Wer den Groschen nicht ehrt, ist den Schilling nicht wert
Er war identitätsstiftend und galt als „Alpendollar“. Seit dem Jahr 2002 ist der Schilling Geschichte.
2025 hätte die einstige Landes-Währung ihren
100. Geburtstag gefeiert.
Nicht wenige rechnen nach wie vor in Schilling um und sind dann geschockt von den Preisen im Supermarkt oder Wirtshaus. Viele blicken mit Wehmut auf die einstige Landes-Währung. Dabei war der Schilling bei seiner Einführung im Jahr 1925 durchaus umstritten.

Unser Land war nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 „das, was übrigbleibt“, wie es der damalige französische Ministerpräsident formulierte. Aus dem Habsburger-Imperium mit 50 Millionen Bürgern war ein Kleinstaat mit 6,5 Millionen Einwohnern geworden.

In dem „Staat, den keiner wollte“, wie ein Buchtitel einmal lautete, regierte der Hunger, das Geld verlor rasant an Wert. Die Geldentwertung hatte schon während des Krieges begonnen, Anfang der 1920er begann sie zu galoppieren. Inflationsraten von 50 Prozent und mehr waren keine Seltenheit.

Ein Laib Brot, für den vor dem Kriegsausbruch nicht einmal eine Krone bezahlt werden musste, kostete Ende 1921 schon 160 Kronen, im September 1922 sogar 5.670 Kronen. Manche Städte und Gemeinden gaben ihr eigenes Notgeld aus. „Papieren der Schein, ganz niedlich und fein, er kündet der Welt: Wir haben kein Geld“, wurde dazu etwa in Oberösterreich gedichtet. Erst eine 650-Millionen-Goldkronen-Anleihe, für die der Völkerbund (ein Vorläufer der Vereinten Nationen) garantierte, brachte das Inflations-Karussell zum Stillstand. Dafür musste die Regierung einen Zinssatz von zehn Prozent und ein strenges Sparprogramm akzeptieren.

Der Gesandte des Völkerbundes kontrollierte die Budgetdisziplin, zehntausende Beamte wurden entlassen. Die Einführung des Schillings ab Jänner 1925 sollte ein Symbol für den Aufbruch in bessere Zeiten sein. Gleichzeitig wurde damit ein Relikt aus der Kaiserzeit beseitigt. Aber allein der Name der neuen Währung sorgte für Aufregung.

Die Bezeichnung Schilling „stammt aus der Geschichte und ist in verschiedenen Regionen seit Jahrhunderten in Gebrauch“, weiß Michael Grundner vom Geldmuseum der Nationalbank. „Die Entscheidung dafür wurde von Bürokraten getroffen. Statt des Groschen stand auch der Name ,Stüber‘ zur Diskussion. Der Schriftsteller Karl Kraus war einer der lautesten Kritiker dieser Namenswahl, er fand sie zu norddeutsch. Er war aber auch vom Namen Schilling nicht begeistert.“

Karl Kraus spottete über das neue Geld: „Ich mag nun einmal ein Geld nicht leiden, an dessen Namen der Duft des christlich-germanischen Schönheitsideals haftet.“ In der „Neuen Freien Presse“ war die Abneigung des Schillings noch grundlegender. „Hat die Währungspolitik die Aufgabe, das Volksbewusstsein zu vergewaltigen, darf sie einen Fremdkörper brutal in unser Dasein schleudern?“ Der Protest gegen den „Stüber“ hatte Erfolg, an seine Stelle trat der Groschen. 10.000 Kronen wurden in einen Schilling umgetauscht. Der zuständige Finanzminister sah einen Nebeneffekt der Währungsreform. Das Wegfallen „der vielen Nullen“ werde „uns doch endlich klar und deutlich“ zeigen, „wie arm wir geworden sind“.

Bei der Einführung 1925 war der Schilling vor allem ein Buchgeld, Bankkonten, Firmen-Buchhaltungen und der Staat stellten ihre Rechnung auf die neue Währung um. Bis die ersten Schilling-Scheine ausgegeben wurden, dauerte es noch. Auf 10.000 Kronen-Scheine wurde deshalb provisorisch die Aufschrift „ein Schilling“ gedruckt.

Die erste Schillingmünze hatte es schon vor der gesetzlichen Einführung gegeben. Das Geldstück „aus dem Jahr 1924 hatte noch einen höheren Silbergehalt als spätere Prägungen. Die Menschen haben sie gehortet, weil der Silbergehalt über dem Nennwert lag“, erklärt der Numismatiker, also Münzkundler, Michael Grundner. „Ähnliches ist Anfang der 70er Jahre auch mit den 5- und 10-Schillingmünzen passiert, die ebenfalls aus Silber waren. Als der Silberpreis durch Spekulationen massiv anstieg, überschritt der Silberwert den Nennwert. Mitte der 70er Jahre stieg man deshalb auf Kupfer-Nickel-Münzen um.“

Die erste Schilling-Banknote war der Hunderter-Schein. „Ihre Gestaltung wurde ursprünglich für die Inflations-Banknote mit dem Wert von einer Million Kronen entworfen. Diese kam aber nie in den Umlauf“, erzählt der Geldmuseums-Experte. Im Jahr 1927 wurde ein Gestaltungs-Wettbewerb für die Schilling-Banknoten ausgeschrieben, „es gab aber keinen Gewinner. Von den mehr als 200 Einreichungen wurden 17 Entwürfe gekauft. Sie dienten jedoch nur als Orientierung und wurden weiterentwickelt.“

Allzu viel Freude hatten die Österreicher anfangs nicht mit dem Schilling. „Die Krone war in der Bevölkerung beliebter, darauf prangten meist liebliche Damenporträts. Auf den Schilling-Noten waren sogenannte Idealporträts zu sehen, die ab der zweiten Banknotenserie verschiedene Wirtschaftszweige repräsentierten. Bei einigen Banknoten standen Familienmitglieder und Bekannte der Geldschein-Gestalter Modell“, sagt Michael Grundner. „Erst ab 1950 ging man dazu über, bekannte Persönlichkeiten auf den Geldscheinen abzubilden.“

Die Kronen waren beliebter als der Schilling

Nicht nur das Aussehen der Geldscheine stieß teilweise auf Ablehnung. Der Schilling hatte auch die Teuerung im Land nicht gestoppt. Sein Außenwert, also wieviel ausländisches Geld jemand dafür bekam, war zwar stabil, die Teuerung im Alltag stieg anfangs jedoch weiter. Im April 1925 kostete ein Laib Brot 82 Groschen, was 8.200 Kronen entsprach und um die Hälfte mehr war als am Höhepunkt der Inflation.

Im Laufe der Jahre entpuppte sich der Schilling aber als identitätsstiftend. Auf der Rückseite der Geldscheine „wurden idyllische Landschaften oder historische Gebäude abgebildet. In den 1920er Jahren lief der Tourismus in Österreich an, die Banknoten waren die Visitenkarte des Landes. Denn einen Geldschein nehmen alle Menschen in die Hand. Gleichzeitig sollten sie helfen, ein Nationalbewusstsein aufzubauen.“ Die Wirtschaft kam auch mit dem Schilling dennoch kaum vom Fleck, daran hatte die Hartwährungspolitik der Regierung ihren Anteil. Das Bemühen um Stabilität erschwerte Exporte ins Ausland, trug dem Schilling jedoch den Namen „Alpendollar“ ein. Er war eine der wertbeständigsten Währungen der Welt.

Die Weltwirtschaftskrise beutelte das Land stark. Hunderttausende waren arbeitslos, nur ein Bruchteil davon erhielt staatliche Unterstützungen. Die Nationalsozialisten bekamen immer mehr Zuspruch. Im März 1938 ließ Adolf Hitler deutsche Truppen einmarschieren. Die spätere „Ostmark“ wurde ein Teil des nationalsozialistischen Deutschland. Damit hörte auch der Schilling auf zu existieren.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges galt hierzulande die Reichsmark. Ein Schein hatte aber zumindest österreichische Wurzeln. „Im Jahr 1938 sollte eine neue 100-Schilling-Banknote herauskommen. Der ,Anschluss‘ an das nationalsozialistische Deutsche Reich verhinderte jedoch, dass sie in Umlauf kam“, berichtet der Experte Grundner. „Kurz vor Kriegsende wurden die Motive dieses 100-Schilling-Scheines für eine 20-Reichsmark-Banknote verwendet. Diese sogenannte ,Wiener-Note‘ blieb bis Dezember 1945 im Geldverkehr.“

Nur 150 Schilling in bar beim Reichsmark-Umtausch

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Wiedergeburt des Schilling. Abgelieferte Reichsmark konnten im Verhältnis 1:1 in Schilling umgetauscht werden. Allerdings wurden nur 150 Schilling pro Person in bar ausbezahlt, der Rest wurde auf Konten einbezahlt, über die die Inhaber nur beschränkt verfügen konnten.

Für die Schillingnoten fehlte es an allen Ecken und Enden. „Ein Teil der Auflage musste auf Landkartenpapier ehemaliger Wehrmachtsbestände hergestellt werden“, heißt es in „Der österreichische Schilling“ von Karl Bachinger und Herbert Matis.

Die Münzen des Dritten Reiches blieben bis in den Sommer 1946 gültig, dann erst konnte mit der Prägung von Schilling- und Groschen-Münzen begonnen werden. Im Oktober 2001 wurden die letzten Schilling-Münzen hergestellt. Seit 2002 zahlen wir mit dem Euro.

Zum 100-Jahr-Jubiläum des Schilling sind im Geldmuseum der Nationalbank (1090 Wien, Otto-Wagber-Platz 3) Ausstellungen geplant. Das Museum ist von Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet, Feiertage, der Heilige Abend und Silvester ausgenommen. Der Eintritt kostet keinen „Groschen“.

Milliarden Schilling kullern noch in Schubladen herum

Sie finden sich in Büchern, ganz hinten in Schubladen oder bei Wohnungsauflösungen – Schilling-Münzen und Scheine im Wert von rund 496 Millionen Euro sind noch immer im Umlauf, das sind 6,8 Milliarden Schilling. Ein Teil davon geht auf das Konto von Touristen, die ihr Wechselgeld mit nach Hause genommen haben. Andere haben aus Nostalgie noch ein paar Schilling daheim. Die Zufallsfunde oder Souvenirs werden nach wie vor aber auch zurückgegeben.

Im Vorjahr wanderten alleine 900.000 Zehn-Groschen-Stücke in die Kassen der Nationalbank.

Knapp 56.000 Schilling-Banknoten, vor allem Zwanziger, wurden in Euro eingewechselt.

Die zuletzt gültigen Ausgaben der Banknoten (siehe unten) und Münzen können bei der Nationalbank in Wien und Innsbruck unbefristet umgetauscht werden. Das kann auch postalisch passieren.

Dafür ist ein Formular notwendig, das hier zu finden ist: www.oenb.at/der-euro/bargeld/umtausch-von-
schilling/auf-dem-postweg.html


Die eingezogenen Banknoten werden geschreddert, verbrannt und liefern Fernwärme.
Die Münzen werden je nach Metall wiederverwertet.