Wahnsinn Aufrüstung
Europa rüstet auf. Hunderte Milliarden Euro werden in Panzer und Waffen gesteckt. Das ist gut für die Rüstungskonzerne, aber schlecht für die Menschen.
Der Aktien-Wert des deutschen Panzerbauers Rheinmetall hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in etwa verzwölffacht. Andere Rüstungsaktien sind ebenso im Hoch. Das Geschäft brummt für die Waffen-Hersteller, und nach Donald Trumps Machtspielen gibt es Aussicht auf noch mehr.
„Nahezu 800 Milliarden Euro“ will die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in die Aufrüstung stecken. Die Schuldenregeln sollen für die Bewaffnung der EU-Staaten gelockert werden. Geld, das ursprünglich für Umwelt- und Wirtschaftshilfen gedacht war, könnte in die Aufrüstung fließen.
Die NATO ist Russland schon jetzt militärisch überlegen
Deutschland prescht vor und will jedenfalls Milliarden-Kredite aufnehmen. Das bedeute „für die Sicherheit no limit“, also „keine Grenze“, bekräftigt der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.
Dabei zeigt eine Studie von Greenpeace Deutschland, dass die NATO schon jetzt in fast allen Dimensionen Russland militärisch überlegen ist. „Die NATO-Staaten geben derzeit etwa zehn Mal so viel Geld für ihre Streitkräfte aus wie Russland“, heißt es in der Untersuchung mit dem Titel „Wann ist genug genug?“.
„Selbst ohne die Ausgaben der USA und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft bleibt das deutliche Übergewicht zugunsten der NATO bestehen“, ist darin zu lesen. Fast 400 Milliarden Euro stehen 276 Milliarden Euro gegenüber. Bei Großwaffensystemen und Truppenstärke ist die NATO beispielsweise im Vorteil, nur bei den Atomwaffen herrscht ein „strategisches Gleichgewicht“ mit Russland.
Weltweit gibt es geschätzte 12.000 Atomsprengköpfe, genug, um die Erde zu zerstören. Mehr als 2.000 Atomwaffen davon sind sofort einsatzbereit. Die meisten gehören den USA und Russland. Doch auch China, das als Großmacht Zähne zeigen will, hält atomare Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft.
Mehr Waffen bringen nicht mehr Sicherheit, dennoch wird weltweit aufgerüstet. Jetzt dreht auch Brüssel an der Rüstungsspirale. Das schließt unser neutrales Land mit ein. Dem Bundesheer wurden von der vorigen Regierung 17 Milliarden Euro mehr bis zum Jahr 2032 versprochen. Mindestens sechs Milliarden Euro wird allein der Raketen-Abwehrschirm „Sky Shield“ (deutsch Himmels-Schild) kosten.
Die neue ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition hält an all dem fest, trotz des Milliarden-Budgetloches. Das wird mit Kürzungen bei den Bürgern gestopft. Höhere Gebühren für Pässe und andere Dokumente, das Ende des Klimabonus und höhere Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten sind erst der Anfang.
Die Weltuntergangsuhr steht auf 89 Sekunden vor 12
In der allgemeinen Aufrüstungs-Euphorie auf der ganzen Welt finden Andersdenkende nur wenig Gehör. Einer davon ist der Theologe Wolfgang Palaver, der Präsident von „Pax Christi“ (deutsch: Friede Christi) in unserem Land, einer internationalen katholischen Organisation der Friedensbewegung.
„Ich gehöre nicht dem Lager an, das sagt, die Ukraine darf keine Unterstützung mehr bekommen, damit schnell Frieden ist“, stellt Wolfgang Palaver klar. „Aber auf der anderen Seite reden manche schon davon, dass es für die Wirtschaft gut ist, dass aufgerüstet wird, dass man Produkte herstellt, die zerstören oder nutzlos sind. Wie kurzfristig ist das Denken? Die Euphorie, jetzt machen wir Schulden bis zum Gehtnichtmehr, um in Rüstung zu investieren, ist gruselig und es gibt kaum eine Stimme, die dagegen ist“, sagt der Universitäts-Professor im Ruhestand.
Wohin wird uns dieses Aufrüsten in den kommenden Jahren führen? „Im schlechtesten Fall führt die Aufrüstung in die Katastrophe, wenn wir nur in Betracht ziehen, dass schon heute die Untergangsuhr erstmals auf 89 Sekunden vor Mitternacht gestellt ist, gleichzeitig seit neun Jahren aufgerüstet wird und schon jetzt Rekordsummen für Rüstung ausgegeben werden“, sagt der Friedensethiker und Buchautor.
Wissenschaftler riefen im Jahr 1947 angesichts der Gefahren durch die Atombombe die sogenannte Weltuntergangsuhr ins Leben. Damals stand sie sieben Minuten vor zwölf. Am weitesten weg von Mitternacht war der Zeiger im Jahr 1991, nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges. Heute steht sie bei 89 Sekunden vor Mitternacht, so nahe am Desaster wie noch nie.
Aber auch „bessere Entwicklungen riskieren eine zunehmende Schwächung des Kampfes gegen die Klimakatastrophe“ und es gäbe „noch weniger Mittel, um den Hunger abzuschaffen und soziale Gerechtigkeit in der Welt zu stärken“, warnt Palaver.
„Selbst wenn jetzt zumindest in Europa nachgerüstet werden muss, sollte das mit großer Zurückhaltung geschehen und immer im Bemühen, gleichzeitig auch Sicherheit jenseits militärischer Mittel zu stärken.“ Von „blindem Pazifismus“ hält der Theologe allerdings wenig. „Ein blinder Pazifismus tritt für den Frieden um jeden Preis ein, was sehr leicht zu einem faulen Frieden führen kann. Blind sind Pazifisten, die nicht zwischen Angriff und Verteidigung unterscheiden und kein Herz für die Opfer von Gewalt haben. Wo es möglich ist, sollte die gewaltfreie Möglichkeit bevorzugt werden, aber es gibt auch Situationen, in denen das nicht möglich ist.“
Friedliche Revolutionäre wie Mahatma Gandhi, der Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, haben vor allem auf den gewaltfreien Widerstand gegen die Unterdrückung gesetzt. Dieser „bedarf genauso wie die militärische Verteidigung der umfangreichen Vorbereitung“, ist Wolfgang Palaver überzeugt.
Gewaltfreier Widerstand ist doppelt so erfolgreich
„Ein Land kann beispielsweise nur wirksam besetzt werden, wenn die Menschen mit der Besatzungsmacht kooperieren. Eine Nicht-Zusammenarbeit muss aber gelernt und eingeübt werden. Eine aktuelle empirische Studie über den Zeitraum zwischen 1940 und 2004 zeigt anhand von dreihundert Fällen von Widerstand, dass sich gewaltfreie Formen gegenüber gewalttätigen als doppelt so erfolgreich im Friedenschaffen erwiesen haben.“
Ein Beispiel dafür ist etwa die Samtene Revolution in der damaligen Tschechoslowakei im Jahr 1989.
„Wenn schon mehr Geld in Rüstung investiert wird, so sollten auch Friedensforschung und Vorbereitungsprogramme für gewaltfreien Widerstand finanziell gefördert werden“, fordert der Theologe Palaver.
„Mit weniger Mittel könnte so ein langfristiger und gerechter Frieden gefördert werden.“
„Nahezu 800 Milliarden Euro“ will die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in die Aufrüstung stecken. Die Schuldenregeln sollen für die Bewaffnung der EU-Staaten gelockert werden. Geld, das ursprünglich für Umwelt- und Wirtschaftshilfen gedacht war, könnte in die Aufrüstung fließen.
Die NATO ist Russland schon jetzt militärisch überlegen
Deutschland prescht vor und will jedenfalls Milliarden-Kredite aufnehmen. Das bedeute „für die Sicherheit no limit“, also „keine Grenze“, bekräftigt der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder.
Dabei zeigt eine Studie von Greenpeace Deutschland, dass die NATO schon jetzt in fast allen Dimensionen Russland militärisch überlegen ist. „Die NATO-Staaten geben derzeit etwa zehn Mal so viel Geld für ihre Streitkräfte aus wie Russland“, heißt es in der Untersuchung mit dem Titel „Wann ist genug genug?“.
„Selbst ohne die Ausgaben der USA und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft bleibt das deutliche Übergewicht zugunsten der NATO bestehen“, ist darin zu lesen. Fast 400 Milliarden Euro stehen 276 Milliarden Euro gegenüber. Bei Großwaffensystemen und Truppenstärke ist die NATO beispielsweise im Vorteil, nur bei den Atomwaffen herrscht ein „strategisches Gleichgewicht“ mit Russland.
Weltweit gibt es geschätzte 12.000 Atomsprengköpfe, genug, um die Erde zu zerstören. Mehr als 2.000 Atomwaffen davon sind sofort einsatzbereit. Die meisten gehören den USA und Russland. Doch auch China, das als Großmacht Zähne zeigen will, hält atomare Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft.
Mehr Waffen bringen nicht mehr Sicherheit, dennoch wird weltweit aufgerüstet. Jetzt dreht auch Brüssel an der Rüstungsspirale. Das schließt unser neutrales Land mit ein. Dem Bundesheer wurden von der vorigen Regierung 17 Milliarden Euro mehr bis zum Jahr 2032 versprochen. Mindestens sechs Milliarden Euro wird allein der Raketen-Abwehrschirm „Sky Shield“ (deutsch Himmels-Schild) kosten.
Die neue ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition hält an all dem fest, trotz des Milliarden-Budgetloches. Das wird mit Kürzungen bei den Bürgern gestopft. Höhere Gebühren für Pässe und andere Dokumente, das Ende des Klimabonus und höhere Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten sind erst der Anfang.
Die Weltuntergangsuhr steht auf 89 Sekunden vor 12
In der allgemeinen Aufrüstungs-Euphorie auf der ganzen Welt finden Andersdenkende nur wenig Gehör. Einer davon ist der Theologe Wolfgang Palaver, der Präsident von „Pax Christi“ (deutsch: Friede Christi) in unserem Land, einer internationalen katholischen Organisation der Friedensbewegung.
„Ich gehöre nicht dem Lager an, das sagt, die Ukraine darf keine Unterstützung mehr bekommen, damit schnell Frieden ist“, stellt Wolfgang Palaver klar. „Aber auf der anderen Seite reden manche schon davon, dass es für die Wirtschaft gut ist, dass aufgerüstet wird, dass man Produkte herstellt, die zerstören oder nutzlos sind. Wie kurzfristig ist das Denken? Die Euphorie, jetzt machen wir Schulden bis zum Gehtnichtmehr, um in Rüstung zu investieren, ist gruselig und es gibt kaum eine Stimme, die dagegen ist“, sagt der Universitäts-Professor im Ruhestand.
Wohin wird uns dieses Aufrüsten in den kommenden Jahren führen? „Im schlechtesten Fall führt die Aufrüstung in die Katastrophe, wenn wir nur in Betracht ziehen, dass schon heute die Untergangsuhr erstmals auf 89 Sekunden vor Mitternacht gestellt ist, gleichzeitig seit neun Jahren aufgerüstet wird und schon jetzt Rekordsummen für Rüstung ausgegeben werden“, sagt der Friedensethiker und Buchautor.
Wissenschaftler riefen im Jahr 1947 angesichts der Gefahren durch die Atombombe die sogenannte Weltuntergangsuhr ins Leben. Damals stand sie sieben Minuten vor zwölf. Am weitesten weg von Mitternacht war der Zeiger im Jahr 1991, nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges. Heute steht sie bei 89 Sekunden vor Mitternacht, so nahe am Desaster wie noch nie.
Aber auch „bessere Entwicklungen riskieren eine zunehmende Schwächung des Kampfes gegen die Klimakatastrophe“ und es gäbe „noch weniger Mittel, um den Hunger abzuschaffen und soziale Gerechtigkeit in der Welt zu stärken“, warnt Palaver.
„Selbst wenn jetzt zumindest in Europa nachgerüstet werden muss, sollte das mit großer Zurückhaltung geschehen und immer im Bemühen, gleichzeitig auch Sicherheit jenseits militärischer Mittel zu stärken.“ Von „blindem Pazifismus“ hält der Theologe allerdings wenig. „Ein blinder Pazifismus tritt für den Frieden um jeden Preis ein, was sehr leicht zu einem faulen Frieden führen kann. Blind sind Pazifisten, die nicht zwischen Angriff und Verteidigung unterscheiden und kein Herz für die Opfer von Gewalt haben. Wo es möglich ist, sollte die gewaltfreie Möglichkeit bevorzugt werden, aber es gibt auch Situationen, in denen das nicht möglich ist.“
Friedliche Revolutionäre wie Mahatma Gandhi, der Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, haben vor allem auf den gewaltfreien Widerstand gegen die Unterdrückung gesetzt. Dieser „bedarf genauso wie die militärische Verteidigung der umfangreichen Vorbereitung“, ist Wolfgang Palaver überzeugt.
Gewaltfreier Widerstand ist doppelt so erfolgreich
„Ein Land kann beispielsweise nur wirksam besetzt werden, wenn die Menschen mit der Besatzungsmacht kooperieren. Eine Nicht-Zusammenarbeit muss aber gelernt und eingeübt werden. Eine aktuelle empirische Studie über den Zeitraum zwischen 1940 und 2004 zeigt anhand von dreihundert Fällen von Widerstand, dass sich gewaltfreie Formen gegenüber gewalttätigen als doppelt so erfolgreich im Friedenschaffen erwiesen haben.“
Ein Beispiel dafür ist etwa die Samtene Revolution in der damaligen Tschechoslowakei im Jahr 1989.
„Wenn schon mehr Geld in Rüstung investiert wird, so sollten auch Friedensforschung und Vorbereitungsprogramme für gewaltfreien Widerstand finanziell gefördert werden“, fordert der Theologe Palaver.
„Mit weniger Mittel könnte so ein langfristiger und gerechter Frieden gefördert werden.“