Stimm-Training im Kirchenchor
Seit 23 Jahren fungiert Eva Briegel, 44, als Sängerin der deutschen Band „Juli“. Ihre aktuellen Darbietungen sind auf „Der Sommer ist vorbei“ zu hören, dem seit wenigen Tagen erhältlichen neuen Album. Daneben hat Briegel vor einem Jahr in einem Kirchenchor eine zweite musikalische Heimat gefunden, wie sie dem WOCHE-Reporter Steffen Rüth berichtet.
Frau Briegel, „Der Sommer ist vorbei“ ist ein ungewöhnlicher Titel für ein Album, das Ende April in den Handel kam …
Das ist richtig, und ich kann kaum erklären, wie es dazu kam, dass die Platte so heißt. Ich zitiere einmal die Jugend, die immer sagt: „Ich fühle das“ (lacht). So war es auch bei uns mit „Der Sommer ist vorbei“. Wir alle haben diesen Albumtitel gefühlt. Für mich schließt sich auch der Kreis zum ersten Album „Es ist Juli“. Verglichen mit 2004 ist heute vieles nicht mehr so leicht und so unbeschwert wie damals.

Also ist Ihr heutiges Lebensgefühl eher von Sorgen und Ungewissheit geprägt?
Ich habe kein negatives oder pessimistisches Gefühl, wenn ich an das denke, was vor uns liegt. Es wird anders, aber es muss nicht schlechter werden. Mich erinnert der Albumtitel ein bisschen an den Film „Die fetten Jahre sind vorbei“, den ich großartig finde. Es liegt etwas in der Luft, die Stimmung kippt.

Glauben Sie, dass es heutige Jugendliche schwerer haben, als es bei Ihnen der Fall war?
Ich war ziemlich zufrieden und guter Dinge. Wir waren ein fröhlicher Haufen. Heute scheinen alle Jugendlichen grundsätzlich der Meinung zu sein, dass sie es schwer haben und dass alles schlimm ist.

Ist Ihre Tochter Yoko schon im Teenageralter?
Fast. Sie ist jetzt zwölf Jahre alt und reagiert wie alle in dem Alter allergisch auf Ratschläge, deshalb verkneife ich mir Mamas Lebensweisheiten, so gut es geht (lacht).

Dabei hätten Sie in vielerlei Hinsicht Erfahrungen …
Nun ja, ich wäre unglücklich und unkreativ, wenn ich zehn Stunden am Tag immer nur die Sängerin von „Juli“ sein müsste. Ich muss auch andere Personen sein können: die Privatperson, die Studentin und die Chorsängerin zum Beispiel. Um Lieder schreiben zu können, muss ich was erleben.

Langsam, Sie sind Chorsängerin?
Ja, ich singe seit einem Jahr im katholischen Kirchenchor der Herz-Jesu-Gemeinde in Berlin (D). Ich wollte schon lange in einem Chor singen, weil das die Stimme trainiert und ich mehrstimmigen Gesang mag. Eine Freundin von mir singt in diesem Chor, sie nahm mich mit. Nichts entspannt mein Gehirn so sehr wie unsere Chorproben.

Und was haben Sie studiert?
Ich habe meinen Bachelor in Psychologie gemacht. Für dieses Studium musste ich viel rechnen und intensiv den Kopf benutzen. Zum Glück mag ich Zahlen und genieße es, meine Steuererklärung zu machen.

Als Sie vor fast zwanzig Jahren plötzlich so erfolgreich wurden, hätten Sie sich da selbst einen Therapeuten gewünscht?
Ich war seinerzeit bei einer Therapeutin, um mein Nervenflattern abzustellen, leider brachte mir das nichts. Was ich gebraucht hätte, wäre ein Sportlertrainer gewesen, der mir geholfen hätte, auf den Punkt, sprich: auf der Bühne, meine Leistung abzurufen.

Ihre Band besteht immer noch aus denselben fünf Bandmitgliedern wie vor 22 Jahren. Wie haben Sie das hinbekommen?
Wir machen gerne zusammen Musik und wir haben einen ähnlichen Humor.

Und wie lautet die Erklärung der Psychologin?
In der Psychologie gibt es Studien, dass du die Person, mit der du etwas Schönes erlebt hast, mit diesem Ereignis verknüpfst. Wenn du jemanden an dich binden möchtest, solltest du mit diesem Menschen zum Beispiel Bungeespringen oder einen Monat im Tourbus durchs Land fahren.