Mann, hier ist kein Platz für dich
Eine Fluglinie in Indien bietet weltweit zum ersten Mal Frauen ein Buchungssystem an, damit sie während eines Fluges nicht neben einem Mann sitzen müssen. Denn viele Frauen empfinden das als unangenehm oder fühlen sich gar sexuell belästigt.
In Indien gehört die Gewalt gegen Frauen zum traurigen Alltag. In einer Aussendung der SOS Kinderdörfer heißt es, „Ein Drittel der verheirateten Frauen in Indien wird vom Ehemann oder von seiner Familie misshandelt. Jede Zehnte erleidet schwere häusliche Gewalt, darunter Verletzungen durch ein Messer.“ Die Zahl der Vergewaltigungen wird mit etwa 36.000 pro Jahr angegeben. Das sind die offiziell polizeilich gemeldeten Fälle, die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Wenn es um Mitspracherechte geht, stehen die Frauen in dem 1,4-Milliarden-Staat ebenfalls im Abseits. Nur acht von 100 Sitzen im Parlament sind dem weiblichen Geschlecht vorbehalten, nicht einmal die Hälfte aller Frauen hat eine weiterführende Schule besucht.

Diesen frauenfeindlichen Statistiken möchte die indische Fluglinie „IndiGo“ entgegenwirken. Nicht nur, was die Gleichstellung im Cockpit betrifft, sondern auch beim Schutz der Privatsphäre der Frauen.

„Der Anteil unserer Pilotinnen beträgt 15 Prozent, während der weltweite Durchschnitt bei fünf Prozent liegt. Zudem sind 44 Prozent unserer Belegschaft weiblich“, erklärt Pieter Elbers, Geschäftsführer der „IndiGo Airlines“.

Frauen bekommen Sitzplätze von Geschlechts-Genossinnen in Rosa angezeigt

Das Unternehmen wurde erst im Jahr 2005 gegründet, bietet Billigflüge vor allem im Inland an, hat mittlerweile aber auch attraktive internationale Verbindungen unter anderem nach China, Katar, Thailand und auf die Malediven. Die einzige Destination in Europa ist Istanbul in der Türkei. Mit mehr als 300 Flugzeugen ist „IndiGo“ auch eine der größten Fluglinien weltweit.

Zudem wartet die Fluglinie mit einer Weltneuheit auf, wie der Geschäftsführer stolz erklärt. „Frauen haben seit August die Möglichkeit, in die normalerweise zufällige Sitzplatzvergabe einzugreifen. Bereits bei der Buchung des Flugscheines, bei einer Änderung der Reiseroute oder der Auswahl eines bestimmten Sitzplatzes sehen weibliche Fluggäste auf unserer Internetseite, wo sich Personen des gleichen Geschlechts auf dem gewünschten Flug befinden. Plätze, die bereits von anderen Frauen gewählt wurden, werden rosa angezeigt. Männer dagegen sehen nur die verfügbaren Plätze ohne farbliche Kennzeichnung. Diese spezielle Reservierungsmöglichkeit soll es Frauen erleichtern, ihren Sitzplatz auszuwählen, wenn sie nicht neben einem Mann sitzen möchten. Auf diese Weise soll das Reisen für Passagierinnen komfortabler und sicherer werden.“

Die Sitzplatzbelegung ist nur bei Internet-Buchungen sichtbar. Die Idee basiert auf einer Umfrage, die die Fluglinie selbst durchgeführt hat, in der Frauen gefragt wurden, was das Reisen angenehmer gestalten würde. Die Maßnahme ist Teil des „Girl Power“-Ethos der Fluglinie, also mehr Macht den Frauen, das auf die Stärkung und Selbstermächtigung von Frauen und Mädchen abzielt. morri

Soll es Sitzplätze nur für Frauen geben?

„Es ist angenehmer, neben einer Frau zu sitzen“
Marina Schatz, 53, Wasserbotschafterin


Ich halte viel davon, da es im Flugzeug oft eng ist und die Menschen hautnah nebeneinandersitzen. Besonders auf längeren Flügen fühle ich mich unwohl, neben einem fremden Mann zu sitzen, da ich auch häufiger auf die Toilette muss. Es ist einfach angenehmer, neben einer Frau zu sitzen. Zum Glück wurde ich auf Flügen noch nie belästigt, da ich meistens neben einem bekannten Gesicht gesessen bin. Dennoch verstehe ich, warum sich viele Frauen in solchen Situationen mehr Komfort wünschen und die Sitznachbarn eine Rolle spielen können, wenn es um das persönliche Wohlbefinden geht.“

„Diese Entscheidung hätte früher umgesetzt werden sollen“
Arian Gebhart, 29, technischer Zeichner


In vielen Ländern gibt es zahlreiche Fälle von sexueller Belästigung an Frauen. Deshalb ist diese Entscheidung der indischen Fluglinie positiv und hätte viel früher umgesetzt werden sollen. Beim Oktoberfest in München (D) habe ich selbst erlebt, wie oft Frauen Übergriffen ausgesetzt sind.
Eine Gruppe Jugendlicher versuchte als Mutprobe, eine Frau zu belästigen. Ich griff ein und half der Frau, bis die Polizei eintraf. Es ist entscheidend, dass solche Situationen vermieden werden, und Maßnahmen wie diese können dazu beitragen, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit sicher fühlen.“

„Durch Maßnahmen können sich Frauen sicherer fühlen“
Gabi-Christine Bauer, 73, Pensionistin


Ich finde diese Maßnahme der indischen Fluggesellschaft gut. In Indien gibt es leider noch viele Fälle, in denen Männer Frauen gegenüber diskriminierend und brutal handeln. Solche Maßnahmen können dazu beitragen, dass sich Frauen sicherer fühlen. Ich habe bereits in meiner Kindheit Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen gemacht, über die ich lange geschwiegen habe, weil ich befürchtete, mir würde niemand glauben. Es waren mehr als nur Berührungen, und als Kind konnte ich mich nicht wehren. Heute weiß ich, wie wichtig es ist, dass Frauen geschützt werden und dass ihre Sicherheit ernstgenommen wird.“

„Diese Lösung könnte zur weiteren Spaltung führen“
John Patrick Platzer, 35, Presseleiter


Die Entscheidung von ,IndiGo Airlines‘, exklusive Sitzplätze nur für Frauen anzubieten, sendet ein fragwürdiges Signal. Statt das Kernproblem von Belästigung gezielt anzugehen, fördert diese Maßnahme eine Geschlechtertrennung, die zur weiteren Spaltung führen könnte. Diese Lösung greift zu kurz und könnte als Eingeständnis gelten, dass die Fluggesellschaft nicht in der Lage ist, die Sicherheit aller Passagiere gleichermaßen zu gewährleisten.
Viel sinnvoller wäre es, in umfassende Sicherheits- und Aufklärungsmaßnahmen für alle Fluggäste zu investieren, um ein sichereres Umfeld zu schaffen.“

„Eine gute Idee, denn manche Männer haben sich nicht im Griff“, Viktoria Lafonti, 25, Juristin

Wir Frauen sind leider in jeder Lebenslage, egal, ob beruflich oder privat, ständig sexueller Belästigung ausgesetzt.
Erst vor Kurzem war ich mit Freundinnen in der Sauna, und plötzlich fing ein älterer Herr neben uns an, sich unter seinem Handtuch selbst zu befriedigen. Das war widerlich.
Wir haben fluchtartig den Wellnessbereich verlassen und den Vorfall an der Rezeption gemeldet. Anscheinend haben sich manche Männer nicht im Griff, und es scheint keine andere Lösung zu geben, als nur noch eine Frauensauna aufzusuchen.
Deshalb finde ich die Idee der indischen Fluglinie fantastisch und befürworte sie voll und ganz.“