Zu viele Touristen
Die Corona-Pandemie hat dem Tourismus für kurze Zeit einen Riegel vorgeschoben, doch seit dem Vorjahr geht die Zahl der Reisen weltweit wieder steil nach oben. Die Branche freut das, die Bewohner in den stark frequentierten Urlaubszielen stöhnen.
Bis zum Jahr 2019 schien es kein Halten zu geben. Die Zahl der Reisen stieg bis dahin weltweit rasant an. Von 680 Millionen Reisen weltweit im Jahr 2000 auf fast 1.500 Millionen im Jahr 2019. Dannn kam Corona, doch seit 2022 geht es wieder bergauf. Im Vorjahr wurden bereits wieder knapp 1.300 Millionen Reisen unternommen. Darunter 96 Millionen Flüge mit fast 9.000 Millionen Passagieren.
In diesem Jahr scheint der Trend anzuhalten. Da verwundert es nicht, wenn Bewohner in den beliebtesten Urlaubszielen auf die Barrikaden steigen, weil sie sich vom Tourismus überrollt sehen.
Wenn die Einwohner der Altstadt von Dubrovnik (Kroatien) nur das Klackern von Rollkoffern hören, steigt schon ihr Puls. Im Sommer drängen sich in den schmalen Gassen der Stadt an die 15.000 Touristen – pro Tag. In Palma de Mallorca (Spanien) skandieren die Menschen seit Wochen zu zehntausenden bei Protestmärschen in Chören unmissverständlich „Touristen geht nach Hause“. Und im beliebten Ausgehviertel Las Ramblas in Barcelona (Spanien) gingen die Einwohner mit Touristen noch weniger zimperlich um und bespritzten die Gäste beim Cocktailschlürfen mit Wasserpistolen.
Das Phänomen Massentourismus ist nicht neu, doch das Problem vielschichtig und hat von Ort zu Ort unterschiedliche Gründe. In den spanischen Touristenhochburgen hat der Protest handfeste wirtschaftliche Ursachen. Die Immobilienpreise sind in immer lichtere Höhen gestiegen. In Palma etwa alleine im vergangenen Jahr um 20 Prozent, seit 2018 stiegen die Preise gar um 80 Prozent, wie eine Marktstudie ergab. Für ein gewöhnliches Objekt müssen Käufer auf der Baleareninsel gut 3.000 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter aufbringen. Für einen Großteil der Bevölkerung sind das Mondpreise. Laut dem spanischen Statistikamt INE bringt die große Mehrheit der Erwerbstätigen auf der Insel zwischen 1.600 und 1.800 Euro im Monat nach Hause. Auch Mieten sind für viele damit nicht mehr bezahlbar. Denn eine kleine Zwei-Zimmerwohnung kostet bereits 1.300 Euro pro Monat. Menschen sind gezwungen, in Wohngemeinschaften oder sogar im Wohnwagen zu hausen.
Die hohen Immobilienpreise sind ein Hauptgrund, warum es in vielen Touristenhochburgen rumort. Einer der wesentlichen Brandbeschleuniger dabei sind die privaten Bettenvermieter. Der Tourismusexperte Vladimir Preveden weiß: „Übernachtungen durch die Vermittlung der Internetplattformen wie Airbnb haben in den Tourismusregionen massiv zugenommen und so durch billige Angebote die Zahl der Touristen in die Höhe getrieben.“ Auch der Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung, Oliver Schenk, sieht diese Entwicklung kritisch. „Airbnb und andere Anbieter haben ihren Teil dazu beigetragen, dass eine negative Stimmung gegen Touristen entstanden ist. Der Unmut der Bevölkerung ist durchaus zu verstehen, wenn sich die Bewohner keine Wohnung mehr leisten können, weil diese von Spekulanten aufgekauft und als Ferienwohnung zweckentfremdet wird.“
Reaktionen darauf gibt es bereits, wenn auch zögerlich, stehen doch hohe Einnahmen auf dem Spiel. So gehen immer mehr betroffene Städte, wie zuletzt auch Wien, verschärft gegen Vermieter privater Ferienwohnungen vor. In Palma ist seit der drastischen Einschränkung von Airbnb im Jahr 2018 die Zahl der Ferienwohnungen von 25.000 Wohnungen auf 2.000 zurückgegangen. In Barcelona will die Stadtregierung Ferienwohnungen für Touristen ab 2029 überhaupt verbieten. Dadurch sollen 10.000 Unterkünfte wieder auf den Markt kommen.
Allerdings bleibt das Problem der privaten Immobilienkäufe, wie das Beispiel Mallorca zeigt. Die Insel gehört zu den weltweit beliebtesten Reisezielen. Eine neue Direktverbindung zwischen Miami und Palma bringt nun auch mehr und betuchte Urlauber – und damit potenzielle Immobilienkäufer – aus den USA auf die Insel.
Die Massen müssen natürlich herangekarrt werden. Vom Flughafen Wien Schwechat etwa heben pro Tag hunderte Flieger ab, viele davon in Richtung Feriendestinationen. Am 28. Juni verkündete der Flughafen, mit mehr als 113.000 Passagieren den stärksten Reisetag der Geschichte gehabt zu haben.
Ein Ende der Rekordjagd scheint nicht in Sicht. Die Welttourismusorganisation UNWTO schätzt, dass es in knapp zehn Jahren 1.800 Millionen Touristenankünfte geben wird. Im Jahr 1950 waren es nur 25 Millionen.
Die leidgeprüften Bewohner müssen dabei nicht auf der Strecke bleiben, meint der Tourismusexperte Preveden. „Die Tourismusverantwortlichen und die Stadtverwaltungen stehen unter hohem Druck, nachhaltige Ziele für ihre Städte zu definieren, von denen sowohl Touristen als auch Bürger profitieren.“ So könnte ein Teil der Einnahmen in Projekte für die Bürger investiert und damit deren Lebensqualität und Zufriedenheit erhöht werden.
Die Stadtväter von Dubrovnik haben vorerst Verhaltensempfehlungen für Touristen ausgegeben. Gepäck soll nicht mehr über die Altstadtpflaster gezogen, sondern getragen werden. Vor Denkmälern soll nicht geraucht und gegessen werden und in Gastgärten gilt eine Lärmobergrenze. Auf Mallorca wurde 2022 die Gangart gegen Touristen erstmals verschärft. Um saufende Horden auf der berüchtigten Partymeile Ballermann in den Griff zu bekommen, wurde das Trinken auf Straßen und Stränden verboten. „Doch all diese Vorschriften sind nur sinnvoll, wenn sie von den Bürgern mitgetragen und auch streng kontrolliert werden“, meint Preveden. Daran scheitere es seiner Einschätzung nach aber oft.
Der anhaltende Protest der Bürger könnte das ändern. Wenn sich der Gast auch noch zu benehmen weiß und die Gebräuche respektiert, wird er bald wieder vom bösen zum gern gesehenen Touristen werden. Proissl
In diesem Jahr scheint der Trend anzuhalten. Da verwundert es nicht, wenn Bewohner in den beliebtesten Urlaubszielen auf die Barrikaden steigen, weil sie sich vom Tourismus überrollt sehen.
Wenn die Einwohner der Altstadt von Dubrovnik (Kroatien) nur das Klackern von Rollkoffern hören, steigt schon ihr Puls. Im Sommer drängen sich in den schmalen Gassen der Stadt an die 15.000 Touristen – pro Tag. In Palma de Mallorca (Spanien) skandieren die Menschen seit Wochen zu zehntausenden bei Protestmärschen in Chören unmissverständlich „Touristen geht nach Hause“. Und im beliebten Ausgehviertel Las Ramblas in Barcelona (Spanien) gingen die Einwohner mit Touristen noch weniger zimperlich um und bespritzten die Gäste beim Cocktailschlürfen mit Wasserpistolen.
Das Phänomen Massentourismus ist nicht neu, doch das Problem vielschichtig und hat von Ort zu Ort unterschiedliche Gründe. In den spanischen Touristenhochburgen hat der Protest handfeste wirtschaftliche Ursachen. Die Immobilienpreise sind in immer lichtere Höhen gestiegen. In Palma etwa alleine im vergangenen Jahr um 20 Prozent, seit 2018 stiegen die Preise gar um 80 Prozent, wie eine Marktstudie ergab. Für ein gewöhnliches Objekt müssen Käufer auf der Baleareninsel gut 3.000 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter aufbringen. Für einen Großteil der Bevölkerung sind das Mondpreise. Laut dem spanischen Statistikamt INE bringt die große Mehrheit der Erwerbstätigen auf der Insel zwischen 1.600 und 1.800 Euro im Monat nach Hause. Auch Mieten sind für viele damit nicht mehr bezahlbar. Denn eine kleine Zwei-Zimmerwohnung kostet bereits 1.300 Euro pro Monat. Menschen sind gezwungen, in Wohngemeinschaften oder sogar im Wohnwagen zu hausen.
Die hohen Immobilienpreise sind ein Hauptgrund, warum es in vielen Touristenhochburgen rumort. Einer der wesentlichen Brandbeschleuniger dabei sind die privaten Bettenvermieter. Der Tourismusexperte Vladimir Preveden weiß: „Übernachtungen durch die Vermittlung der Internetplattformen wie Airbnb haben in den Tourismusregionen massiv zugenommen und so durch billige Angebote die Zahl der Touristen in die Höhe getrieben.“ Auch der Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung, Oliver Schenk, sieht diese Entwicklung kritisch. „Airbnb und andere Anbieter haben ihren Teil dazu beigetragen, dass eine negative Stimmung gegen Touristen entstanden ist. Der Unmut der Bevölkerung ist durchaus zu verstehen, wenn sich die Bewohner keine Wohnung mehr leisten können, weil diese von Spekulanten aufgekauft und als Ferienwohnung zweckentfremdet wird.“
Reaktionen darauf gibt es bereits, wenn auch zögerlich, stehen doch hohe Einnahmen auf dem Spiel. So gehen immer mehr betroffene Städte, wie zuletzt auch Wien, verschärft gegen Vermieter privater Ferienwohnungen vor. In Palma ist seit der drastischen Einschränkung von Airbnb im Jahr 2018 die Zahl der Ferienwohnungen von 25.000 Wohnungen auf 2.000 zurückgegangen. In Barcelona will die Stadtregierung Ferienwohnungen für Touristen ab 2029 überhaupt verbieten. Dadurch sollen 10.000 Unterkünfte wieder auf den Markt kommen.
Allerdings bleibt das Problem der privaten Immobilienkäufe, wie das Beispiel Mallorca zeigt. Die Insel gehört zu den weltweit beliebtesten Reisezielen. Eine neue Direktverbindung zwischen Miami und Palma bringt nun auch mehr und betuchte Urlauber – und damit potenzielle Immobilienkäufer – aus den USA auf die Insel.
Die Massen müssen natürlich herangekarrt werden. Vom Flughafen Wien Schwechat etwa heben pro Tag hunderte Flieger ab, viele davon in Richtung Feriendestinationen. Am 28. Juni verkündete der Flughafen, mit mehr als 113.000 Passagieren den stärksten Reisetag der Geschichte gehabt zu haben.
Ein Ende der Rekordjagd scheint nicht in Sicht. Die Welttourismusorganisation UNWTO schätzt, dass es in knapp zehn Jahren 1.800 Millionen Touristenankünfte geben wird. Im Jahr 1950 waren es nur 25 Millionen.
Die leidgeprüften Bewohner müssen dabei nicht auf der Strecke bleiben, meint der Tourismusexperte Preveden. „Die Tourismusverantwortlichen und die Stadtverwaltungen stehen unter hohem Druck, nachhaltige Ziele für ihre Städte zu definieren, von denen sowohl Touristen als auch Bürger profitieren.“ So könnte ein Teil der Einnahmen in Projekte für die Bürger investiert und damit deren Lebensqualität und Zufriedenheit erhöht werden.
Die Stadtväter von Dubrovnik haben vorerst Verhaltensempfehlungen für Touristen ausgegeben. Gepäck soll nicht mehr über die Altstadtpflaster gezogen, sondern getragen werden. Vor Denkmälern soll nicht geraucht und gegessen werden und in Gastgärten gilt eine Lärmobergrenze. Auf Mallorca wurde 2022 die Gangart gegen Touristen erstmals verschärft. Um saufende Horden auf der berüchtigten Partymeile Ballermann in den Griff zu bekommen, wurde das Trinken auf Straßen und Stränden verboten. „Doch all diese Vorschriften sind nur sinnvoll, wenn sie von den Bürgern mitgetragen und auch streng kontrolliert werden“, meint Preveden. Daran scheitere es seiner Einschätzung nach aber oft.
Der anhaltende Protest der Bürger könnte das ändern. Wenn sich der Gast auch noch zu benehmen weiß und die Gebräuche respektiert, wird er bald wieder vom bösen zum gern gesehenen Touristen werden. Proissl