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Ausgabe Nr. 14/2024 vom 02.04.2024, Foto: ddp
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Bianca Censori in ihrer „Straßenkleidung“.
Unterdrückt und willenlos
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Nicht immer ist eine Liebe überwiegend von positiven Gefühlen und Zuneigung geprägt.
Oft begibt sich die Frau in eine emotionale Abhängigkeit und lässt den Mann über ihr
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Sie ist eine Frau ohne Stimme, aber mit viel nackter Haut. Bianca Censori, 29, die Ehefrau des amerikanischen Sängers Kanye West, 46, ist dafür bekannt, sich fast nackt und schweigend neben ihrem Partner zu zeigen. Wie ein willenloses Bündel. Im vorigen Jahr in Venedig (Italien) sorgte das Paar für einen handfesten Skandal, als es auf einem venezianischen Wassertaxi in aller Öffentlichkeit beim Oralsex fotografiert wurde und schließlich vom Taxiunternehmen lebenslanges Fahrverbot bekam.

Vor einigen Monaten kritisierte zudem die amerikanische Komikerin Kathy Griffin, 63, dass Kanye West seine Frau „unter der Fuchtel“ habe. „Wir haben noch nie einen Piep von ihr gehört, ich weiß nicht, ob er sie nicht reden lässt“, sagte Griffin. Auch Censoris Freunde machen sich bereits Sorgen um die studierte Architektin. „Bianca sitzt fest, und wir versuchen, sie zu retten, aber niemand kann das, weil Kanye Blockaden um sie herum errichtet hat.“

Es ist ein Teufelskreis. Die Liebe macht Frauen sprichwörtlich blind und lässt sie Erniedrigungen durch ihren Partner ertragen, die Außenstehende fassungslos machen. Doch das Abhängigkeitsverhältnis der Frau vom Mann ist derart groß, dass sie nicht in der Lage ist, sich aus dieser demütigenden und unterdrückenden Situation zu befreien. Worte der Ermahnungen durch Freunde verhallen wirkungslos.

Frühes Drama wird immer neu erlebt

„Oft haben sie eine toxische Kindheit erlebt. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Eltern das Kind nicht gemocht haben. Es reicht schon aus, dass die Bezugspersonen nicht immer verfügbar waren, zum Beispiel aufgrund einer Alkoholerkrankung oder es ging generell zu Hause dramatisch zu. Dadurch, dass sich unser Gehirn daran gewöhnt, was wir in der Kindheit erlebt haben, suchen die Betroffenen später unterbewusst immer wieder dieses Drama“, erklärt der Diplom-Psychologe und Paartherapeut Christian Hemschemeier, der das Buch „Vom Opfer zum Gestalter: Raus aus toxischen Beziehungen – rein ins Leben“ geschrieben hat.

„Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, bei denen im Leben gerade alles schiefläuft. Zum Beispiel ist ein Angehöriger gestorben, sie haben ihren Arbeitsplatz verloren oder sie sind krank geworden. Es geht ihnen insgesamt nicht gut und sie sind daher bedürftiger.“
Wobei sich in unserer Gesellschaft ein erschreckendes Bild zeigt. Denn so, wie es Bianca Censori geht, leiden hierzulande jeden Tag Frauen. Umfragen zufolge steckte jede dritte Frau bereits ein Mal in ihrem Leben in einer derartigen „vergifteten“ Beziehung.

Dem Partner zu gefallen hat Vorrang

Sie wissen um ihre missliche Lage, können sich daraus aber nicht befreien. Mehr noch, sie erniedrigen sich selbst, weiß die Psychologin und Forschungsleiterin bei der Online-Partnervermittlung „ElitePartner“, Lisa Fischbach. „Dem Partner zu gefallen, steht bei emotional abhängigen Frauen an oberster Stelle, die eigenen Bedürfnisse werden ignoriert oder stark zurückgeschraubt.

Nichts fühlt sich so wichtig an, wie den Partner zufriedenzustellen. Auch der eigene Selbstwert oder gar die ganze Identität wird von vielen Frauen nur noch durch den Lebenspartner definiert. Vor der Partnerschaft hatte die Frau beispielsweise einen großen Freundeskreis, mit dem sie viel gemeinsam unternommen hat. Da der neue Partner wenig von ihren Freunden hält und umgekehrt, verbringt sie immer weniger Zeit mit ihrem sozialen Umfeld. Solange, bis sie sich irgendwann nur noch mit ihrem Partner und dessen Freunden trifft.“

Sich aus einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zu befreien, ist nicht einfach, weil emotionale Bindungen, die Angst vor Einsamkeit und die Hoffnung, dass sich der Partner ändert, stark wirken. Doch das Problem ist: Diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen.
Als Weg aus diesem Dilemma sieht der Diplom-Psychologe Hemschemeier das Festlegen eigener Standards.
„Das heißt, die Frau muss sich überlegen, wie sie in einer Beziehung behandelt werden möchte. Ich unterscheide in ,Dealbreaker‘ und ,Standards‘.
Dealbreaker sind in einer Partnerschaft absolut tabu. Ein Dealbreaker könnte also Fremdgehen, psychische oder physische Gewalt in der Beziehung sowie mehrfaches Lügen sein.

Standards hingegen sind Kriterien oder Beziehungsziele, die der andere erfüllen muss, um überhaupt in Frage zu kommen. Das können sein: ,Ich werde nicht angelogen‘, ,Wir sagen uns offen unsere Gefühle‘, ,Meine SMS werden nach sechs Stunden beantwortet‘, ,Nach zwei Jahren Beziehung möchte ich gerne zusammenziehen‘ oder ,Mein Partner hat keine geheimen Süchte‘.“

Wer diese Kriterien für sich selbst definiert, macht nicht mehr den Partner zum Maßstab, sondern sich selbst, so Hemschemeier. Auf diese Weise werde das eigene „Ich“ gestärkt und der Weg in die Abhängigkeit vermieden.
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