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Ausgabe Nr. 14/2024 vom 02.04.2024, Fotos: Cynthia Vice Acosta/Kauck, picturedesk.com
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In Bunkern wie diesem hören Ukrainer die russische Militärführung ab.
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Hoher Besuch in einem Bunker vom Präsisidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj (Mitte).
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Ein Soldat startet die Drohne zum zerstörerischen Flug.
Geheim-Kommando „Goldfisch“
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Als der russische Präsident sagte, die Amerikaner würden in der Ukraine einen Schattenkrieg gegen sein Land führen, wurde er von den westlichen Politikern als Lügner hingestellt, der einen Vorwand für den Einmarsch suchte. Nun kam heraus, dass Putin Recht hatte.
Seit mehr als zwei Jahren tobt nun schon der Krieg in der Ukraine. Und das Töten geht unvermindert weiter, weil kein Ruf nach Frieden zu hören ist. Dafür wird geradezu hysterisch nach immer neuen Waffen verlangt. Und wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Franziskus, einmahnt, die weiße Fahne des Friedens zu hissen, wird er von den führenden Politikern Europas belächelt und verhöhnt.

Ähnlich ist es mit Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putins. Als er noch vor dem Einmarsch russischer Truppen Ende Februar 2022 in die Ukraine darauf hinwies, dass der amerikanische Geheimdienst CIA seit Jahren geheime Bunker in der Ukraine aufgebaut habe und von dort aus einen Schattenkrieg gegen sein Land führe, wurde er als Lügner und propagandistischer Schwurbler hingestellt, der einen Vorwand erfand, um in die Ukraine einzumarschieren.

Putin mahnte, die Amerikaner würden im Begriff sein, die Ukraine zum militärischen Außenposten ihrer Interessen zu machen, um von dort aus Russland zu bedrohen.

Nun stellte sich heraus, dass alles stimmt, was Putin gesagt hat. Aufgedeckt haben dies Mitarbeiter der renommierten amerikanischen Zeitung „The New York Times“.

Ihrem Bericht zufolge agiere die CIA seit zehn Jahren in der Ukraine mit dem Ziel, von den geheimen Basen aus grenzüberschreitende Drohnen- und Raketenangriffe auf russisches Territorium durchzuführen.

Einer dieser Bunker liegt versteckt in einem Kiefernwald im Nordosten der Ukraine. Bis zur russischen Grenze sind es weniger als 70 Kilometer. Es gibt keine Straße zu dem Schutzbau. Der Eingang verbirgt sich an einem Hügel hinter dichten Büschen. Alle Spuren menschlicher Gegenwart werden von den Benutzern sorgfältig mit Nadeln und Laub bedeckt.

Niemand würde vermuten, dass sich hier, unter der schwarzen Erde der Ukraine, ein wichtiges Nervenzentrum des Kampfes gegen die Russen befindet. In diesem Bunker und elf ähnlichen an der 1.000 Kilometer langen Front hören ukrainische Soldaten mit Hilfe der Amerikaner die Kommunikation der russischen Militärführung ab. Von hier aus schicken Offiziere Kommandos hinter die feindlichen Linien, lenken junge Drohnen-Piloten fliegende Bomben durch die gegnerische Luftabwehr bis in Städte wie Rostow am Don.

Die Amerikaner haben diese hochtechnischen Einrichtungen finanziert.

Amerikanischen Reportern gelang es, mehrere Bunker zu besuchen. Begleitet von ukrainischen Soldaten und dem russischen Artilleriefeuer ausgesetzt, holperten sie nachts im Jeep über zerstörte Felder und durch verbrannte Wälder der Front entgegen. „In der Kälte versagten die Batterien der Aufnahmegeräte, und Mobiltelefone funktionierten nicht mehr“, berichtet die Kriegsreporterin Carlotta Gall. „Gewöhnlich habe ich einen Bleistift bei mir, weil Kugelschreiber gefrieren.“

Bei ihren Recherchen kam heraus: Schon acht Jahre vor der russischen Invasion hatte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und ukrainischen Militärs und Geheimagenten angebahnt. Sie mündeten in der Übereinkunft, an der Grenze eine verdeckte Spionage-Bunkerkette anzulegen.

Der Tag, an dem alles begann, war der 24. Februar 2014. Gerade hatten Millionen von Ukrainern mit Hilfe der Amerikaner den Kreml-freundlichen Premier Viktor Janukowitsch zum Teufel gejagt. Um Mitternacht griff der neue Geheimdienstchef Walentyn Nalywajtschenko in Kiew zum Telefon. Er bat den CIA-Stadthalter und dessen englischen MI6-Kollegen ins zerstörte Büro seines nach Moskau geflohenen Vorgängers. Unumwunden bot der Chefspion ein Bündnis gegen Russland an.

Zunächst waren die westlichen Agenten misstrauisch. „Wir wussten, dass der ukrainische Geheimdienst mit russischen Sympathisanten durchsetzt war“, sagt der damalige CIA-Chef John O. Brennan. „Die mussten erst einmal ausgemistet werden.“

Ein Jahr später gewannen die Ukrainer das Vertrauen der Amerikaner, als General Valery Kondratiuk, der neue Chef des militärischen Spionagedienstes, mit einem Bündel von Dokumenten im CIA-Quartier in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erschien. Er brachte wichtige Einzelheiten über die russische Marine und Konstruktionspläne für Atom-U-Boote mit und sagte: „Wo dies herkommt, ist noch mehr.“

Daraufhin erklärte sich die CIA bereit, den Ukrainern beim Aufbau eines wirkungsvollen Geheimdienstes unter die Arme zu greifen. Die Amerikaner schickten Ausrüstung, Verschlüsselungs- und Entzifferungs-Geräte. Sie begannen, ukrainischen Agenten auf zwei ihrer europäischen Basen auszubilden. Sie nannten das Programm „Goldfisch“.

Alle Angehörigen der neuen Einheit waren jung, sie kamen zur Welt, nachdem ihr Vaterland seine Unabhängigkeit von Russland gewonnen hatte. „Sie haben keine Verbindung mit Russland“, versicherte General Kondratiuk in einem seiner versteckten Horchposten. „Sie wissen nicht viel über die Sowjetunion.“ Dabei deutete er schmunzelnd auf das Aquarium an der Wand des Bunkers. Darin umrundeten gelbe und blaue Fische – in den Nationalfarben der Ukraine – ein gesunkenes russisches U-Boot.

Zwei Jahre nach der ersten Kontaktaufnahme mit den Amerikanern, begann mit deren Geld der Bau der Bunker und es entstand unter der Leitung der CIA die Spionage-Einheit „2245“. Sie gelangte in den Besitz russischer Drohnen und Kommunikations-Mittel, die dann von amerikanischen Technikern „umgedreht“ wurden. Das erlaubte den Ukrainern das Durchbrechen der russischen Abwehr.

Zudem werden die CIA-Bunker im Nordosten des Landes vom deutschen Luftabwehrsystem verteidigt. Luftfilter schützen die Insaßen vor chemischen Waffen. Die Bunker haben auch ihre eigene elektrische Versorgung.

In einem der Bunker deutete ein General auf große Computer und sagte: „Damit hacken wir ihre Satelliten und enträtseln ihre Kommunikation.“ Auf Bildschirmen waren in roten Leuchtstreifen russische Spionagesatelliten über der Ukraine zu sehen. Ein anderer Schirm zeigte Einschlag und Explosion einer ukrainischen Bomben-Drohne.

Vier Soldaten beobachteten auf einem Wandschirm Bewegungen russischer Panzer und Truppen und gaben den genauen Ort an einen Kameraden weiter. Dieser trat vor die Tür und startete eine Kamikaze-Drohne zu ihrem zerstörerischen Flug.

Der Kommandant knipste einen Monitor an und schaltete sich in die Übertragung des Drohnenfluges einer benachbarten Bunker-Truppe ein. Das Bild flimmerte, aber der Ton war klar. „Russischer Panzer im Vormarsch ins Dorf“ war zu hören. Dann eine andere Stimme: „Alles vorbereitet? Lasst uns unseren Brüdern helfen.“

Während eine Maus auf dem Boden des Bunkers nach Brotresten suchte, jubelten die Soldaten, denn die Drohne hatte den Panzer zerstört.

Erfolge wie dieser sind für die Ukrainer Stückwerk. Ihr Vorhaben, die Rückeroberung der von den Russen besetzten Gebiete, ist zum Stillstand gekommen. Den symbolträchtigen Kampf um die Stadt Awdijiwka, 700 Kilometer südöstlich von Kiew, verloren die Ukrainer kürzlich nach großen Blut- und Materialverlusten. Und das Verhältnis der Verbündeten zeigt wachsende Spuren des Verschleißes.

Amerikanische Militärs sind enttäuscht, weil die Ukrainer ihre strategischen Ratschläge missachten. Zum Beispiel hatten die Berater aus Übersee Präsident Wolodymyr Selenskyj empfohlen, seine Truppen zusammenzufassen und in voller Stärke an einzelnen Frontabschnitten angreifen zu lassen. Stattdessen verzettelten sich die Ukrainer in kleinen Einheiten an der langen Grenze – und verloren gegen die übermächtigen Russen.

Dies kommentierte James G. Stavridis, der frühere Oberkommandierende der US-Truppen in Europa, mit den Worten: „Im Militär sagen wir, ‚Wenn du überall angreifen willst, endest du damit, nirgends anzugreifen‘.“

Die Ukrainer wenden ein, die ausgedehnte Front habe Moskau an die 350.000 getötete oder verletzte Soldaten gekostet sowie 2.200 Panzer und ein Drittel seiner Militär-Fahrzeuge. Und diese Zahlen wären viel höher, wenn Amerikaner und Europäer mehr Artillerie-Granaten, moderne Kampfflugzeuge und weitreichende Raketenwerfer geliefert hätten.

Weil die verfügbaren Geschoße und Drohnen von Tag zu Tag knapper werden, müssen ukrainische Generäle ihre Soldaten anhalten, genauer zu zielen und weniger oft zu feuern. „Aber wir geben nicht auf“, sagen sie. „Wir machen weiter. Und hoffen, dass Washington uns nicht im Stich lässt.“ kauck
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