„Wer den ORF schwächt, stärkt die Konkurrenz“
Weg von den GIS-Gebühren, hin zu einer Haushaltsabgabe. Die Finanzierung des ORF sorgt in diesen Tagen für Aufregung. Zumal die Kritik am Programm immer lauter wird. Hier nimmt der oberste Kontrollor des ORF, Lothar Lockl, dazu Stellung. Die Fragen stellte Barbara Reiter.
Herr Lockl, bevor wir zur finanziellen Situation des ORF und der geplanten Haushaltsabgabe kommen: Was sind die Aufgaben des Stiftungsrates?
Er ist das oberste Kontroll- und Aufsichtsorgan des ORF und achtet darauf, dass Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gegeben sind. Er bestellt auch den Generaldirektor und die Landesdirektoren und sorgt für deren Kontrolle. Das sind derzeit 35 Menschen, die für ihre Tätigkeit 35 Euro pro Monat und ein geringes Sitzungsgeld bekommen, wenn wir schon so oft von Sparsamkeit sprechen. Diese Personen verfügen über entsprechende Qualifikationen, bei denen es um Finanzen, aber auch um strategische Weiterentwicklungsfragen wie die Digitalisierung des Hauses geht.

Es sieht aber nicht nach Sparsamkeit aus, wenn im Fall des ORF von einem Finanzloch von 320 Millionen Euro bis 2026 die Rede ist. Haben Sie nicht gut genug aufgepasst?
Die aktuelle Situation des ORF ist angespannt. Wichtig zu sagen ist, dass der ORF nicht gewinnorientiert, sondern einem öffentlich-rechtlichen Auftrag verpflichtet ist. Es gab durch die extrem hohe Inflation eine Teuerung und damit gestiegene Produktions- und Energiekosten. Anders als andere Unternehmen, die die Preise erhöhen, kann das der ORF nicht.

Was sollen Pensionisten mit kleinem Einkommen dazu sagen? Auch für sie ist alles teurer geworden …
Es gibt beim ORF Menschen, die aus sozialen Gründen von Gebühren befreit sind …

Allerdings nur bis zu einem Einkommen von 1.243,49 Euro für eine Person. Was ist mit Pensionisten, die mit 1.400,– Euro im Monat auskommen müssen?
Ich sage trotzdem, dass es auch Befreiungen gibt. Ohne ORF würde es viele Veranstaltungen, Kulturangebote und Sportangebote nicht geben. Wenn man den ORF schwächt, stärkt man die Konkurrenz wie Facebook, YouTube und Google. Die heimische Filmwirtschaft und der Sport verlieren einen wesentlichen Partner.

Werden die sozial Schwachen auch bei einer Haushaltsabgabe davon befreit sein?
Die Festlegung des Finanzierungsmodells und der konkreten Details ist Sache des Gesetzgebers. Derzeit gibt es noch keinen Gesetzesentwurf, daher ist es noch zu früh zu sagen, ob und welche Änderungen vorgenommen werden könnten. Dass es weiter die Möglichkeit von Befreiungen geben wird, steht aber wohl außer Streit.

Wenn der ORF mehr Geld braucht, wird es bald auch dort Filme mit Werbe-Unterbrechungen geben?
Nein. Das ist auch schon rein gesetzlich untersagt.

Warum werden im Vorabendprogramm von ORF1 amerikanische Serien schier endlos wiederholt?
Die Realität ist leider: Derartige US-Serien sind im Vergleich zu Eigenproduktionen äußerst günstig. Trotzdem wurde das Budget für diese ausländischen Serien schon in der Vergangenheit gekürzt. Dieser Kurs wird nun konsequent fortgesetzt. Ich begrüße sehr die Ankündigung von Generaldirektor Roland Weißmann, dass das Programm in Zukunft noch österreichischer wird, auch auf ORF1. Das ist ein richtiger Schritt. Der ORF ist Teil der österreichischen Identität.

Der ORF soll politisch unabhängig arbeiten. Doch selbst der Stiftungrat ist hauptsächlich politisch besetzt und Sie als Vorsitzender waren selbst Grünpolitiker und haben nun mit Ihrer Kommunikationsagentur das Umweltministerium als Auftraggeber. Wie soll da Unabhängigkeit möglich sein?
Ich habe eine Geschichte und ich stehe dazu. Das ist jetzt 14 Jahre her. Habe ich deswegen Berufsverbot? Ich habe mich für den Stiftungsrat beworben, weil ich mich schon im Studium mit Medien beschäftigt habe und mir das Wohl des ORF in den „Fake-News“-Zeiten ein Anliegen ist. Wir haben in der Verfassung die Presse- und Meinungsfreiheit verankert und die funktioniert nur mit starken heimischen Medien. Das ist meine tiefste Überzeugung. Wir müssen auch differenzieren. Das eine ist der Stiftungsrat, das andere sind die Redaktionen, die unabhängig sind.

Wenn Sport und Kultur so wichtig sind: Warum werden das Radiosymphonieorchester und Sport plus eingestellt?
Ich selbst bin sportbegeistert und Musikliebhaber. Das Ziel muss sein, die Partnerschaften zwischen dem Sport, der Kultur im Land und dem ORF zu stärken. Wenn der Sender in Zukunft neue digitale Möglichkeiten bekommt, kann auch in diesen Bereichen über mehrere Veranstaltungen berichtet werden als früher. Ich bin der Meinung, dass der ORF ein Teil der Identität unseres Landes und ein Kulturträger ist. Bei aller Kritik an einzelnen Sendungen sollten wir sagen: Gott sei Dank gibt es den ORF.