David Garrett: „Das Leben mit langen Haaren ist einfacher“
Die Klassik hat er einmal beiseite gelassen, dafür widmet sich der deutsche Geiger David Garrett auf seinem neuen Album „Millennium Symphony“ berühmten Liedern der Pop-Industrie und hat sie neu vertont. Darunter Ed Sheerans „Shape Of You“, „Flowers“ von Miley Cyrus und „As It Was“, im Original von Harry Styles. Der WOCHE-Reporter Steffen Rüth unterhielt sich mit dem 44jährigen nicht nur über dessen neues Werk, sondern auch über die Abneigung, fotografiert zu werden und über die Haare. Zum Gespräch lud Garrett in seine Berliner (D) Wohnung.
Herr Garrett, freuen Sie sich, wieder einmal zu Hause zu sein?

Auf jeden Fall. Es hat schon große Vorteile, im eigenen Bett zu schlafen und zu wissen, wo der Kühlschrank ist. Ich war schon in vielen schönen Hotels, aber mein Zuhause ist mein Ruhepol.

Wissen Sie auch, was im Kühlschrank drin ist?

(lacht) Meistens nicht viel. Aber es gibt ja mittlerweile viele Möglichkeiten, sich etwas Gutes bestellen zu können. Ich falle nicht vom Fleisch.

Selbst zu kochen wäre keine Alternative?

Das mache ich hin und wieder, es ist aber selten von Erfolg gekrönt. Das Kochen überlasse ich jemandem, der das kann. In der Zeit übe ich lieber.

Mussten Sie lange üben, bis das neue Album „Millennium Symphony“ saß? Dass Sie moderne Poplieder nehmen und daraus David-Garrett-Stücke machen, hat es so ja noch nicht gegeben?

Das ist richtig, und tatsächlich war es für mich eine Herausforderung, nicht die Musik der 70er oder 80er symphonisch zu bearbeiten, sondern jüngere Nummern. Der modernere Klang und die moderneren Arrangements verlangten mir auch eine modernere Herangehensweise ab. Zum Glück liebe ich Herausforderungen und hatte schon als Kind eine tiefe Neugierde in mir, die ich auch nie verloren habe.

Worin genau besteht denn die Herausforderung, Lieder wie „Blinding Lights“ oder „Flowers“ an der Geige umzusetzen?

Der Popmusik ist anzumerken, dass wir in einer schnelllebigen Gesellschaft leben. Lieder sind kompakt geschrieben und stark auf eine schnelle Eingängigkeit fokussiert. Vieles ist darauf getrimmt, dass es innerhalb weniger Sekunden auf den Punkt gebracht wird. Ständig prasseln in einem Lied neue Elemente auf dich ein. Als Arrangeur gibt dir das begrenzte Variationsmöglichkeiten und fordert dich, einen Titel genauer zu analysieren, um ihn in die richtigen Bahnen lenken zu können.

Stimmt es, dass Sie und Taylor Swift Mitglieder in einem New Yorker Privatklub sind?

Ja und das Schöne ist, ich kann auch einmal im ausgeleierten Pulli hingehen, meinen Kaffee trinken, und niemanden interessiert es, Mobiltelefone sind verboten. Ich kann dort so sein, wie ich bin.

Und sonst glauben Sie, „Oje, ich bin berühmt, ich muss mich anständig benehmen“?

Benehmen tue ich mich sowieso immer gut. Weil ich es wichtig finde, sich respektvoll zu verhalten. Selbst wenn dir jemand im unmöglichsten Moment das Mobiltelefon
vors Gesicht hält und dich fotografiert.

Wann mögen Sie es gar nicht, fotografiert zu werden?

Wenn ich nach einem Zwölf-Stunden-Flug am Flughafen am Band auf meinen Koffer warte, ungeduscht und übermüdet bin und fettige Haare habe.

Bei Ihrer Frisur sind Sie konservativ. Juckt es Sie nicht manchmal, die Haare abzuschneiden?

Bloß nicht. Ich finde das Leben mit langen Haaren viel einfacher, weil es zeitsparender ist. Früher, als ich an der „Juilliard School“ in Manhattan (New York) studierte, trug ich die Haare kurz und ging alle vier, fünf Wochen zum Friseur. Damals musste ich noch auf meine Finanzen achten, und der Friseur ging ins Geld. Außerdem wachsen meine Haare schnell. Ich müsste jetzt praktisch in mehreren Städten einen Friseur finden, das ist mir zu anstrengend. So reicht es, sie alle drei bis vier Monate schneiden zu lassen.

Sie haben neulich sinngemäß erzählt, dass sich Ihnen bei dem Gedanken an eine Vier-Tage-Woche die Nackenhaare aufstellen. So ganz haben Sie das mit der Work-Life-Balance noch nicht verinnerlicht, oder?

Ganz so war das nicht. Ich wurde gefragt, ob es möglich sei, den Erfolg, den ich habe, also ein Musiker auf dem Niveau eines Spitzensportlers zu sein, mit Work-Life-Balance zu erreichen. Darauf war meine Antwort ein Nein. Die Frage ist ja, wo deine Prioritäten liegen. Ich wollte stets der Beste in meinem Beruf sein.