Die Schlagerlegende
Freddy Quinn, 93, zieht Bilanz:
„Ich möchte nicht lange leiden“
Freddy Quinn, 93, zieht Bilanz:
„Ich möchte nicht lange leiden“
Vom Wiener Halbwaisen zum singenden Seemann, vom Notnagel zur Legende. In seiner nun erschienenen Autobiografie räumt der Schlagersänger Freddy Quinn, 93, mit Mythen auf.
Der Mann mit der Stimme aus Salz und der Sehnsucht im Herzen hat einen Namen – Freddy Quinn. Der 93jährige hat über Jahrzehnte hinweg das Bild des singenden Seemannes geprägt. Er war stark, schweigsam, treu, aber immer in Bewegung. Ein Mann, der keine Heimat hat und sie doch in seinen Liedern findet.
Von seinem ersten großen Hit „Heimweh“ weiß er freilich noch nichts, als er am 27. September 1931 in Wien geboren wurde. Seinen Vater kennt Quinn, der eigentlich Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl heißt, nicht. Die Mutter arbeitete als Journalistin und hatte für ihn kaum Zeit.
Also wuchs der Bub bei seiner Oma Rosa Philomena im niederösterreichischen Niederfladnitz auf. „Vielleicht muss ich gar nicht so ausführlich schildern, wer Oma für mich war. Vielleicht genügt es zu sagen: Ich nannte sie Mama“, schreibt Quinn in seiner Autobiografie „Wie es wirklich war“ (Edition Koch), die dieser Tage auf den Markt gekommen ist.
Der Titel bezieht sich auf die zahlreichen Mythen, Legenden und geschönten Erzählungen rund um seine Person. Eine davon ist die des Kaufmannes Johann Quinn, der angeblich Freddys Vater ist, sich nach nur sechs Monaten von dessen Mutter scheiden ließ und mit dem Buben in die USA auswanderte, wo er 1943 bei einem Verkehrsunfall starb. „Das ist alles nicht wahr“, schreibt Quinn, der seinem leiblichen Vater tatsächlich nie begegnet ist.
Für seine Memoiren begab er sich mit Hilfe seines Biografen auf die Suche nach ihm und stieß auf einen ungeklärten Dreifachmord im Wien der 1960er Jahre, in den ein Mann namens Johann Quinn verwickelt war.
„War er Täter, Zeuge, Opfer? Hatte dieser Fall etwas mit meinem Vater zu tun oder war es ein tragischer Namens-Zufall?“ Der Sänger gab die Suche nach seinem Vater schließlich auf und erzählt im Buch von der schlechten Beziehung zu seinem Stiefvater Rudolf Anatol von Petz. Die Mutter hat ihren Sohn nach der Heirat mit dem verarmten Adeligen von der Oma nach Wien geholt, bis die Wirren des Zweiten Weltkrieges den damals Zehnjährigen nach Ungarn führten.
Kinder wurden dorthin geschickt, um sie vor den Bombenangriffen zu schützen. Nach dem Krieg kehrte Freddy nach Wien zurück, hielt es beim ungeliebten Stiefvater nicht aus und reiste per Autostopp durch halb Europa. Irgendwann landete er in Salzburg, wo er auf einen Konvoi amerikanischer Soldaten traf. „Einer von ihnen hieß übrigens Quinn“, erinnert sich der 93jährige. „Der Name gefiel mir. Ich mochte die Amerikaner. Und ich wollte den Namen Nidl-Petz loswerden.“
Der künftige Musiker scharrte in den Startlöchern, er kam Anfang der 1950er Jahre nach Hamburg (D) und begann, in verschiedenen Bars zu singen. Während der Nachkriegsjahre brachte er sich auf Reisen selbst bei, Gitarre zu spielen, und schlug sich als Gelegenheitssänger durch. Was Quinn dabei half, war sein außergewöhnlich gutes Gehör. „Ich hörte ein Stück einige Male, und danach war es mir in Fleisch und Blut übergegangen, und ich konnte es nicht nur nachsingen, sondern – nach kurzer Übung – auch auf einem Instrument spielen.“ Quinn erlernte insgesamt acht Sprachen fließend – durch Reisen, Hinhören und Nachahmen – und konnte mit diesem Talent auch sein Wesen als Einzelgänger überspielen.
Sein Talent sprach sich herum und erreichte schließlich auch einen Musik-Manager, der ihn unter Vertrag nahm. Der Rest ist Geschichte mit dem nötigen Quäntchen Glück.
„René Carol, längst ein ,Star‘ dank des Liedes ‚Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein‘, war spontan unpässlich“, erinnert sich Quinn. Es wurde gemunkelt, eine Trunkenheitsfahrt habe ihm einen Kurzaufenthalt in einer Klinik eingebracht. So kam es, dass sich der Musikverlag Polydor an mich erinnerte. Ich war der Notnagel, der Lückenbüßer. Aber ich sah es als Chance, die ich nicht verstreichen lassen wollte.“
Das Lied „Heimweh“, das eigentlich auf der B-Seite zu hören ist, wurde sein erster Hit, verkaufte sich weltweit mehr als acht Millionen Mal und belegte 1956 unglaubliche 21 Wochen lang Platz eins der deutschen Hitparade. Quinn traf damit den Nerv der Nachkriegszeit, als die Menschen auf der Suche nach Identität und Halt waren. Da kam der charmante Wiener als emotionaler Kompass gerade recht. Seine warme, dunkle Stimme mit der immerwährenden Grundmelancholie schien für Themen wie Heimweh, Fernweh, Einsamkeit und Sehnsucht wie gemacht.
Das Schicksal wollte es, dass der aufstrebende Stern auf den perfekten Partner traf. Lotar Olias war nicht nur ein genialer Texter und Komponist, sondern wusste, was die Menschen berührt. Nicht umsonst stammen Hits wie „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ aus seiner Feder. Er nahm Quinn, der seinen Anker endgültig in Hamburg auswarf, unter seine Fittiche und machte aus ihm den Vagabunden, den einsamen Seemann. „Gegen Ende 1956, als ich die erste ,Goldene Schallplatte‘ für ‚Heimweh‘ bekam, tauchten zum ersten Mal Fotos von mir an Bord eines Schiffes auf“, schreibt Quinn in seiner Autobiografie. Das Image, das seinen Erfolg vervollständigte, war perfekt. „Der Seemann wurde mir übergestülpt wie ein Kostüm, das nicht richtig passte. Aber, und das muss ich zugeben, ich habe es auch eine Zeit
lang gern getragen. Aber es war eben auch ein Käfig.“
Das führte dazu, dass der einsame Seemann, der in Wahrheit vor allem in seinen Filmen auf Schiffen verkehrte, die Beziehung zu seiner um 13 Jahre älteren Lebensgefährtin und Managerin Lilli Blessmann (gestorben 2008) stets geheimhielt und sie in der Öffentlichkeit sogar siezte. „Es gab die klare Regel, keine Frauen an meiner Seite. Lilli Blessmann hielt sich also im Hintergrund. Wenn überhaupt, dann trat sie als meine Managerin auf.“
Am 4. Mai 2023 wurde Quinn schließlich doch noch zum Seemann und fuhr in den Hafen der Ehe ein. Rosi, um 27 Jahre jünger als er, wurde von der Anhängerin des Sängers zur Bühnenbildnerin seiner Shows und schließlich zu seiner Frau. „Bei der Feier anschließend im Landgasthaus Kastanie ging ich die Tische entlang und wusste, dass Rosi das größte Glück war, das mir hätte passieren können. Sie hat alles selbst dekoriert.“
Das neue Zuhause des Paares ist seit Kurzem ein Haus im Umland von Hamburg. „Es wurde vor beinahe 200 Jahren erbaut. Dagegen bin ich ein Jungspund.“ Auch mit 93 Jahren arbeitet Quinn noch am Computer, zerlegt gerne Uhren und erfreut sich bester Gesundheit.
„Ein Mal im Jahr mache ich den großen Check beim Arzt. Der sagt mir immer, dass die 100 Jahre kein Problem sein dürften.“ Kein Grund also, an den Tod zu denken. „Warum auch? Ich werde ihn nicht erleben. Ich möchte nur nicht lange leiden.“ reiter
Von seinem ersten großen Hit „Heimweh“ weiß er freilich noch nichts, als er am 27. September 1931 in Wien geboren wurde. Seinen Vater kennt Quinn, der eigentlich Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl heißt, nicht. Die Mutter arbeitete als Journalistin und hatte für ihn kaum Zeit.
Also wuchs der Bub bei seiner Oma Rosa Philomena im niederösterreichischen Niederfladnitz auf. „Vielleicht muss ich gar nicht so ausführlich schildern, wer Oma für mich war. Vielleicht genügt es zu sagen: Ich nannte sie Mama“, schreibt Quinn in seiner Autobiografie „Wie es wirklich war“ (Edition Koch), die dieser Tage auf den Markt gekommen ist.
Der Titel bezieht sich auf die zahlreichen Mythen, Legenden und geschönten Erzählungen rund um seine Person. Eine davon ist die des Kaufmannes Johann Quinn, der angeblich Freddys Vater ist, sich nach nur sechs Monaten von dessen Mutter scheiden ließ und mit dem Buben in die USA auswanderte, wo er 1943 bei einem Verkehrsunfall starb. „Das ist alles nicht wahr“, schreibt Quinn, der seinem leiblichen Vater tatsächlich nie begegnet ist.
Für seine Memoiren begab er sich mit Hilfe seines Biografen auf die Suche nach ihm und stieß auf einen ungeklärten Dreifachmord im Wien der 1960er Jahre, in den ein Mann namens Johann Quinn verwickelt war.
„War er Täter, Zeuge, Opfer? Hatte dieser Fall etwas mit meinem Vater zu tun oder war es ein tragischer Namens-Zufall?“ Der Sänger gab die Suche nach seinem Vater schließlich auf und erzählt im Buch von der schlechten Beziehung zu seinem Stiefvater Rudolf Anatol von Petz. Die Mutter hat ihren Sohn nach der Heirat mit dem verarmten Adeligen von der Oma nach Wien geholt, bis die Wirren des Zweiten Weltkrieges den damals Zehnjährigen nach Ungarn führten.
Kinder wurden dorthin geschickt, um sie vor den Bombenangriffen zu schützen. Nach dem Krieg kehrte Freddy nach Wien zurück, hielt es beim ungeliebten Stiefvater nicht aus und reiste per Autostopp durch halb Europa. Irgendwann landete er in Salzburg, wo er auf einen Konvoi amerikanischer Soldaten traf. „Einer von ihnen hieß übrigens Quinn“, erinnert sich der 93jährige. „Der Name gefiel mir. Ich mochte die Amerikaner. Und ich wollte den Namen Nidl-Petz loswerden.“
Der künftige Musiker scharrte in den Startlöchern, er kam Anfang der 1950er Jahre nach Hamburg (D) und begann, in verschiedenen Bars zu singen. Während der Nachkriegsjahre brachte er sich auf Reisen selbst bei, Gitarre zu spielen, und schlug sich als Gelegenheitssänger durch. Was Quinn dabei half, war sein außergewöhnlich gutes Gehör. „Ich hörte ein Stück einige Male, und danach war es mir in Fleisch und Blut übergegangen, und ich konnte es nicht nur nachsingen, sondern – nach kurzer Übung – auch auf einem Instrument spielen.“ Quinn erlernte insgesamt acht Sprachen fließend – durch Reisen, Hinhören und Nachahmen – und konnte mit diesem Talent auch sein Wesen als Einzelgänger überspielen.
Sein Talent sprach sich herum und erreichte schließlich auch einen Musik-Manager, der ihn unter Vertrag nahm. Der Rest ist Geschichte mit dem nötigen Quäntchen Glück.
„René Carol, längst ein ,Star‘ dank des Liedes ‚Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein‘, war spontan unpässlich“, erinnert sich Quinn. Es wurde gemunkelt, eine Trunkenheitsfahrt habe ihm einen Kurzaufenthalt in einer Klinik eingebracht. So kam es, dass sich der Musikverlag Polydor an mich erinnerte. Ich war der Notnagel, der Lückenbüßer. Aber ich sah es als Chance, die ich nicht verstreichen lassen wollte.“
Das Lied „Heimweh“, das eigentlich auf der B-Seite zu hören ist, wurde sein erster Hit, verkaufte sich weltweit mehr als acht Millionen Mal und belegte 1956 unglaubliche 21 Wochen lang Platz eins der deutschen Hitparade. Quinn traf damit den Nerv der Nachkriegszeit, als die Menschen auf der Suche nach Identität und Halt waren. Da kam der charmante Wiener als emotionaler Kompass gerade recht. Seine warme, dunkle Stimme mit der immerwährenden Grundmelancholie schien für Themen wie Heimweh, Fernweh, Einsamkeit und Sehnsucht wie gemacht.
Das Schicksal wollte es, dass der aufstrebende Stern auf den perfekten Partner traf. Lotar Olias war nicht nur ein genialer Texter und Komponist, sondern wusste, was die Menschen berührt. Nicht umsonst stammen Hits wie „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ aus seiner Feder. Er nahm Quinn, der seinen Anker endgültig in Hamburg auswarf, unter seine Fittiche und machte aus ihm den Vagabunden, den einsamen Seemann. „Gegen Ende 1956, als ich die erste ,Goldene Schallplatte‘ für ‚Heimweh‘ bekam, tauchten zum ersten Mal Fotos von mir an Bord eines Schiffes auf“, schreibt Quinn in seiner Autobiografie. Das Image, das seinen Erfolg vervollständigte, war perfekt. „Der Seemann wurde mir übergestülpt wie ein Kostüm, das nicht richtig passte. Aber, und das muss ich zugeben, ich habe es auch eine Zeit
lang gern getragen. Aber es war eben auch ein Käfig.“
Das führte dazu, dass der einsame Seemann, der in Wahrheit vor allem in seinen Filmen auf Schiffen verkehrte, die Beziehung zu seiner um 13 Jahre älteren Lebensgefährtin und Managerin Lilli Blessmann (gestorben 2008) stets geheimhielt und sie in der Öffentlichkeit sogar siezte. „Es gab die klare Regel, keine Frauen an meiner Seite. Lilli Blessmann hielt sich also im Hintergrund. Wenn überhaupt, dann trat sie als meine Managerin auf.“
Am 4. Mai 2023 wurde Quinn schließlich doch noch zum Seemann und fuhr in den Hafen der Ehe ein. Rosi, um 27 Jahre jünger als er, wurde von der Anhängerin des Sängers zur Bühnenbildnerin seiner Shows und schließlich zu seiner Frau. „Bei der Feier anschließend im Landgasthaus Kastanie ging ich die Tische entlang und wusste, dass Rosi das größte Glück war, das mir hätte passieren können. Sie hat alles selbst dekoriert.“
Das neue Zuhause des Paares ist seit Kurzem ein Haus im Umland von Hamburg. „Es wurde vor beinahe 200 Jahren erbaut. Dagegen bin ich ein Jungspund.“ Auch mit 93 Jahren arbeitet Quinn noch am Computer, zerlegt gerne Uhren und erfreut sich bester Gesundheit.
„Ein Mal im Jahr mache ich den großen Check beim Arzt. Der sagt mir immer, dass die 100 Jahre kein Problem sein dürften.“ Kein Grund also, an den Tod zu denken. „Warum auch? Ich werde ihn nicht erleben. Ich möchte nur nicht lange leiden.“ reiter