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Ausgabe Nr. 16/2024 vom 16.04.2024, Fotos: Tim Dornaus epilogy, Franz Reiterer, myacker
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„KastlGreissler“ Mayer.
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Die Acker Box, regionales einkaufen.
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Vorreiter AckerBox-Gründer Christoph Raunig (re.).
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Der Fokus liegt auf Frische und Regionalität.
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Einfache Bedienung.
Wie ein Urteil Dorfläden den Stecker zieht
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Vor Kurzem führte ein Verfassungsgerichtsurteil zum Aus für das „Rund-um-die-Uhr-Einkaufen“ in Selbstbedienungsboxen. Die Betreiber kritisieren die Entscheidung als nicht zeitgemäß.
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Beinahe jede dritte von den insgesamt 2.093 Gemeinden in unserem Land verfügt über keinen Greißler oder Kaufmann mehr. Um die Situation der Nahversorgung in solchen Orten zu verbessern, haben sich in den vergangenen Jahren einige Selbstbedienungs-(SB-)konzepte etabliert. Ein Angebot, von dem auch viele ältere Menschen im ländlichen Raum, die nicht oder nicht mehr mobil sind, profitierten. Besonders kundenfreundlich war dabei, dass an Sonn- und Feiertagen von 0 bis 24 Uhr eingekauft werden konnte, wie es auch bei Automaten und Selbstbedienungs-Hofläden möglich ist.

Bereits im August 2019 stellten die beiden Kärntner Christoph Raunig und Patrick Kleinfercher ihr Konzept von „Selbstbedienungsboxen ohne Personal“ vor und eröffneten damals die erste „AckerBox“ in Spittal an der Drau (K). „Rund um die Uhr regional einkaufen“ lautete das Motto der beiden jungen Unternehmer. Schnell folgten weitere SB-Läden. Derzeit gibt es 17 davon in Kärnten, Salzburg und in der Steiermark.

Selbstbedienungsboxen als eine Art „digitale Greißlerei“

„Die AckerBox stellt mittlerweile einen relevanten Absatzkanal für mehr als 280 Landwirte und Kleinproduzenten dar und sichert eine nachhaltige, regionale Versorgung“, erklärt Raunig. Der Eintritt in die umgebauten und adaptierten Schiffscontainer erfolgt mittels Bankomat- oder Kreditkarte. Mehr als 200 regionale Lebensmittel wie frisches Gemüse, Eier, Gebäck und Milchprodukte können in der AckerBox selbstständig ausgewählt werden, an einer Selbstbedienungs-Kassa gescannt und entweder bar oder per Karte bezahlt werden.

Im Jahr 2020 begann auch die oberösterreichische Unigruppe, 24-Stunden-Selbstbedienungs-Boxen zu etablieren. Gut 17 von den „digitalen Greißlereien“ gab es in Oberösterreich und der Steiermark. Die Uni-Boxen haben mittlerweile dicht gemacht, denn seit Kurzem ist Schluss mit der „Rund-um-die-Uhr-Nahversorgung“. Das Aus wegen Unrentabilität ist einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) geschuldet.

Gefußt hat es auf einer anonymen Anzeige im Jahr 2021 gegen die ständig zugänglichen AckerBoxen in Spittal an der Drau. Es folgte eine Strafe der Bezirkshauptmannschaft, eine Beschwerde vor dem Kärntner Verwaltungsgerichtshof und schließlich das VfGH-Urteil, wonach die Selbstbedienungscontainer nicht als Automaten gelten und somit unter das Ladenöffnungsgesetz mit 72 Stunden pro Woche fallen.

Die Betreiber der AckerBoxen können die Entscheidung nur schwer nachvollziehen und halten sie für nicht zeitgemäß. „Wir denken, dass es dringend einer Reformation des Automatenbegriffes braucht, um hier Digitalisierung voranzutreiben, zumal die entsprechende Definition in den 1990er Jahren formuliert wurde und auf Basis der heute technischen Möglichkeiten (Internet, künstliche Intelligenz) definitiv überholt ist“, ärgert sich Christoph Raunig.

Das Urteil des VfGH betrifft auch das 2020 in Niederösterreich gegründete „Selbstbedienungsshop-Konzept KastlGreissler“ des Unternehmers Christoph Mayer. „Wir hätten uns eine andere Entscheidung nicht nur gewünscht, sondern auch erwartet. Denn eigentlich ginge es doch darum,insbesondere am Land endlich wieder eine gute Nahversorgung sicherzustellen sowie für mehr regionale Produkte in den Einkaufskörben und weniger Autokilometer zu sorgen.“

Mit diesem personallosen Konzept wäre all das tatsächlich rund um die Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen problemlos möglich gewesen, „ohne dass hier Beschäftigte zum Handkuss kommen“, erklärt Mayer.

Es sei höchst an der Zeit, hier neue Wege zu gehen. Auch die NEOS setzen sich für eine Gesetzesanpassung ein. „Der VfGH hat das anhand der geltenden Gesetze entschieden. Gesetze kann der Gesetzgeber ändern“, meint der NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker.

„Der Handel wehrt sich gegen eine liberalere Handhabung, weil er die Konkurrenz fürchtet, was wir für ein lächerliches Argument halten.

Bei den Grünen ist es der Einfluss der Gewerkschaft, die grundsätzlich gegen Sonntagsöffnung ist“, ärgert sich Loacker. Angesichts der angespannten Wirtschaftslage könne es sich unser Land aber nicht mehr leisten, die strengsten Öffnungszeiten in ganz Europa zu haben, findet Loacker.

Selbst der Österreich-Chef von REWE (BILLA, BIPA …) Marcel Haraszti sprach sich in der vergangenen Woche für eine „Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten“ aus.

Er fordert „eine Ausweitung von aktuell maximal 72 Stunden auf 80 Stunden pro Woche“. Eine Sonntagsöffnung lehnt Haraszti aber ab.

Auch der Gewerkschaft GPA ist der Vorschlag einer Ausweitung der Öffnungszeiten ein Dorn im Auge. Die seien weder beschäftigten- noch familienfreundlich.

Zum Schutz von Mitarbeitern, die es nicht gibt

Ein Problem, das sich bei den SB-Containern ohnehin nicht stellt. „Unsere AckerBoxen werden komplett ohne Personal vor Ort betrieben und sollten demnach auch nicht Gesetzen unterliegen, die dem Schutz der Mitarbeiter dienen“, betont Raunig. Trotz des VfGH-Entscheides werde weiter am Expansionskurs des Unter-
nehmens festgehalten. „Wir beginnen mit den ersten Standorten in Deutsch land, wo es bereits heute deutlich klarere und betreiberfreundlichere Regelungen zu diesem Thema gibt.“

Derzeit kaufen pro Tag und AckerBox je nach Standort etwa 90 bis 120 Menschen ein. Die eingeschränkten Öffnungszeiten, die sich nun am Lebensmittelhandel orientieren, machen sich natürlich mit einem Nachlassen der Kundenfrequenz bemerkbar, weiß Raunig. „Es ist eine große Herausforderung, das den Kunden klarzumachen, die vor verschlossenen Türen stehen und die Situation nicht nachvollziehen können. Fest steht aber, dass wir weiter für eine Neuregelung des Themas kämpfen. Unsere Kunden zeigen uns glücklicherweise jeden Tag, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Raunig. Und der führt die AckerBox-Betreiber vorerst zum Verwaltungsgerichtshof, weil es wichtig sei, „dass das Thema ,am Tisch‘ bleibt und neu gedacht wird“.

Es sei schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass „SB-Shops“ nicht wie andere Automaten vom Öffnungszeitengesetz ausgenommen sind, kritisiert auch „KastlGreissler“-Gründer Mayer. Zumal es aus einer Zeit stamme, wo es Lösungen wie diese noch nicht gab.

„Gleichzeitig wird das Gesetz den veränderten Lebensrealitäten nicht gerecht. Die Wertung des Gesetzgebers, dass Tankstellen am Sonntag mit Personal und vollem Lebensmittelverkauf offen haben dürfen, Selbstbedienungsläden aber nicht, wirft die Frage auf, ob ein Liter Diesel mehr wert ist als ein Liter Milch“, wundert sich Christoph Mayer. rz
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