Professionelle Hilfe in schweren Zeiten –
Trauer ist die Lösung,
nicht das Problem
Trauer ist die Lösung,
nicht das Problem
Krankheit, Sterben, Verlust und Trauer geben wir oft nicht viel Platz. Um Trauer zu überwinden, darf sie nicht verdrängt werden, sagt eine Expertin. Im Gegenteil, sie ist das Tor zum Neuanfang.
In unserer Gesellschaft werden die Jugend, Schönheit und Gesundheit nahezu vergöttert, der Tod wird gerne verdrängt. Krankheit, Sterben und Trauer gelten oft als unerwünschte Störungen.
Doch genau darin liegt ein gefährlicher Irrtum, warnt Judith Gahleitner, Radiologietechnologin sowie Lebens- und Sozialberaterin mit Fokus auf Trauer und Psychoonkologie (= psychische und soziale Bedürfnisse von Krebspatienten und deren Angehörigen). Gahleitner ist überzeugt, dass Trauer ihren Platz in unserer Gesellschaft verdient und von jedem zugelassen werden darf.
Wer Gefühle wie Wut, Schuld oder Ohnmacht verdrängt, blockiert sein Leben und läuft Gefahr, innerlich stillzustehen. Im WOCHE-Gespräch erklärt sie, warum Trauer nie alleine kommt und wann es Zeit ist, sich Hilfe bei der Trauerbewältigung zu holen.
Frau Gahleitner, was ist Trauer eigentlich?
Trauer ist ein primäres Gefühl. Sie ist eine direkte emotionale Reaktion auf einen Verlust. Und Trauer beruhigt. Sie ist der natürliche Weg, einen Verlust zu verarbeiten.
Sie sagen, Trauer kommt nicht allein.
Was bedeutet das? Was meinen Sie damit?
Trauer ist stets begleitet von anderen Gefühlen. Die Trauer selbst tritt spontan auf. Mischen sich unsere Gedanken dazu, spüren wir noch andere Gefühle, die im Zusammenhang mit dem Verlust auftreten. Das ist oft Hilflosigkeit, kann aber auch Wut, Scham oder Schuld sein. Das ist bei jedem Menschen anders.
Viele verdrängen Trauer, in der Meinung, so den Schmerz rasch überwinden zu können …
Auch wenn die Versuchung groß ist, das ist leider ein Irrtum. Die Heilung geschieht erst, wenn die Gefühle ausgesprochen und zugelassen werden dürfen. Verdrängt ein Mensch die Trauer, macht sich das später im Leben bemerkbar. Es gibt dann Situationen, in denen das Leben einfach nicht „rund“ läuft, ob privat, beruflich, familiär. Viele Lebenssituationen sind dann schwieriger. Betroffene können reizbarer sein oder unsicher. Die Menschen werden von den unverarbeiteten Gefühlen ein Leben lang begleitet. Wer Trauer verdrängt, blockiert sein Leben. Trauer ist kein Problem, sie ist die Lösung, wie es die deutsche Trauerbegleiterin Chris Paul so treffend formuliert hat.
Trauern Frauen und Männer unterschiedlich?
Mehrheitlich ja. Frauen gehen mehr aus sich heraus und reden leichter. Männer gehen mehr in sich, tun sich oft schwer, darüber zu reden oder zu weinen. Sie stürzen sich oft in Arbeit, um den Schmerz nicht zu fühlen. Männer tun sich oft schwerer, die Trauer und den Schmerz auszuhalten. Sie haben dann das Gefühl, etwas tun zu müssen, aber oft kann man nichts tun. Werden Männer aber motiviert, über den Verlust, den Schmerz, die Trauer zu sprechen, tun sie es meist am Ende doch.
Wer in Trauer ist, findet meist Verständnis in seinem Umfeld. Menschen möchten Trost spenden. Welche Sätze helfen, welche sollten vermieden werden?
Zuerst einmal ist es wichtig, die Trauer eines Menschen ernstzunehmen. Die Trauer eines Menschen um sein Haustier oder die Trauer eines Menschen um einen Angehörigen, für die Betroffenen ist der Verlust immer schrecklich. Vermeiden Sie Sätze wie „Du wirst sehen, das wird schon wieder“ oder „Vielen anderen ist das auch passiert“. Ich lehne auch ab, das Positive einer Verlustsituation zu betonen. So eine Haltung verkennt den Schmerz und nimmt den Trauernden den Raum, den sie so dringend brauchen. Bieten Sie Trauernden an, für sie da zu sein. Fragen Sie nicht, „Wie geht es dir?“, sondern fragen Sie, „Wie geht es dir heute?“ oder „Wie geht es dir wirklich?“. Das drückt ernsthafte Anteilnahme aus.
Trauer kann unterschiedlich dauern. Die Trauer um ein verlorenes Kind ist wahrscheinlich anhaltender als die um ein Haustier. Wann weiß ich, dass meine Trauer zu lange ist und ich mir Hilfe holen sollte?
Im Durchschnitt ist eine Trauerzeit von sechs Monaten ganz normal, wie wohl die Trauer um ein verstorbenes Kind wahrscheinlich länger anhält. Mit der Zeit sollte die Rückkehr in den Alltag wieder möglich sein. Dabei darf die Trauer weiter eine Rolle spielen. Sie darf wieder kurz aufflammen, etwa bei einem bestimmten Lied, einer Erinnerung oder an einem Datum, weil ein Jahrestag ist oder ähnliches. Es gibt Verluste, die uns ein Leben lang schmerzen. Gesund ist, wenn wir merken, dass die Intensität des Schmerzes nachlässt, und wir den Alltag bestreiten können. Es wird ein aushaltbarer Schmerz und die Verbindung darf bleiben, in Liebe. Professionelle Hilfe ist empfohlen, wenn eine Trauerstörung eintritt, der Trauernde nicht in den Alltag zurückfindet.
Wie sollten sich Erwachsene verhalten, wenn ein Kind trauert?
Wichtig ist, mit Kindern altersgerecht und ehrlich zu sein. Kinder keinesfalls abschirmen von Trauer. Kinder sollen sich, wenn sie das wollen, vom geliebten Menschen oder Haustier verabschieden können. Freilich dürfen sie nie zu etwas gezwungen werden. Doch wenn sie es möchten, sollen sie am offenen Sarg Abschied nehmen, noch einmal die Hand streicheln, etwas dem Toten mitgeben, einen Brief, etwas Selbstgebasteltes. Erwachsene dürfen den Tod als solches benennen. Sagen Sie dem Kind nicht, die Oma sei „eingeschlafen“. Die Oma ist gestorben, die Oma ist tot. Sie können dem Kind gerne sagen, „Die Oma ist jetzt ein Engel oder ein Stern.“ Wichtig ist, das Kind miteinzubeziehen, nicht abzuschotten, nicht allein zu lassen und ihm Zeit für den Abschied zu geben. Sonst bleibt eine große Lücke im Leben.
Sie bieten Hilfe als Lebensberaterin an. Wie können Sie Betroffenen bei der Trauer helfen?
Menschen, die trauern, spüren sich oft in einer Art Nebel. Es gilt, die verschiedenen Gefühle auseinanderzuhalten, damit etwas Klarheit eintreten kann. Ich als Beraterin frage nach. Ich helfe, Klarheit zu finden und die Trauer durchzustehen, zu überwinden. Ich stelle keine Diagnose. Ich helfe den Trauernden, ihren Gefühlsnebel zu lichten. Welches Gefühl steht im Vordergrund? Damit lösen sich Blockaden und der Trauernde bekommt wieder das Gefühl, sich bewegen zu können. Ich gebe Trauernden den Raum, den sie brauchen, um alles rauszulassen, und ich halte ihn. Der Trauernde soll und darf alles rauslassen, auch Wut. Andernfalls gärt die Trauer vor sich hin. Trauer ist nicht das Ende, sondern der Weg zurück ins Leben.
Hilfe bei Trauer und Krisen:
Psychosoziale Beratung,
Robert Richtergasse 11/1,
2482 Münchendorf (NÖ),
Tel.: 0676/973 8321
www.judithgahleitner.at
Doch genau darin liegt ein gefährlicher Irrtum, warnt Judith Gahleitner, Radiologietechnologin sowie Lebens- und Sozialberaterin mit Fokus auf Trauer und Psychoonkologie (= psychische und soziale Bedürfnisse von Krebspatienten und deren Angehörigen). Gahleitner ist überzeugt, dass Trauer ihren Platz in unserer Gesellschaft verdient und von jedem zugelassen werden darf.
Wer Gefühle wie Wut, Schuld oder Ohnmacht verdrängt, blockiert sein Leben und läuft Gefahr, innerlich stillzustehen. Im WOCHE-Gespräch erklärt sie, warum Trauer nie alleine kommt und wann es Zeit ist, sich Hilfe bei der Trauerbewältigung zu holen.
Frau Gahleitner, was ist Trauer eigentlich?
Trauer ist ein primäres Gefühl. Sie ist eine direkte emotionale Reaktion auf einen Verlust. Und Trauer beruhigt. Sie ist der natürliche Weg, einen Verlust zu verarbeiten.
Sie sagen, Trauer kommt nicht allein.
Was bedeutet das? Was meinen Sie damit?
Trauer ist stets begleitet von anderen Gefühlen. Die Trauer selbst tritt spontan auf. Mischen sich unsere Gedanken dazu, spüren wir noch andere Gefühle, die im Zusammenhang mit dem Verlust auftreten. Das ist oft Hilflosigkeit, kann aber auch Wut, Scham oder Schuld sein. Das ist bei jedem Menschen anders.
Viele verdrängen Trauer, in der Meinung, so den Schmerz rasch überwinden zu können …
Auch wenn die Versuchung groß ist, das ist leider ein Irrtum. Die Heilung geschieht erst, wenn die Gefühle ausgesprochen und zugelassen werden dürfen. Verdrängt ein Mensch die Trauer, macht sich das später im Leben bemerkbar. Es gibt dann Situationen, in denen das Leben einfach nicht „rund“ läuft, ob privat, beruflich, familiär. Viele Lebenssituationen sind dann schwieriger. Betroffene können reizbarer sein oder unsicher. Die Menschen werden von den unverarbeiteten Gefühlen ein Leben lang begleitet. Wer Trauer verdrängt, blockiert sein Leben. Trauer ist kein Problem, sie ist die Lösung, wie es die deutsche Trauerbegleiterin Chris Paul so treffend formuliert hat.
Trauern Frauen und Männer unterschiedlich?
Mehrheitlich ja. Frauen gehen mehr aus sich heraus und reden leichter. Männer gehen mehr in sich, tun sich oft schwer, darüber zu reden oder zu weinen. Sie stürzen sich oft in Arbeit, um den Schmerz nicht zu fühlen. Männer tun sich oft schwerer, die Trauer und den Schmerz auszuhalten. Sie haben dann das Gefühl, etwas tun zu müssen, aber oft kann man nichts tun. Werden Männer aber motiviert, über den Verlust, den Schmerz, die Trauer zu sprechen, tun sie es meist am Ende doch.
Wer in Trauer ist, findet meist Verständnis in seinem Umfeld. Menschen möchten Trost spenden. Welche Sätze helfen, welche sollten vermieden werden?
Zuerst einmal ist es wichtig, die Trauer eines Menschen ernstzunehmen. Die Trauer eines Menschen um sein Haustier oder die Trauer eines Menschen um einen Angehörigen, für die Betroffenen ist der Verlust immer schrecklich. Vermeiden Sie Sätze wie „Du wirst sehen, das wird schon wieder“ oder „Vielen anderen ist das auch passiert“. Ich lehne auch ab, das Positive einer Verlustsituation zu betonen. So eine Haltung verkennt den Schmerz und nimmt den Trauernden den Raum, den sie so dringend brauchen. Bieten Sie Trauernden an, für sie da zu sein. Fragen Sie nicht, „Wie geht es dir?“, sondern fragen Sie, „Wie geht es dir heute?“ oder „Wie geht es dir wirklich?“. Das drückt ernsthafte Anteilnahme aus.
Trauer kann unterschiedlich dauern. Die Trauer um ein verlorenes Kind ist wahrscheinlich anhaltender als die um ein Haustier. Wann weiß ich, dass meine Trauer zu lange ist und ich mir Hilfe holen sollte?
Im Durchschnitt ist eine Trauerzeit von sechs Monaten ganz normal, wie wohl die Trauer um ein verstorbenes Kind wahrscheinlich länger anhält. Mit der Zeit sollte die Rückkehr in den Alltag wieder möglich sein. Dabei darf die Trauer weiter eine Rolle spielen. Sie darf wieder kurz aufflammen, etwa bei einem bestimmten Lied, einer Erinnerung oder an einem Datum, weil ein Jahrestag ist oder ähnliches. Es gibt Verluste, die uns ein Leben lang schmerzen. Gesund ist, wenn wir merken, dass die Intensität des Schmerzes nachlässt, und wir den Alltag bestreiten können. Es wird ein aushaltbarer Schmerz und die Verbindung darf bleiben, in Liebe. Professionelle Hilfe ist empfohlen, wenn eine Trauerstörung eintritt, der Trauernde nicht in den Alltag zurückfindet.
Wie sollten sich Erwachsene verhalten, wenn ein Kind trauert?
Wichtig ist, mit Kindern altersgerecht und ehrlich zu sein. Kinder keinesfalls abschirmen von Trauer. Kinder sollen sich, wenn sie das wollen, vom geliebten Menschen oder Haustier verabschieden können. Freilich dürfen sie nie zu etwas gezwungen werden. Doch wenn sie es möchten, sollen sie am offenen Sarg Abschied nehmen, noch einmal die Hand streicheln, etwas dem Toten mitgeben, einen Brief, etwas Selbstgebasteltes. Erwachsene dürfen den Tod als solches benennen. Sagen Sie dem Kind nicht, die Oma sei „eingeschlafen“. Die Oma ist gestorben, die Oma ist tot. Sie können dem Kind gerne sagen, „Die Oma ist jetzt ein Engel oder ein Stern.“ Wichtig ist, das Kind miteinzubeziehen, nicht abzuschotten, nicht allein zu lassen und ihm Zeit für den Abschied zu geben. Sonst bleibt eine große Lücke im Leben.
Sie bieten Hilfe als Lebensberaterin an. Wie können Sie Betroffenen bei der Trauer helfen?
Menschen, die trauern, spüren sich oft in einer Art Nebel. Es gilt, die verschiedenen Gefühle auseinanderzuhalten, damit etwas Klarheit eintreten kann. Ich als Beraterin frage nach. Ich helfe, Klarheit zu finden und die Trauer durchzustehen, zu überwinden. Ich stelle keine Diagnose. Ich helfe den Trauernden, ihren Gefühlsnebel zu lichten. Welches Gefühl steht im Vordergrund? Damit lösen sich Blockaden und der Trauernde bekommt wieder das Gefühl, sich bewegen zu können. Ich gebe Trauernden den Raum, den sie brauchen, um alles rauszulassen, und ich halte ihn. Der Trauernde soll und darf alles rauslassen, auch Wut. Andernfalls gärt die Trauer vor sich hin. Trauer ist nicht das Ende, sondern der Weg zurück ins Leben.
Hilfe bei Trauer und Krisen:
Psychosoziale Beratung,
Robert Richtergasse 11/1,
2482 Münchendorf (NÖ),
Tel.: 0676/973 8321
www.judithgahleitner.at








