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Ausgabe Nr. 16/2024 vom 16.04.2024, Foto: imago images/Everett Collection
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Zur Person
Patrick Stewart wurde am 13. Juli 1940 in Mirfield (England) geboren. Er entdeckte für sich die Welt der Literatur und wollte Journalist werden.

Doch der Weg führte ihn ans Theater. Vor allem die Werke Shakespeares haben es ihm angetan, Stewart gehört seit 1966 der Königlichen Shakespeare Gesellschaft an. Mit zu seiner Bekanntheit haben auch seine Rollen in den

„X-Men“-Filmen beigetragen.
Der 83jährige lebt mit seiner dritten Frau, der Sängerin Sunny Ozell, 45, in New York (USA).

Er ist ein Anhänger des englischen
Zweitliga-Fußballklubs Huddersfield Town.
„Ich fürchtete mich vor meinem Vater“
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Als Captain Jean-Luc Picard durchstreifte er im „Raumschiff Enterprise“ mit seiner Mannschaft das Weltall und wurde berühmt. Doch bis dahin war es ein harter Weg für den in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen Patrick Stewart, 83.
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Sir Patrick Stewart, vor nahezu vier Jahrzehnten (1987) sind Sie als Captain Jean-Luc Picard in der Fernseh-Serie „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“ („Star Trek“) berühmt geworden. Warum mussten Sie 83 Jahre alt werden, bis Ihre Memoiren „Making It So. Mein Leben“ gedruckt wurden?

Das Schreiben ist für mich lange ein unbekanntes Gebiet gewesen. Bevor ich meine Erinnerungen zu Papier brachte, hatte ich nie etwas geschrieben – außer vielleicht 200 Zeilen eines Dankeschön-Briefes. Ich hatte nie Zeit, ein Buch zu verfassen und habe auch fast keine Memoiren anderer Menschen gelesen.

Was gab schließlich den Anstoß, doch Ihr Leben zu Papier zu bringen?

Nachdem ich viele Angebote abgelehnt hatte, sagte mein Agent während der Corona-Krise: „Schau, Patrick, im Augenblick gibt es keine Arbeit. Alle Produktionen liegen still, und so könnte es erst einmal bleiben. Du verbringst deine Tage schlafend. Setz dich hin und schreibe. Es ist das einzige offene Fenster, eine Chance. Wenn nichts daraus wird, zahlen wir einfach das Voraus-Honorar zurück, und du kannst wieder Puzzle spielen.“

Einen großen Teil der Rückschau auf Ihr Leben widmen Sie Ihrer Jugend in ärmlichen Verhältnissen und der angespannten Beziehung zu Ihrem gewalttätigen Vater Alfred Stewart, genannt Alf …

Ich wuchs mit zwei Brüdern in einer grauen Industriestadt in Nordengland auf, in einem kleinen, kalten Haus mit zwei Zimmern. Wir hatten kein fließendes Wasser, keinen Kühlschrank, keinen Fernsehapparat und keinen Plattenspieler. Das Klo war vor der Tür und hatte kein Licht. Meine Mutter verdiente als Weberin ein paar Pfund, mein Vater bekam als Soldat noch weniger. Er kehrte aus dem Krieg als Alkoholiker heim und war äußerst aggressiv. Freitagabends begann er zu trinken und trank bis Sonntagabend. Dann war er gefährlich. Ich fürchtete mich vor ihm. Ich habe immer gedacht, dass seine Gewalttätigkeit großen Einfluss auf mich hatte.

Inwiefern?

Es gab Zeiten, da war ich auch brutal. Allerdings nicht zu anderen Menschen und am wenigsten zu meinen beiden Kindern. Aber ich kann wütend werden.

Sie wurden gewalttätig gegen sich selbst?

Ja, indem ich mir gewisse Dinge verweigerte. Weil ich fühlte, dass ich sie nicht verdient hatte.

Trotz der Kritik an Ihrem Vater schreiben Sie, er habe Ihnen auch Gutes hinterlassen …

Ich glaube, meine Disziplin kommt von ihm. Ich gäbe viel, wenn ich heute mit ihm zusammensitzen und sagen könnte: „Also gut, ich bin nun 83 Jahre alt und du bist 100 Jahre alt – lass uns reden.“

Gibt es noch etwas, was Sie bedauern?

Dass ich meine Mutter Gladys nicht beschützt habe. Dass ich meine Brüder nicht mehr respektierte, obgleich ich sie lieb hatte.

Was half Ihnen, aus der engen Welt des englischen Yorkshire auszubrechen?

In unserer Stadt gab es eine Leihbücherei, die das wichtigste Gebäude in meinem Leben wurde. Schon als Fünf- oder Sechsjähriger ging ich Samstagfrüh hin und lieh zwei Bücher aus, die ich dann übers Wochenende verschlang. Ich war fasziniert von amerikanischer und russischer Literatur. Mit 15 Jahren verließ ich die Schule und wandte mich dem Theater zu.

Wurde das Theater für Sie zum Fluchtort vor dem unerfreulichen Elternhaus?

Das ist ohne Frage so. Anfangs schämte ich mich wegen meiner fehlenden Bildung. Dann fühlte ich mich auf der Bühne sicher, zuerst als Aushilfe-Manager, dann als Schauspieler.

Wann entdeckten Sie Ihr darstellerisches Talent?

Ich war es nicht, der es entdeckte. Es war mein Volksschullehrer Cecil Dormand. Als ich zwölf Jahre alt war, drückte er mir eine Kopie von William Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ in die Hand. Ein Theaterstück, von dem ich nie etwas gehört hatte. Er sagte: „Patrick, du bist Shylock.“ Natürlich wusste ich auch nicht, wer Shylock war. Und zwar ein jüdischer Geldverleiher. Ich konnte ja nicht einmal richtig lesen und verstand die Bedeutung der Worte nicht. Aber es wurde der Anfang meiner Spezialität als Shakespeare-Darsteller und meiner späteren Film-Karriere. Ich hing für immer am Haken der Unterhaltungskunst.

Stellte sich Ihr fehlender Haupthaarwuchs je als Hindernis in Ihrer Karriere dar?

Beruflich nicht. Im Jahr 2010 wurde ich sogar von Königin Elisabeth zum Ritter geschlagen und darf mich „Sir“ nennen. Mein Haupthaar hatte mit 17 Jahren begonnen auszufallen. Mit neunzehn war ich glatzköpfig, und ich wusste, was mir privat bevorstand: Ich würde es schwer haben, Freundinnen zu finden.

Indes ist Ihre Kahlköpfigkeit zu einer Art Markenzeichen geworden. Werden Sie auf der Straße darauf angesprochen?

Immer wieder ziehen Männer vor mir ihre Mütze vom Kopf, deuten auf ihre Glatze und sagen: „Sie haben mein Leben gerettet.“ Erst kürzlich gestand mir meine Frau, dass sie glatzköpfige Männer schon als Teenager attraktiv fand.

Sie hatten zahlreiche Beziehungen und sind seit zehn Jahren zum dritten Mal verheiratet. Und zwar mit der Sängerin Sunny Ozell, 45.

Meine gescheiterten Ehen sind mein großes Bedauern. Ich war aus der Spur geraten, nahm Pillen, trank Alkohol. Sunny hat mir den richtigen Weg gewiesen.

Ihr Sohn Daniel, 56, und Ihre Tochter Sophie, 51, aus erster Ehe haben Ihnen die Trennung von deren Mutter Sheila Falconer, 79, nie verziehen …

Wir haben ein trauriges Verhältnis. Besser gesagt: Gar kein Verhältnis. Ich hätte nie gedacht, dass dies geschehen würde. Kein Tag vergeht, ohne dass ich an meine Kinder denke. Leider nahm ich, als ich jung war, meine Arbeit wichtiger als meine Familie.

In Ihrem Buch sagen Sie, dass Sie die Stimme Ihrer Mutter hörten, nachdem sie 1977 gestorben war, drei Jahre vor Ihrem Vater Alf. Glauben Sie an übernatürliche Phänomene?

Ich habe das Gefühl, dass es mehr gibt als das Leben auf der Erde. Wenn wir von hier weggehen, ist ein Kapitel abgeschlossen, aber nicht unsere Existenz.
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