Saufen bis zur Sucht
Eine Million Menschen hierzulande kämpfen mit einem Alkoholproblem. Wenigsten zwei Tage in der Woche ohne „Alk“ sollten wir einhalten.
Das Feierabendbier nach einem anstrengenden Arbeitstag, noch eines vor dem Fernseher, ein paar Achterl Wein beim Treffen mit Freunden, das Gläschen Sekt beim Geburtstag des Kollegen – für viele vergeht kaum ein Tag ohne Alkohol.
Der Mittvierziger Andreas Maier (Name von der Redaktion geändert) hat vor ein paar Jahren festgestellt, „dass ich mich an keinen Tag erinnern konnte, an dem ich gar nichts getrunken hatte. Das hat mich erschreckt.“ Seither versucht er zumindest an vier von sieben Tagen keinen Alkohol zu trinken und sich auf ein großes Bier, selten zwei zu beschränken.

Rund eine Million Menschen haben hierzulande ein „problematisches Trinkverhalten“, das gesundheitsgefährdend ist. Als Grenze dafür „gelten bei Männern rund 1,5 Liter Bier oder ein Dreiviertel Liter Wein pro Tag“, erklärt Lisa Brunner, Obfrau der Arbeitsgemeinschaft Suchtvorbeugung. Bei Frauen sind es ein Liter Bier oder ein halber Liter Wein.Auch ein „Fetzen“ oder „Anreiber“, also ein Vollrausch alle paar Wochen, ist Zeichen eines Alkoholproblemes.

„Außerdem empfiehlt es sich, pro Woche zumindest zwei alkoholfreie Tage einzulegen“, sagt Lisa Brunner. Während der Schwangerschaft und Stillzeit, im Straßenverkehr und bei der Arbeit sollte ganz auf Bier, Wein und Schnaps verzichtet werden. Alkohol ist ein Zellgift. Die Folgen von übermäßigem Trinken können Leberschäden, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Zuviel „Alk“ führt auch dazu, dass die Hirnmasse abnimmt. Trinker leiden teils an Gedächtnisproblemen und Depressionen. „Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen die täglichen Mengen von in etwa einem kleinen Bier oder einem Achtel Wein bei Frauen, sowie circa einem großen Bier oder einem Viertel Wein bei Männern nicht überschritten werden“, rechnet die Expertin Brunner vor.

„Das ist die Grenze für einen sogenannten ,risikoarmen‘ Alkoholgenuss. Über dieser Grenze besteht ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko.“
Allein die Kosten der Alkoholkrankheit für die Allgemeinheit betragen jährlich rund 375 Millionen Euro, ergab eine Studie des Institutes für Höhere Studien (IHS) vor ein paar Jahren. Rund 1,4 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen sind auf zu viel Bier, Wein oder Schnaps zurückzuführen.
„Österreich ist ein Hochkonsumland, was Alkohol betrifft“, sagte Lisa Brunner von der ARGE Suchtvorbeugung anlässlich der Dialogwoche Alkohol. „Darauf wollen wir aufmerksam machen, ohne die Substanz zu verteufeln. Sie kann sehr viel, Alkohol wird etwa immer wieder als sozialer Kitt benutzt. Doch die Spanne reicht beim Alkoholkonsum vom Genuss zu Leid, Gewalt und Unfällen.“

Anonyme Hilfe im Internet mit „Alkcoach“
Ob es sich schon um Sucht oder „nur“ um ein riskantes Trinkverhalten handelt, hängt nicht nur von der Alkoholmenge ab. „Alkoholsucht ist eine ärztliche Diagnose. Kriterien dafür sind etwa, ob die Phase schon länger als ein Jahr dauert, ob die Betroffenen mit dem Alkoholkonsum nicht aufhören können oder ob sie für das Trinken andere Aktivitäten vernachlässigen.“ 370.000 Menschen in unserem Land sind alkoholkrank.

Für viele ist die Schwelle hoch, um sich Hilfe zu holen, auch wenn sie sich eines Problemes bewusst werden. Für sie gibt es seit 2019 das digitale Selbsthilfe-Programm „alk­coach.at“.
„Die Menschen können sich online mit ihrem Alkohol-Konsum ausei­nandersetzen, und zwar anonym. Man muss sich zwar registrieren, aber dafür reicht auch ein ,Nickname‘ (Spitzname)“, erklärt Brunner.

„Es gibt Übungen, ein Konsum-Tagebuch und Fragen, beispielsweise was den Alkoholkonsum auslöst, wann meistens getrunken wird. Damit erreichen wir Zielgruppen, die nie eine Beratungseinrichtung aufsuchen würden.“ Frauen holen, wie bei allen Suchterkrankungen, auch beim Trinken auf. Je emanzipierter eine Gesellschaft ist, desto öfter trinken auch Frauen. Sie „saufen“ eher heimlich als Männer. Dafür „vertragen“ sie auch weniger, die Leber baut den Alkohol langsamer ab. Es kommt schneller zu alkoholbedingten Leberschäden oder Krebs.

Doch nach wie vor trinken Männer mehr als Frauen. Keinen Unterschied gibt es in unserer Gesellschaft zwischen arm und reich, Hilfsarbeitern oder Universitäts-Absolventen. „Intensiver Alkoholkonsum geht aber oft mit psychischer Belastung einher,“ weiß die Suchtexpertin Brunner. Während der Corona-Pandemie hat der Alkoholkonsum zugenommen. Alkohol ist hierzulande aber auch ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor. Allein die Wein-Ausfuhren brachten im Vorjahr den Rekordwert von 231 Millionen Euro ein.

Dass Irland künftig Warnhinweise auf jede Flasche Alkohol kleben will, hat aber vor allem italienische Winzer auf die Palme gebracht. Das sei „ein direkter Angriff gegen Italien, den weltweit führenden Weinerzeuger und -exporteur“, ärgerten sich Landwirtschaftsvertreter. Sie fürchten „Terroretiketten“ auf den Weinflaschen.

Etiketten weisen auf Gefahren des Alkohols hin
Irland will frühestens ab dem Jahr 2026 auf Wien-, Bier und Schnaps-Flaschen vor den Alkohol-Risiken warnen. Nach dem Vorbild von Zigarettenpackerln können Hinweise wie „Alkohol verursacht Lebererkrankungen“ oder „Alkohol und Krebs stehen in direktem Zusammenhang“ angebracht werden.

Schockbilder sind nicht geplant. Dem muss noch die Welthandelsorganisation zustimmen, die EU hat schon grünes Licht gegeben.