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Ausgabe Nr. 15/2024 vom 09.04.2024, Fotos: AdobeStock, Stephan Polzer
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Ferdinand Breitschopf.
Musiklehrer verzweifelt gesucht
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Im Land von Mozart, Johann Strauß und Falco fehlen hunderte Musiklehrer, vor allem in den Mittelschulen. Das hat weitreichende Folgen.
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Der Österreichische Musikrat (ÖMR) schlägt Alarm. Im Musikland Österreich fehlen die Musiklehrer. Schon 2017 mangelte es etwa in niederösterreichischen und Wiener Mittelschulen an 300 ausgebildeten Musikpädagogen. „In den vergangenen drei Jahren hat sich die Situation verschärft“, sagt Ferdinand Breitschopf. Er ist ÖMR-Vorstandsmitglied und Fachinspektor für Musik in Wien.

Für viele Zehn- bis 14jährige gibt es gar keinen „richtigen“ Musikunterricht mehr. Denn die raren Musikerziehungs-Absolventen gehen teils gar nicht in die Schulen, und wenn, dann lieber in ein Gymnasium. In Mittelschulen übernehmen „fachfremde“ Lehrer die Musikstunden, der Geographie-Lehrer ebenso wie die Mathematik-Professorin.

Zudem mangelt es an Studienplätzen. „Wir bräuchten 80 Studienanfänger pro Jahr. Die geeigneten Personen dafür hätten wir auch“, erklärt Breitschopf. Aber es gibt nur 45 Ausbildungsplätze für den Osten unseres Landes.

„Musikalische Analphabeten“

„Das ist ein massives Problem“, warnt Ferdinand Breitschopf, der selbst auch Musikerziehung studiert hat. Ganze Gruppen von „musikalischen Analphabeten“ kämen aus den Mittelschulen heraus.

Dabei sei Musik „Teil der menschlichen Existenz und im Rahmen der UNESCO-Charta wird das Recht auf musikalische Bildung als Menschenrecht definiert“, weiß der Experte. Dafür brauche es guten Musikunterricht. Denn „was man nicht kennt, oder womit man sich nicht beschäftigt hat, wird oft abgelehnt oder es lässt einen kalt.“

Der Musiklehrer-Mangel beschränkt sich aber nicht auf Wien und Niederösterreich. „Im laufenden Schuljahr 2024/25 sind allein an den Mittelschulen 170 ungeprüfte Musiklehrerinnen und -lehrer im Einsatz“, heißt es etwa aus der Tiroler Bildungsdirektion. Auch in Tirol „schnappen“ sich die höheren Schulen und die Musikschulen die meisten Musiklehrer.

Mit ein Grund für den Engpass ist laut Bildungsdirektion zudem „die neue Ausbildungsstruktur, die nur mehr ein Musik-Lehramtsstudium an den Universitäten ermöglicht.“ Das habe zu einer Verringerung der Absolventen-Zahl geführt. „Der Wegfall der Lehramtsausbildung an den Pädagogischen Hochschulen wurde bedauerlicherweise nicht kompensiert.“

Jetzt soll die Situation zumindest in diesem Bundesland verbessert werden. An der Pädagogischen Hochschule Tirol wird „ein Lehrgang für Ungeprüfte in Musik an Mittelschulen installiert“.

In Salzburg und Oberösterreich sind Musiklehrer ebenfalls Mangelware. „Das Stellenangebot ist schon jetzt wesentlich größer als die verfügbaren Lehrkräfte“, hieß es kürzlich vom Salzburger Mozarteum.

Nicht nur in den Musikschulen, sondern auch in den Klassenzimmern ist der Bedarf groß. „Pro Jahr werden allein in Oberösterreich und Salzburg rund sechzig neue Musiklehrkräfte benötigt.“

Das Bildungsministerium geht hingegen von keinem außergewöhnlichen Mangel an Musikpädagogen aus. Der Bedarf liege im Durchschnitt.

Musik gehört zur „Allgemeinbildung und zur österreichischen Identität“, ist Ferdinand Breitschopf vom Musikrat überzeugt. Sie ist aber auch ein Wirtschaftsfaktor. Konzerthäuser, Musiktheater, Festivals – sie alle sorgen für Einnahmen, auch aus dem Tourismus.

„Die Grundmusikalisierung der Bevölkerung hat positive Effekte auf die gesamte Musikkultur im Land. Ob das jetzt ein kundiges Publikum ist, das gerne in Konzerte geht, oder ob das Menschen sind, die in Chören singen, in Laienorchestern spielen oder zur Blasmusik gehen.“

Mehr als 90.000 Menschen singen hierzulande in Chören, der Blasmusikverband hat 142.000 Mitglieder. Immerhin jeder Fünfte in unserem Land hat einmal ein Musikinstrument gelernt, zeigte eine Umfrage vor ein paar Jahren. Sechs von hundert gaben an, auch derzeit an der Gitarre zu zupfen oder in die Klaviertasten zu „hauen“.

Dazu kommt, dass Musik in der Schule noch etliche Zusatznutzen hat. Die Konzentrationsfähigkeit steigt, die Merkleistung und Sprachentwicklung profitieren davon ebenso wie der Umgang miteinander. „Wer die Sprache besser versteht und sozial kompetenter agiert, hat bessere Voraussetzungen für Integration“, hält Ferdinand Breitschopf einen Aspekt fest.

Mozart macht schlau, lautet ein Schlagwort. Das gilt für Musik allgemein. Eine Untersuchung mit 144 Sechsjährigen bestätigte diese Annahme. Die Kinder wurden in vier zufällig zusammengewürfelten Gruppen eingeteilt. Eine lernte Klavier, eine hatte Gesangsunterricht, eine spielte Theater. Bei der vierten Gruppe gab es keinen zusätzlichen Unterricht.

Blockflöte für alle Volksschüler im Burgenland​

Vor und nach der einjährigen Studienphase wurde der Intelligenzquotient der Kinder gemessen. Er stieg bei allen, was mit dem Schuleintritt erklärbar ist. Bei jenen, die sangen oder Klavier spielten, war der Intelligenzquotient jedoch deutlich höher.

Der frühere deutsche Innenminister Otto Schily ging in einer Parlamentsdebatte noch einen Schritt weiter. „Wer in der Erziehung von Jugendlichen und Kindern die musische Erziehung vernachlässigt, der muss sich nicht wundern, wenn dabei kaltherzige und brutale Charaktere herauskommen“, sagte der Sozialdemokrat rund um die Jahrtausendwende.

Er sei „sehr dafür, dass jedes Kind einen Zugang zum Computer hat. Aber vielleicht wäre es auch gut, wenn jedes Kind einen Zugang zu einem Musikinstrument hätte“.

Genau das passiert seit dem Jahr 2022 im Burgenland. Als Teil einer „Musikoffensive“ bekommt dort jeder Volksschüler in der zweiten Klasse eine Blockflöte. Damit soll „die Basis für eine musikalische Ausbildung“ gelegt werden, sagte SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil beim Beginn des Projektes. Die Flöten und zusätzliches Lehrmaterial lässt sich das Land heuer 145.00 Euro kosten.
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