Schon wieder Ferien
Seit dem Jahr 2020 gibt es hierzulande Herbstferien. Für Lehrer sind sie eine willkommene Gelegenheit, um „durchschnaufen“ zu können. Für Kritiker sind sie ein weiteres Beispiel dafür, wie unser Bildungssystem den Bach hinuntergeht.
Wenn ich nach den zwei Monaten Sommerferien wieder in der Klasse stehe, ist das jedes Mal eine Herausforderung“, erzählt eine Mittelschullehrerin aus Kärnten, die seit mehr als 15 Jahren unterrichtet.

„Bis ich wieder im Schulrhythmus bin, dauert es, obendrein rauben mir die Schüler den letzten Nerv. Nach den ersten Wochen bin ich regelmäßig ausgebrannt.“ Die Herbstferien seien für sie daher „überlebensnotwendig“, um neue Kraft zu schöpfen.

Seit dem Schuljahr 2020/21 ist das möglich. Im ganzen Land gelten gesetzlich verankerte Herbstferien, sie dauern vom 27. bis 31. Oktober. „Um diese neue Ferienwoche im Schuljahr unterzubringen, wurden die früher schulfreien Dienstage nach Ostern und Pfingsten zu regulären Schultagen erklärt“, meint Kärntens Bildungsdirektorin Isabella Penz.

„Zudem wurde auch das Ausmaß der schulautonomen Tage reduziert. Wie viele davon einer Schule noch zur Verfügung stehen, hängt davon ab, auf welchen Tag der Nationalfeiertag am 26. Oktober fällt.“

Ist es ein Sonntag, dürfen im Schuljahr maximal zwei schulautonome Tage vergeben werden. Fällt er auf einen Montag oder Samstag, sind es drei. Fällt der 26. Oktober auf einen Tag zwischen Dienstag und Freitag, können bis zu vier schulautonome Tage eingeplant werden.

„Die Herbstferien verbrauchen also einen Teil dieser autonomen Tage, sie werden quasi als Teil der Ferien genutzt“, erklärt Penz. „Schulen haben danach noch einen Rest an autonomen Tagen zur Verfügung, der je nach Kalenderlage bis zu vier zusätzliche schulfreie Tage betragen kann.“

In Kärnten gibt es obendrein zwei weitere schulfreie Tage, den 10. Oktober, den Landesfeiertag, und den 19. März, den Tag des Landespatrons.

Der renommierte Bildungsexperte Dr. Andreas Salcher sieht diese Ferienordnung allerdings problematisch. „Wir haben neun Wochen Sommerferien. In den westlichen und südlichen Bundesländern wird der Unterricht schon nach sieben Wochen wieder durch eine Ferienwoche unterbrochen. Diese exzessive Ferienordnung entspricht weder den pädagogischen Bedürfnissen der Schüler noch jenen der Eltern. Vor allem für Alleinerziehende mit Betreuungspflichten wird das zur Belastung.“

„Bei uns wird viel zu wenig gelernt“

Wobei Salcher die Gesamtdauer aller Ferien für alarmierend hält. „Wenn ich alle Ferienzeiten zusammenzähle, im Sommer, zu Weihnachten, zum Semester, zu Ostern, zu Pfingsten, im Herbst und die schulautonomen Tage, komme ich auf fast 14 Wochen unterrichtsfreie Zeit im Jahr. Das ist eindeutig zu viel. Bei uns wird viel zu wenig gelernt. Jeder fünfte 15jährige kann nach neun Jahren Schule nicht sinnerfassend lesen und beherrscht die Grundrechnungsarten nicht“, kritisiert Salcher.

Auch dass Lehrer die Herbstferien ursprünglich für Fortbildung und schulinterne Weiterentwicklung nutzen sollten, ist längst Geschichte. „Die Idee war durchaus sinnvoll, schulautonome Tage hätten zur Standortarbeit und Fortbildung dienen sollen, um die Qualität des Unterrichtes zu sichern“, sagt der Experte. „Doch auf massiven Druck der Lehrergewerkschaft verschwand dieser Anspruch bereits im Begutachtungsverfahren. Am Ende blieb eine zusätzliche Ferienwoche ohne jeden verpflichtenden Fortbildungsauftrag.“ Ein Versäumnis, das sich laut Salcher bis heute in den Klassenzimmern zeigt. In seinem neuen Buch „Das Beste für mein Kind“ spricht er offen über sogenannte „Katastrophenlehrer“ und meint damit Lehrkräfte, die längst Fortbildung bräuchten, aber nie dazu verpflichtet wurden. „Zahlenmäßig das größte Problem sind Lehrer, die schlicht nicht erklären können. Der Klassiker ist ein Mathematiklehrer, der glaubt, seine Aufgabe sei es, den Stoff vorzutragen und wer ihn nicht versteht, ist eben selbst schuld. Dann gibt‘s Nachhilfe oder das Kind fällt durch.“

Dass manche Pädagogen das System sogar bewusst ausnutzen, zeigen laut Salcher zwei extreme Beispiele. „In Kärnten meldete sich eine Lehrerin wochenlang krank und trainierte währenddessen für den Landesmarathon. Öffentlich feierte sie sich als Vize-Landesmeisterin. Nach einer milden Strafe ging sie gleich zum Schulbeginn wieder in den Krankenstand.

Ein Lehrer im Burgenland gewann während seines Krankenstandes einen Duathlon, einen Wettkampf, bei dem gelaufen, geradelt und wieder gelaufen wird.

Das Disziplinarverfahren wurde eingestellt, das Gericht sah kein Verschulden. Erst der Verwaltungsgerichtshof kritisierte die Entscheidung als unhaltbar.“

Für den FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl steht deshalb fest, „dass wir auf eine Bildungskrise zusteuern“. Statt über mehr Freizeit zu diskutieren, müsse der Fokus wieder auf Verantwortung, Disziplin und Bildungsgerechtigkeit gelegt werden.

Herbstferien müssen neu überdacht werden

„Unsere Gesellschaft muss weg von der übersteigerten Freizeit-Denkweise und das beginnt in der Schule“, ist Brückl überzeugt. Die Anzahl der schulfreien Tage solle auf ein „erträgliches Maß“ zurückgeführt werden. Die Herbstferien müssten „umgeschichtet oder neu überdacht werden“. Denn sie würden die Kinder aus dem Lernmodus reißen, kritisiert Evelyn Kometter, Bundesvorsitzende der Pflichtschul-Elternvereine. „Die Herbstferien sind daher aus unserer Sicht nicht sinnvoll. Für viele Eltern stellt sich zusätzlich die Frage der Betreuung. Die schulautonomen Tage waren ursprünglich für die Weiterbildung der Lehrkräfte gedacht, doch genau jene, die Fortbildung dringend brauchen würden, nutzen sie oft nicht.“

Andreas Salchers Plan ist noch konkreter.

„Ich würde vorschlagen, dass jede Schule verpflichtend fünf Tage Fortbildung im Jahr für ihr Lehrpersonal
festlegt. Und wenn unbedingt an den Herbstferien
festgehalten werden soll, dann sollte man zumindest überlegen, eine der neun Sommerferienwochen dafür einzutauschen.“ morri