürte sofort, dass er brustabwärts den ganzen Unterkörper nicht mehr bewegen konnte.

„Ich kann keinen Schuldigen benennen“, erklärt er heute, sieben Jahre später. „Ich habe einfach Pech gehabt, aber auch mindestens so viel Glück. Denn ich hätte mir ja auch das Genick brechen können, das wäre tödlich gewesen. Aber ich bin noch hier, lege mich abends ins Bett und wache morgen hoffentlich wieder auf.“ Dann setzt er sich in seinen Rollstuhl und beginnt seinen Tag, in dem er als selbstständiger Vermögensberater arbeitet, Auto fährt oder auch einmal mit Freunden ausgeht.

„Meine Querschnittlähmung hat das Leben nicht leichter gemacht, aber es lässt sich damit ein relativ normales Leben führen.“

Eine Familie zu haben gehört zum Lebensplan

Zu Müllers Glück waren an seinem Schicksalstag Rettungskräfte und Hubschrauber vor Ort, sodass der Sportler schnell im Spital operiert werden konnte. „Besser kann ich es bei einem Unfall nicht erwischen. Das ist ein Grund, warum mein Querschnitt inkomplett ist. Es zählt jede Minute.“

Müller ist seit seinem 23. Lebensjahr zwar von der Brust abwärts gelähmt, die schnelle Versorgung hat aber noch Schlimmeres verhindert. Von seinen Rückenmarksbahnen sind zwar einige gequetscht, andere aber erhalten geblieben. Das ermöglicht ihm, kleine Stiegen zu steigen und in der Therapie auch kurzzeitig die Krücken wegzulassen. Das ist das Ergebnis jahrelanger Therapien wie Gangtraining, das er bis heute absolviert. „Ich habe meinen Zenit, was meinen Körper betrifft, nun erreicht. Der Querschnitt setzt dir Grenzen, jetzt geht es darum, das Erarbeitete zu erhalten.“ Denn das Wichtigste, sagt Müller, sei, so selbstständig wie möglich zu sein. „Für manches brauche ich Hilfe, aber eine 1,60 Meter große Frau, die etwas von oben im Kasten holen will, benötigt die auch.“

In Salzburg hat der ehemalige Spitzensportler eine Wohnung, in der er derzeit als Single lebt. Das darf sich, so sagt er, in Zukunft gerne ändern: Eine Familie mit Kindern steht durchaus auf seinem Lebensplan. „Es herrscht der Irrglaube, dass Menschen im Rollstuhl nicht mehr zeugungsfähig sind“, spricht er offen über ein Tabu. „Das stimmt aber nicht, auch, wenn Kinderkriegen nicht leichter geworden ist.“

Schwer zu schaffen machen ihm auf jeden Fall die immer heißer werdenen Sommer, denn der 31jährige kann nicht schwitzen und muss sich mit Wasser kühlen. „Sonst überhitze ich und es endet in Fieber.“

Da kommt ihm sein jüngstes Hobby „Cagesurfing“ gerade recht. „Ich surfe sitzend hinter einer Bootswelle, und das sogar ohne Hantel.“ Außerdem spielt der Bewegungsmensch noch Rollstuhlrugby und fährt im Winter Schi. Ein Traum freilich bleibt: „Ich würde gerne noch einmal Schispringen, weil ich mich vom Sport nicht besiegen lassen will“ – ebenso, wie von seiner Behinderung. „Manchmal“, gibt er aber zu, „würde ich den Rollstuhl am liebsten aus dem Fenster hauen.“ Dann, wenn er wieder einmal gegen einen Türstock gefahren ist, sich die Hand einklemmt oder wegen eines Schlagloches auf die Straße fällt.

Seine jüngste Herausforderung hat er dagegen bravourös gemeistert. Beim „Wings for Life World Run“ am vergangenen Sonntag legte er in Wien 2,35 Kilometer auf Krüken zurück. Mit dieser Sportveranstaltung werden weltweit Forschungsprojekte im Bereich Querschnittlähmung unterstützt. Lukas Müller ist fest davon überzeugt, dass eine Heilung nur eine Frage der Zeit ist.