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Ausgabe Nr. 12/2024 vom 19.03.2024
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Sisi
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Elfenkönigin Titania
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Elfenkönigin Titania
Sisi, die Kaiserin, die lieber eine Elfenkönigin sein wollte
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Sie marschierte, kraxelte, focht, hungerte, rauchte und ließ sich tätowieren. Von der braven Sisi, die ihren „Franzl“ anhimmelte und ihre Untertanen verzauberte, war bald nach der Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph nicht mehr viel übrig. Als 50jährige beschrieb sich die Kaiserin als „liebesbleich und silberkühl“.
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Das Leben unserer Kaiserin Sisi birgt viele unentdeckte Momente. Sie ans Licht zu holen, hat sich die Sisi-Biografin Michaela Lindinger, Kuratorin des Wien-Museums, vorgenommen. In ihrem neuen Buch „Die dunkle Kaiserin – Elisabeths späte Jahre“ zeichnet sie ein Bild der Monarchin, das mit jener strahlenden Frau aus den Verfilmungen mit Romy Schneider nichts zu tun hat.

Für Lindinger steht fest, dass sich Sisi mit keiner anderen Figur mehr identifizierte als mit der Elfenkönigin Titania aus William Shakespeares Zauberkomödie „Sommer-
nachtstraum“. Szenen daraus finden sich als Deckengemälde in Elisabeths Schlafzimmer in der Hermesvilla, im Lainzer Tiergarten des 13. Wiener Gemeindebezirkes.

Einen idealen Elfenkönig Oberon vermeinte Elisabeth in ihrem Großcousin, dem bayerischen „Märchenprinzen“ König Ludwig II., zu erkennen. Ihrem Mann Franz Joseph hingegen blieb die Ironie hinter der Vorliebe seiner Frau verborgen. „Elisabeth gefiel der Machtkampf zwischen Oberon und Titania, deren Eifersucht aufeinander und die Beziehung Titanias zu ihrem Liebhaber, dem Esel“, erklärt Lindinger.

Die Männer ersetzte Elisabeth durch Tote.

Sisi legte Wert darauf, an all ihren Wohnsitzen ein Bild der Elfenkönigin mit dem Esel zu besitzen. Freimütig hielt sie über ihre Ehe mit dem „Vollblut-Eselein voll Eigensinn und Laun‘“ in einem selbstverfassten Vers fest: „Urplötzlich in Schrecken verloren, erblicket Titania Ohren von schauererregender Länge, die drohen so vorwurfsvoll strenge. Entsetzenvoll stürzt sie von dannen, verschwindend im Dunkel der Tannen.“ Neben bislang unveröffentlichten Abbildungen ließ die Autorin Verse wie diese der Kaiserin in die Biografie einfließen.

„Die Männer ersetzte Elisabeth bald durch Tote. Mit ihren unerreichbar-perfekten Seelengefährten aus dem Reich der Schatten wie dem griechischen Gott Achilles oder ihrem Lieblingsdichter Heinrich Heine konnten die lebenden Verehrer, die sie ,Eselshäute‘ nannte, nicht mithalten. Zumal sie den entscheidenden Vorteil hatten, keine Forderungen an ,Titania‘ zu stellen“, erklärt die Historikerin das Männerbild der alternden Sisi, deren Ehe längst zerrüttet war.

Bereits Ende des Jahres 1850, Sisi war gerade einmal 22 Jahre alt, schrieb der Kaiser entnervt an sie: „Ich beschwöre dich, gebe dieses Leben auf und schlafe bei Nacht, die ja von Natur aus zum Schlafen und nicht zum Lesen und Schreiben bestimmt ist.“ Sisi hatte zu rauchen begonnen und durchwachte ganze Nächte. „Sie litt mit zunehmendem Alter unter Depressionen und hegte Selbstmordgedanken. Die waren fantasievoll und von der Kunst und Literatur der ,schwarzen Romantik‘ inspiriert“, weiß die Biografin.

Schwarz bevorzugte Sisi auch bei ihrer Kleidung, vor allem nach dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolf im Jahr 1889. Um sich von der Masse abzuheben, stilisierte die Kaiserin, die am 24. Dezember 1837 in München (D) zur Welt gekommen war, jedoch nicht ihre Kleider, sondern ihren Körper. Sie war 170 Zentimeter groß, größer als der Kaiser, schlank und brünett. Das Schönheitsideal der Epoche war hingegen füllig, klein und rothaarig. Mit allen Mitteln arbeitete Sisi an ihrem Körper und ließ sich stundenlang die Taille auf 50 Zentimeter Umfang schnüren.

Alle paar Wochen fand der „Kopfwaschtag“ statt. Mit einer Mixtur aus Eidotter und Cognac wurden die Haare gewaschen und mit Lavendelwasser gespült. Als Elisabeth fast 50 Jahre alt war und graue Strähnen hatte, tönte sie diese in ihrer kastanienbraunen Naturfarbe mit schwarzem Tee und einem Extrakt aus Nussschalen. Sisi selbst jammerte, wenn sie frisiert wurde. Es käme ihr vor, als gehe der „Geist aus den Haaren hinaus“. Sie litt unter starken Kopfschmerzen, die wohl eine Ursache für ihre Schlaflosigkeit waren. Deshalb ließ sie einen Haken in die Zimmerdecke schlagen, an denen sie ihre Haare aufhängte, um den Druck auf den Kopf zu entlasten.

Ärzten gegenüber war die Kaiserin allerdings zeit ihres Lebens misstrauisch bis ablehnend eingestellt, dafür hatte sie einen unstillbaren Bewegungsdrang. Auch im Alter liebte es Elisabeth noch, Ahnungslose mit ihrer Gymnastik zu schockieren. Galt es doch als skandalös, wenn eine Frau an Geräten turnte. Hingegen vermied es die Kaiserin tunlichst, Repräsentationspflichten nachzukommen. Am liebsten besuchte sie „Irrenanstalten“. Im Park einer Londoner Anstalt in England unterhielt sie sich mit den geistig verwirrten Menschen länger, als ihr Besuch bei der englischen Königin dauerte.

Anfang der 1890er Jahre war der Weg der Kaiserin in die innere Emigration deutlich spürbar. Ihre Tochter Valerie erkannte, „Mama wird wohl nie mehr die, die sie ehemals war, sie neidet Rudolf den Tod und ersehnt ihn Tag und Nacht.“

Zum Ausdruck brachte sie dies in ihren Gedichten, sie sind mit Lebensüberdruss und Todessehnsucht geradezu getränkt. Die Kaiserin, die sich ab den 1870er Jahren nicht mehr fotografieren ließ, schrieb mit mauvefarbener Tinte auf schwarz umrandetes Trauerbriefpapier.

„Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine kleine Öffnung des Herzens“, hieß es an einer Stelle. Am 10. September 1898 war dies der Fall, als sie durch einen Stich ins Herz durch den italienischen Anarchisten Luigi Lucheni zu Tode kam. Elisabeth von Österreich, die nicht Kaiserin sein wollte, sondern Elfenkönigin, Shakespeares Titania, die sie einst besang: „Nicht soll Titania unter Menschen gehen, in diese Welt, so niemand sie versteht, wo hunderttausend Gaffer sie umstehen, neugierig flüsternd, seht, die Närrin, seht!“
Wieser
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