Hollywood-Legende
Dick Van Dyke, 99:
Flucht vor der Feuer-Hölle
Sein Ziel war, als Pilot durch die Lüfte zu gleiten. Stattdessen wurde er als Tänzer und Schauspieler ein geerdeter und verehrter Vertreter der Glamour-Fabrik Hollywood. Im Dezember hat Dick Van Dyke seinen 99. Geburtstag gefeiert, doch den hätte er fast nicht mehr erlebt.
Es sollte eine schöne Geburtstagsfeier werden. Immerhin beendete der Jubilar am 13. Dezember 2024 sein 99. Lebensjahr. Dazu hatte seine Frau Arlene Silver, 53, alles vorbereitet. Das Gästehaus ihres Anwesens in der Prominenten-Siedlung „Serra Retreat“ bei Malibu in Kalifornien, an der Westküste Amerikas, war für die Familien der Kinder des Komödianten, Musikers und Tänzers Dick Van Dyke hergerichtet. Der Mime hat zwei Söhne, zwei Töchter, sieben Enkerln und zwei Urenkerln aus erster Ehe mit Margie Willett, die 2007 starb.

Dass in den ausgedorrten Hügeln und Tälern, die das große Anwesen Van Dykes umgeben, seit Wochen immer wieder Feuer ausgebrochen waren, hatte die Eheleute nicht beunruhigt. „Wir haben das Haus vor 38 Jahren gekauft und hatten nie Probleme mit Bränden“, erklärt Van Dyke, der den Landsitz von seiner Kollegin Margot Kidder (1948–2018) erworben hat.

Er ist ein Frühaufsteher. Bereits um fünf Uhr steigt er aus dem Bett, dann geht er gewöhnlich in die Küche, wo sich zu dieser Stunde die Kaffeemaschine automatisch einschaltet, leert eine Tasse und treibt danach 30 Minuten Gymnastik im Sportzimmer – an einer Gehmaschine mit zwei langen Hebeln und mit Gewichten. „Dabei singe ich oft mein Lieblingslied ‚Jolly Holiday‘.“ Es stammt aus seinem Erfolgs-Film „Mary Poppins“ aus dem Jahr 1964 mit Julie Andrews in der Titelrolle, in dem er gesungen und getanzt hat.

Beim Kaffeetrinken sah er das Feuer

Als der Darsteller am 10. Dezember 2024 in der Küche stand und seinen Kaffee getrunken hat, tanzte er nicht. Ihm drohte das Blut in den Adern zu gefrieren, denn beim Blick aus dem Fenster sah er, dass sich eine Feuerwand auf sein Haus zubewegte. „Oh, mein Gott! Wir flohen mit unseren Katzen. Nur ,Bobo‘ fehlte.“ Später stellte sich heraus, dass auch diese Katze das Feuer überlebt hat. Ganz so einfach war die Flucht vor den Flammen indes nicht. Sie hatten sich in der Nacht zum 10. Dezember, getrieben von den berüchtigten Santa-Ana-Winden Südkaliforniens, vom Nebental über den Bergrücken ausgebreitet und drohten nun „Serra Retreat“ zu vernichten.

Den Löschmannschaften war es nicht gelungen, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Also wollte der 99jährige Van Dyke selbst sein Heim schützen. Ungeachtet der Realität, dass er zum Gehen zuweilen eine Krücke braucht, versuchte er, einen verwickelten Lösch-Schlauch zu entwirren. Dabei stürzte der 99jährige und konnte sich nicht mehr aufrichten. „Ich habe vergessen, wie alt ich bin“, meinte er später. „Ich wollte zu meinem Auto kriechen, war aber zu erschöpft. Zum Glück sind drei Nachbarn erschienen, sie trugen mich weg und retteten mich. Dann kamen sie zurück und löschten ein kleines Feuer, das im Gästehaus ausgebrochen war.“

Das Ehepaar hatte Glück im Unglück, nach einer Nacht in einem Hotel kehrte es zurück in das von Asche bedeckte, aber ansonsten unbeschädigte Heim. Die Geburtstagsfeier am 13. Dezember hat wie geplant stattgefunden. Und schon am nächsten Tag war Dick Van Dyke wieder bei der Arbeit, mit fast 100 Jahren und ohne eine Andeutung, kreativ kürzertreten zu wollen. „Morgen beginne ich den ersten Tag meiner 100 Jahre“, schrieb er auf der Internet-Plattform Facebook.

„Ich kann es selbst nicht glauben, weil ich mich nicht so fühle. Das heißt, ich fühle mich nicht großartig, aber ich fühle mich auch nicht wie mit 99“, meinte Van Dyke.

Die Freude, das Flammeninferno im Dezember überlebt zu haben, hielt nicht lange. Wieder toben rund um Los Angeles und das angrenzende Malibu mehrere Brände. Die Feuerwehr steht ihnen hilflos gegenüber. Sie konnte nicht verhindern, dass Millionen teure Villen in Flammen aufgingen. Von den Anwesen der Schauspieler Jeff Bridges, Billy Crystal, Jamie Lee Curtis, Mel Gibson, Jennifer Grey und der Hotelerbin Paris Hilton blieb nichts mehr übrig. Genau wie von den Häusern tausender anderer Bürger, mehr als 120.000 mussten evakuiert werden, Dutzende starben.

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Zwar hatte die Van-Dyke-Familie tagelang keine Telefonverbindung und kein Gas, und sie musste sich mit Masken gegen die vergiftete Luft schützen. Aber das Schlimmste blieb ihr erspart.

Der 99jährige schmiedet sogar schon Pläne für die Zukunft. Er ist mit einem großen Studio im Gespräch über einen weiteren Film. „Ich könnte einen Großvater spielen. Bin auch nicht teuer“, sagt er. „Doch, das bist du“, widersprach ihm seine Frau Arlene. Von seiner geschäftstüchtigen Frau beraten, hat Dick Van Dyke sein hart verdientes Geld nicht verschleudert, sondern gut angelegt.

Er soll etwa 50 Millionen Euro auf der hohen Kante haben. Das ist bemerkenswert für einen Künstler, der als Kind armer Eltern in einer staubigen Kohleminen-Stadt namens Danville im US-Staat Illinois aufgewachsen ist. Sein Vater verkaufte Süßigkeiten und verdiente pro Woche 25 Euro. „Meine Eltern waren so knapp bei Kasse, dass sie mich einmal um mein Taschengeld gebeten haben, um damit die Stromkosten bezahlen zu können.“

Eigentlich wollte Richard Wayne Van Dyke, wie er richtig heißt, Pilot werden. Deshalb hat er sich im Zweiten Weltkrieg bei der amerikanischen Lufwaffe beworben.

Doch den Verantwortlichen hat seine Stimme gefallen, deshalb schickten sie ihn nicht zur Piloten-Ausbildung, sondern als Unterhalter auf die Trainings-Basen. Es war der Beginn seiner Karriere als Radiosprecher. Mit einer nach ihm benannten Fernsehshow erlangte er dann ab 1961 landesweite Popularität. Den internationalen Durchbruch schaffte der 1925 geborene Künstler drei Jahre später mit „Mary Poppins“. Im Jahr 1968 folgte der nächste Kassenschlager mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“. Die Karriere hält bis heute an.

Der Künstler glaubt, das Geheimnis seines Erfolges sei seine Aufrichtigkeit. „Was die Menschen sehen, ist, wie ich wirklich bin“, erklärt er. „Es gibt kein Verstellen. Schließlich bin ich ins Showgeschäft eingestiegen, um Spaß zu haben.“

Der kam mitunter zu kurz. Unter anderem Anfang der 70er Jahre, als er alkoholsüchtig war. Schon bei den Dreharbeiten zu „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ hatten Ärzte bei ihm Arthritis festgestellt und ihm ein Leben im Rollstuhl vorhergesagt. Im März 2023 kam er mit seinem Wagen in Malibu bei Regen von der Fahrbahn ab und krachte in eine Mauer.

„Der Airbag wurde nicht aktiviert, deshalb schlug ich mit dem Gesicht aufs Lenkrad und erlitt Schnittwunden. Vermutlich bin ich seitdem ein wenig dümmer.“

Aber vor dem Tod fürchte er sich nicht. „Ich weiß, dass er vor der Tür steht.“