Jedem Ei sein Muster
Wilma Zieserl ist eine der letzten Eierkratzerinnen in unserem Land. Die Stinatzerin (B) hat das Handwerk von ihrer Mutter gelernt, vor Ostern herrscht Hochbetrieb.
Sie ist eine Meisterin ihres Faches. Gekonnt führt Wilma Zieserl die Klinge des Messers über die Eierschale und kratzt das Muster eines Blumenstängels in das rote Ei. Die Finger der 62jährigen sind flink, jeder Strich sitzt. Zieserl ist eine der letzten Eierkratzerinnen in unserem Land. Neben ihr gibt es nur noch vier weitere Familien in Stinatz (Süd-Burgenland), die das ursprünglich kroatische Handwerk beherrschen.
Auch Zieserl, geborene Zsifkovits, ist gebürtige Kroatin und stolz auf ihre Wurzeln. Durch das Eierkratzen fühlt sie sich mit ihrer Familie verbunden. In Stinatz etablierte sich das alte Brauchtum vor mehr als 100 Jahren.
Dazumals wurden die Eier allerdings noch nicht ausgeblasen, sondern gekocht. Die verzierten Eier wurden anschließend zu Ostern gegessen. In Stinatz leben derzeit etwa 1.200 Menschen. „Ich habe in meinem Leben wohl schon mehr Eier gekratzt, als wir Einwohner haben“, erzählt Wilma Zieserl lachend.
„Mit dem Eierkratzen begonnen habe ich vor mehr als 40 Jahren, als ich geheiratet habe. Es braucht kein Talent, nur etwas Geschicklichkeit, Geduld und Fantasie. Erste Versuche wagte ich bereits als Kind.“
Der Mama über die Schulter geschaut
Das Handwerk hat sie von ihrer Mutter Theresia gelernt, die in den 1950er Jahren damit begonnen hat. „Ich bin damit aufgewachsen und hab‘ meiner Mama immer über die Schulter geschaut. Mit zehn Jahren habe ich mich an meinem ersten Ei versucht.“ Um ein Ei kratzen zu können, bedarf es einiges an Vorbereitung. Zuerst müssen die Eier ausgeblasen werden. Eine Tätigkeit, mit der Zieserl früh genug beginnen muss, damit sie trocknen können. Weggeschmissen wird nichts. „Die Dotter und das
Eiweiß verschenke ich immer. Als Dankeschön bekomme ich einen Kaiserschmarren oder Biskuitrouladen retour“, erzählt Zieserl verschmitzt.
Danach werden die Eier unterschiedlich gefärbt. Erst dann kann das eigentliche Kratzen beginnen. Mit geschliffenen Stahlmessern wird an der Schale angesetzt. „Regel Nummer eins lautet, den Daumen aufs Ei legen und das Messer nicht wie einen Kugelschreiber halten.“ Wichtig ist außerdem, „ein Gefühl für den richtigen Druck zu bekommen. Wird zu sachte gekratzt, entstehen kaum sichtbare Striche. Wird zu hart gekratzt, zerbricht das Ei. Es gibt kein Löschen, ein falscher Strich kann nicht rückgängig gemacht werden.“ Dabei benötigt es enorme Kraft in den Fingern. Vor Anstrengung zu schwitzen, ist freilich nicht gut. „Weil sonst die Farbe wieder zerrinnt.“
Während früher vor allem rote und schwarze Eier gekratzt wurden, finden mittlerweile auch Farben wie Violett, Blau, Grün, Orange, Gold und Silber ihren Weg ins Osternest. Auch zweifärbige Eier sind möglich, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Motive zeigen traditionelle Muster wie Rosen, Herzen oder Palmkätzchen.
Gefragt sind auch eingekratzte Vornamen oder Schriftzüge. Für ein Ei sitzt die Burgenländerin oft stundenlang, abhängig von Größe und Motiv. Ist das Ei fertig, wird das Kunstwerk mit Klarlack überzogen und eine Schnur eingezogen, um es an den Osterstrauch hängen zu können.
Wie viel ein Ei kostet, ist abhängig von der Größe und der künstlerischen Ausführung. Die einfachste Variante ist ab etwa vier Euro zu haben (wilma.zieserl@gmx.at). Der Klassiker unter den gekratzten Eiern sind die Hühnereier. Genauso kunstvoll verziert werden auch Gänse-, Enten-, Nandu-, Wachtel- oder Straußeneier. „Straußeneier sind äußerst schwer zu kratzen, weil die Schale so rau ist.“ Nur an einem Ei ist sie bislang gescheitert. „Da bekam ich von einem Bekannten ein Schildkrötenei, aber die Schale ist noch rauer als bei Straußeneiern. Das ist unmöglich zu bearbeiten.“
„Beim Eierkratzen bekomme ich den Kopf frei“
Mittlerweile kratzt Zieserl auch ungefärbte Bio-Eier. „Sie behalten ihre braune Farbe und wirken deshalb dezent und natürlich.“ Früher war das Eierkratzen in Stinatz eine Beschäftigung, der vor allem Frauen nachgegangen sind. Sie verzierten die Eier für ihre Patenkinder, um sie zu Ostern zu überreichen. Die traditionellen Eier sind auch heutzutage noch heiß begehrte Ostergeschenke.
Dabei sind die gekratzten Eier eine Berühmtheit an sich und weit über die burgenländischen Landesgrenzen hin bekannt. Kunden aus dem ganzen Land geben bei Zieserl gekratzte Eier in Auftrag, auch aus den Nachbarländern nimmt sie Bestellungen entgegen. Über die Jahre hat sich die Pensionistin eine große Anzahl an Stammkunden aufgebaut. Da in den 1920er Jahren viele Burgenländer in die USA ausgewandert sind, sind Zieserls Eier sogar dort zu finden. Dafür beginnt ihre Arbeit bereits Ende Jänner.
Dann ist sie bis Ostern durchgängig beschäftigt. Dass sie in diesen zehn Wochen nur noch Augen für die bunten Eier hat, nimmt ihr Mann Hermann mittlerweile gelassen. „Gott sei Dank bin ich nicht eifersüchtig“, meint er schmunzelnd.
Um das Handwerk vor dem Aussterben zu bewahren, bietet Zieserl jedes Jahr im März Kurse im Landesmuseum in Eisenstadt an (Anmeldung unter www.landesmuseum-burgenland.at). Heuer wurde sie das erste Mal auch von der Volkshochschule in Wien angefragt. Wer das Messer selbst anlegen möchte, sollte sich frühzeitig einen der begehrten 20 Plätze sichern, denn die Warteliste ist lang. „Oft erzählen mir die Teilnehmer, sie haben drei oder vier Jahre auf einen Platz gewartet.“ Eierkratzen ist für Zieserl pure Entspannung und hat etwas Meditatives. „Dabei kann ich herrlich abschalten und bekomme den Kopf frei. Außerdem macht es Spaß und hebt die Stimmung.“
Obwohl das Eierkratzen zu Ostern eine Leidenschaft von ihr ist, ist ihre liebste Festzeit jedoch Weihnachten. „Ich habe am 24. Dezember Geburtstag. Ich mag also lieber das Christkind als den Osterhasen.“
Auch Zieserl, geborene Zsifkovits, ist gebürtige Kroatin und stolz auf ihre Wurzeln. Durch das Eierkratzen fühlt sie sich mit ihrer Familie verbunden. In Stinatz etablierte sich das alte Brauchtum vor mehr als 100 Jahren.
Dazumals wurden die Eier allerdings noch nicht ausgeblasen, sondern gekocht. Die verzierten Eier wurden anschließend zu Ostern gegessen. In Stinatz leben derzeit etwa 1.200 Menschen. „Ich habe in meinem Leben wohl schon mehr Eier gekratzt, als wir Einwohner haben“, erzählt Wilma Zieserl lachend.
„Mit dem Eierkratzen begonnen habe ich vor mehr als 40 Jahren, als ich geheiratet habe. Es braucht kein Talent, nur etwas Geschicklichkeit, Geduld und Fantasie. Erste Versuche wagte ich bereits als Kind.“
Der Mama über die Schulter geschaut
Das Handwerk hat sie von ihrer Mutter Theresia gelernt, die in den 1950er Jahren damit begonnen hat. „Ich bin damit aufgewachsen und hab‘ meiner Mama immer über die Schulter geschaut. Mit zehn Jahren habe ich mich an meinem ersten Ei versucht.“ Um ein Ei kratzen zu können, bedarf es einiges an Vorbereitung. Zuerst müssen die Eier ausgeblasen werden. Eine Tätigkeit, mit der Zieserl früh genug beginnen muss, damit sie trocknen können. Weggeschmissen wird nichts. „Die Dotter und das
Eiweiß verschenke ich immer. Als Dankeschön bekomme ich einen Kaiserschmarren oder Biskuitrouladen retour“, erzählt Zieserl verschmitzt.
Danach werden die Eier unterschiedlich gefärbt. Erst dann kann das eigentliche Kratzen beginnen. Mit geschliffenen Stahlmessern wird an der Schale angesetzt. „Regel Nummer eins lautet, den Daumen aufs Ei legen und das Messer nicht wie einen Kugelschreiber halten.“ Wichtig ist außerdem, „ein Gefühl für den richtigen Druck zu bekommen. Wird zu sachte gekratzt, entstehen kaum sichtbare Striche. Wird zu hart gekratzt, zerbricht das Ei. Es gibt kein Löschen, ein falscher Strich kann nicht rückgängig gemacht werden.“ Dabei benötigt es enorme Kraft in den Fingern. Vor Anstrengung zu schwitzen, ist freilich nicht gut. „Weil sonst die Farbe wieder zerrinnt.“
Während früher vor allem rote und schwarze Eier gekratzt wurden, finden mittlerweile auch Farben wie Violett, Blau, Grün, Orange, Gold und Silber ihren Weg ins Osternest. Auch zweifärbige Eier sind möglich, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Motive zeigen traditionelle Muster wie Rosen, Herzen oder Palmkätzchen.
Gefragt sind auch eingekratzte Vornamen oder Schriftzüge. Für ein Ei sitzt die Burgenländerin oft stundenlang, abhängig von Größe und Motiv. Ist das Ei fertig, wird das Kunstwerk mit Klarlack überzogen und eine Schnur eingezogen, um es an den Osterstrauch hängen zu können.
Wie viel ein Ei kostet, ist abhängig von der Größe und der künstlerischen Ausführung. Die einfachste Variante ist ab etwa vier Euro zu haben (wilma.zieserl@gmx.at). Der Klassiker unter den gekratzten Eiern sind die Hühnereier. Genauso kunstvoll verziert werden auch Gänse-, Enten-, Nandu-, Wachtel- oder Straußeneier. „Straußeneier sind äußerst schwer zu kratzen, weil die Schale so rau ist.“ Nur an einem Ei ist sie bislang gescheitert. „Da bekam ich von einem Bekannten ein Schildkrötenei, aber die Schale ist noch rauer als bei Straußeneiern. Das ist unmöglich zu bearbeiten.“
„Beim Eierkratzen bekomme ich den Kopf frei“
Mittlerweile kratzt Zieserl auch ungefärbte Bio-Eier. „Sie behalten ihre braune Farbe und wirken deshalb dezent und natürlich.“ Früher war das Eierkratzen in Stinatz eine Beschäftigung, der vor allem Frauen nachgegangen sind. Sie verzierten die Eier für ihre Patenkinder, um sie zu Ostern zu überreichen. Die traditionellen Eier sind auch heutzutage noch heiß begehrte Ostergeschenke.
Dabei sind die gekratzten Eier eine Berühmtheit an sich und weit über die burgenländischen Landesgrenzen hin bekannt. Kunden aus dem ganzen Land geben bei Zieserl gekratzte Eier in Auftrag, auch aus den Nachbarländern nimmt sie Bestellungen entgegen. Über die Jahre hat sich die Pensionistin eine große Anzahl an Stammkunden aufgebaut. Da in den 1920er Jahren viele Burgenländer in die USA ausgewandert sind, sind Zieserls Eier sogar dort zu finden. Dafür beginnt ihre Arbeit bereits Ende Jänner.
Dann ist sie bis Ostern durchgängig beschäftigt. Dass sie in diesen zehn Wochen nur noch Augen für die bunten Eier hat, nimmt ihr Mann Hermann mittlerweile gelassen. „Gott sei Dank bin ich nicht eifersüchtig“, meint er schmunzelnd.
Um das Handwerk vor dem Aussterben zu bewahren, bietet Zieserl jedes Jahr im März Kurse im Landesmuseum in Eisenstadt an (Anmeldung unter www.landesmuseum-burgenland.at). Heuer wurde sie das erste Mal auch von der Volkshochschule in Wien angefragt. Wer das Messer selbst anlegen möchte, sollte sich frühzeitig einen der begehrten 20 Plätze sichern, denn die Warteliste ist lang. „Oft erzählen mir die Teilnehmer, sie haben drei oder vier Jahre auf einen Platz gewartet.“ Eierkratzen ist für Zieserl pure Entspannung und hat etwas Meditatives. „Dabei kann ich herrlich abschalten und bekomme den Kopf frei. Außerdem macht es Spaß und hebt die Stimmung.“
Obwohl das Eierkratzen zu Ostern eine Leidenschaft von ihr ist, ist ihre liebste Festzeit jedoch Weihnachten. „Ich habe am 24. Dezember Geburtstag. Ich mag also lieber das Christkind als den Osterhasen.“