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Ausgabe Nr. 14/2024 vom 02.04.2024, Fotos: AdobeStock
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Nachts zu viel wachzuliegen, macht krank.
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Vor allem im Alter steigt bei Schlafproblemen das Demenzrisiko.
Ohne Schlaf keine gesunde „Gehirnwäsche“
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Wer regelmäßig zu wenig schläft, riskiert mehr als Müdigkeit. Es drohen Depressionen, Ängste oder Demenz, denn unser Gehirn ist während der Nachtruhe mit Aufgaben beschäftigt, die für unsere geistige Gesundheit von großer Bedeutung sind.
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Schlechter Schlaf ist eine Volkskrankheit. Mehr als siebenhunderttausend Frauen und Männer in unserem Land leiden unter chronischer krankhafter Schlaflosigkeit. Das zeigte eine Studie der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung des Schlafforschers Dr. Stefan Seidel.

Die Zahl jener Menschen, die „nur“ unter Schlafstörungen leidet, ist noch einmal so hoch, so die Schätzungen. Das heißt, eineinhalb Millionen Menschen im Land haben Probleme mit dem Schlaf, doch zu wenige nehmen sie ernst. „Nur jeder Zweite mit krankhaften Schlafproblemen holt sich professionelle Hilfe. Daraus lässt sich ein dringender Bedarf nach besserer Aufklärung in der Bevölkerung ablesen“, betont Dr. Seidel, der die Bedeutung des Schlafes massiv unterschätzt sieht. Schlafstörungen oder anhaltende Schlaflosigkeit sind keine Bagatellprobleme, darin sind sich die Mediziner einig. Schlafmangel ist ein massives Gesundheitsrisiko. Die meisten Menschen brauchen pro Nacht etwa sieben bis acht Stunden Schlaf, damit sich das Gehirn ausreichend erholt. Sechs Stunden und neun Stunden Schlaf werden in Bezug auf die Gehirngesundheit als individuelle Unter- und Obergrenze angesehen.

„Bekommen wir weniger als sechs Stunden Schlaf, leidet das Gehirn“, schreibt Prof. Brant Cortright, klinischer Psychologe und Professor für Psychologie am California Institute of Integral Studies (USA) und Spezialist für Gehirnentwicklung in seinem Buch „Das bessere Gehirn.“

Eine einzige Nacht mit nur vier bis sechs Stunden Schlaf, so Cortright, genüge, um die Aufmerksamkeitsspanne, das Denken, das Lernen und die Orientierung zu beeinträchtigen. In Versuchen zeigte sich, bereits 24 Stunden erzwungener Wachheit beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit stärker als der Konsum der gesetzlich erlaubten Höchstmenge an Alkohol.

Krankheitsrisiko steigt

Bleibt es bei ungenügendem Schlaf, erhöht sich das Risiko für eine Reihe von chronischen Krankheiten wie Gewichtszunahme, Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, verminderte Immunabwehr und Krebs. Eine Studie mit 8.000 britischen Beamten ergab, dass sie nach ihrer Pensionierung häufiger an Demenz erkrankten, wenn sie über Jahrzehnte sechs Stunden oder weniger geschlafen hatten.

Neurobiologen konnten das mit zahlreichen Studien bestätigen. Im Schlaf sind die üblichen Funktionen des Gehirnes ausgesetzt, dennoch ist es hochaktiv. Schlafen wir, werden neue Nerven- und Gehirnzellen gebildet, Gedächtnisinhalte verfestigt und nicht zuletzt wird das Gehirn von Abfällen gereinigt. Dieses Filter- und Reinigungssystem des Gehirnes war bis vor etwas mehr als zehn Jahren unbekannt. Heute wird es glymphatisches System genannt. Es ist eine Art Kanalsystem im Gehirn, ähnlich dem Lymphsystem im Körper, das vor allem während unseres Schlafes die Räume zwischen den Hirnzellen spült und den Abfall mitnimmt.

Täglich sieben Gramm „Schrott“ im Gehirn

Dr. Maiken Nedergaard, Neurobiologin aus Dänemark, war federführend bei der Entdeckung des glymphatischen Systems. „Unser Gehirn verbraucht täglich viel Energie. Dabei fallen große Mengen potenziell giftiger Proteinabfälle, täglich sieben Gramm, an und zellulärer Schrott. Das ergibt zweieinhalb Kilo im Jahr, fast die doppelte Masse des Gehirnes“, sagt Dr. Nedergaard. Die giftigen Eiweiße, von denen die Neurobiologin spricht, sind zum Beispiel Beta-Amylide, die am Entstehen von Alzheimer-Demenz mitwirken.

Bekommen wir zu wenig Schlaf, ist die Müllentsorgung im Gehirn verlangsamt. Das bleibt nicht folgenlos. „Sammeln sich die giftigen Restprodukte an, führt dies kurzfristig zu einem Gefühl der Vernebelung. Langfristig sind Alzheimer, Parkinson und anderen neurodegenerativen Krankheiten Tür und Tor geöffnet“, warnt Dr. Cortright.

Eine jüngst veröffentlichte US-Studie der Universität Washington (USA) unterstützt Cortrights Aussage. Kurzer oder unregelmäßiger Schlaf kann krankhafte Prozesse begünstigen, der später Demenz zugrunde liegt. Senioren, die dauerhaft weniger als sechs Stunden schlafen, sind stark gefährdet, in ihren geistigen Fähigkeiten Einbußen zu erleiden, so die US-Studie.

Dunkelheit ist wichtig für die Schlafqualität

Es ist aber nicht nur die Schlafdauer entscheidend. Die Schlafqualität ist es nicht minder. Für einen guten Schlaf etwa ist Dunkelheit unerlässlich. „Braucht jemand Licht von einer Nachtlampe, sollte eine rote, orange oder bernsteinfarbene Lichtquelle gewählt werden. Für einen guten Schlaf entfernen Sie das Mobiltelefon und andere elektrische Geräte aus dem Umfeld von Kopf und Körper.“

Die Häufigkeit von Schlafstörungen bei den Menschen in unserem Land nimmt deutlich zu. Schlafmediziner plädieren, Schlaf endlich so wichtig zu nehmen wie Nahrung, Luft und Wasser. Nicht umsonst habe es die Natur eingerichtet, dass wir ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen verbringen (müssen).
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