Der Preis für Drohungen
Der Kabarettist, Maler und Sänger Alf Poier, 58, gilt als „Böser Bube“ der Kunstszene. Als einer der Wenigen scheut er sich nicht, öffentlich Kritik an der Gesellschaft zu üben. Jetzt sorgt er mit einem „Bilderbuch“ und einer Ausstellung für Aufsehen.
Herr Poier, Sie haben sich in Ihrem neuen „Bunt geschwärzten Bilderbuch“ (Verlag Seifert) unter anderem dem Thema „Cancel Culture“, also dem sozialen Ausschluss von Andersdenkenden, gewidmet. Dabei geht es um politische, Gender- und Wokeness-Debatten, die Sie kritisch sehen. Warum bedarf es dazu eines Bilderbuches?

Ich habe mich intensiv mit dem Thema Wokeness (Anm.: angebliche Wachsamkeit gegenüber Diskriminierung und Missständen) beschäftigt und einen anderen Zugang dazu gefunden, als er sonst in der Kunstszene üblich ist.

Sie meinen, Sie verzichten auf den erhobenen Zeigefinger?

So könnte man das sehen. Der deutsche Komiker Karl Valentin (1882 bis 1948) hat einmal gesagt, dass dort, wo alle das Gleiche denken, nicht viel gedacht wird. Interessanterweise reden viele Künstler und einflussreiche Menschen, wenn man sie privat trifft, ganz anders über diese Themen als mit einem Mikrofon unter der Nase. Da frage ich mich, warum das so ist.

Warum ist das so?

Diese Menschen sagen zu mir, Alf, du hast ja eh Recht, aber ich kann das öffentlich nicht sagen. Stattdessen predigen sie Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit. Ich habe aber das Gefühl, dass man trotz dieser angeblichen Toleranz immer weniger sagen kann und extrem aufpassen muss. Das widerspricht sich für mich.

Fünf Jahre ist es her, seit Corona in unser Leben getreten ist – mit vielen Einschränkungen. Es gibt bis heute die sogenannten „Andersdenkenden“, die nach wie vor aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Was ist mit Ihnen?

Ich weiß, wie sich das anfühlt, weil ich selbst oft ausgegrenzt und ausgeladen worden bin. Die Gesellschaft neigt dazu, Andersdenkende zu stigmatisieren. Wenn heute jemand Israel kritisiert, ist er sofort Antisemit. Wenn jemand sagt, es gibt zwei Geschlechter, was wissenschaftlich angeblich belegt ist, ist er sofort transphob, kritisiert jemand den Islam, ist er islamophob. Da werden Menschen Phobien unterstellt, also Krankheiten, anstatt zu sagen, die haben eine Meinung. Das Interessante ist, dass jemand, der den Buddhismus kritisiert, aber nicht buddhistophob ist. Das Wort ist mir noch nie untergekommen. Ich verstehe nicht, warum hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

Ist Humor das beste Gegenmittel in der heutigen Zeit?

Diese Themen werden so widersprüchlich und verbissen diskutiert, dass ein wenig Humor und Satire nicht schaden können.

Sie sind auch Maler und zeigen jetzt in der Galerie Kaiblinger in Wien (Spiegelgasse 21) einige Ihrer Werke, die auch im „Bunt geschwärzten Bilderbuch“ zu finden sind. Auf einem dieser Bilder haben Sie den „Afrika-Keksen“ von Bahlsen, wie Sie sagen, ein Denkmal gesetzt. Warum gerade ihnen?

Sie stehen für viele andere Diskussionen. Die „Afrika-Kekse“ gab es viele Jahre lang, bis jemand der Meinung war, dass sie nach Rassismus klingen. Also hat man sie 2021 in „Perpetum“ umbenannt. Ich weiß nicht, was an Afrika rassistisch sein soll. Es wurden übrigens in Deutschland mehr als tausend Vögel oder Kunstwerke umbenannt und auch Bücher umgeschrieben. Es wurden Statuen vom Sockel gestoßen. In Schweden wurden zehntausend Vogelarten auf mögliche beleidigende Namen untersucht, zehn davon haben schließlich andere Namen erhalten. Bei der Weinsorte Zweigelt wurde der Name „Blauer Montag“ diskutiert. Ich denke mir: Zweigelt ist für mich einfach nur ein Name, über dessen Ursprung und Herkunft ich mir nie Gedanken gemacht habe. Warum auch? Ich kann nicht über jeden Straßen- oder Vogelnamen sprachwissenschaftliche Forschungen anstellen. Wichtiger wäre es, die Vögel zu schützen.

Ein Moralist könnte jetzt sagen: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Stellt ihn an den Pranger …

Es ist wichtig, in die Vergangenheit zu schauen. Auch beim Autofahren sollte man den Rückspiegel im Auge behalten, aber wichtiger ist der Blick durch die Windschutzscheibe. Wir haben viele Probleme auf der Welt, die wir nur lösen, wenn wir nach vorne schauen.

Was mittlerweile politisch inkorrekte Begriffe betrifft, haben Sie den Dreh raus. Ihr bislang letztes Kabarettprogramm aus dem Jahr 2019 trug den Titel „Humor im Hemd“ …

Das haben Sie gut verstanden. Aber Humor ist als Wort ja noch erlaubt und Hemd auch. Da kann man – noch – nichts dagegen sagen.

Die Galerie Kaiblinger steht für große Namen wie Gottfried Helnwein, Hermann Nitsch oder Arnulf Rainer. Wie fühlen Sie sich in dieser Runde?

Ich finde es großartig. Meine ersten Bilder waren eigentlich nur Requisiten fürs Kabarett. Ich habe sie selbst lange nicht als Kunst gesehen und manchmal wurden sie von Bühnenarbeitern nahezu von der Bühne geschmissen – mit dem Ergebnis, dass Löcher drinnen waren. Im Jahr 2014 hatte ich gesundheitliche Probleme und konnte kein neues Programm machen. Da habe ich die Bilder abfotografiert, ein Buch daraus gemacht und plötzlich im Kunstforum Wien ausgestellt. So wurden immer mehr Interessenten und Käufer auf mich aufmerksam und ich war in der Kunstszene angekommen.

Wie viel bringt ein echter Poier?

Bei meinen Bildern in der Größe ein Meter mal ein Meter sind wir mittlerweile bei 8.000 Euro. Ich glaube aber, dass die Preise noch gewaltig steigen werden. Mit dem, was ich mache, bin ich der Einzige am Markt.

Warum zahlen Menschen so viel Geld für ein Werk, das an eine Kinderzeichnung erinnert?

Na ja gut, einen Kübel Blut auf ein Bild aufschütten, wie seinerzeit der Hermann Nitsch, kann auch jeder. Die Menschen zahlen nicht das Bild. Das schenke ich ihnen. Den Preis machen die vielen Drohungen, Denunzierungen, Übergriffe auf meine Immobilien und die ganzen Beschimpfungen, die ich jahrelang ertragen musste. Reiter