Masern schwächen den Körper für Jahre
Die Langzeit-Gefährlichkeit der Masern wird unterschätzt. Auch Erwachsene, die erkranken, haben ein hohes Risiko für Komplikationen.
Das ist doch nur eine Kinderkrankheit“, denken Erwachsene, wenn die Sprache auf die Masern kommt. Ganz so einfach, oder anders gesagt, ganz so harmlos ist die Sache aber leider nicht. Zwar erkranken in größerer Zahl Kinder an den Masern, doch das macht sie deswegen nicht ungefährlich. Prof. Lukas Weseslindtner, Facharzt für Virologie und Laborleiter der Serodiagnostik am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien, erklärt im Gespräch mit der WOCHE-Redakteurin Mag. Doris Schwander, warum bei Masern höchste Vorsicht geboten ist.

Herr Prof. Weseslindtner, welcher Erreger löst die Masern aus?
Das sind Masernviren, die durch infektiöse Tröpfchen verbreitet werden, wie sie beim Sprechen, Husten und Niesen entstehen. Sie werden auch durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen.

Warum gelten die Masern als eine gefährliche Krankheit? Für wen sind sie gefährlich?
Das Fieber kann auf mehr als 40 Grad steigen. Kinder sind deutlich krank, apathisch, appetitlos, weinerlich. Augenbindehaut, Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien sind entzündet. Dazu kommt der typische kleinfleckige Hautausschlag am ganzen Körper. Das Risiko schwerwiegender Komplikationen ist bei Kindern unter fünf Jahren und bei Erwachsenen von mehr als 20 Jahren am höchsten. Unabhängig vom Schweregrad verursachen die Masern nach neuesten Erkenntnissen eine anhaltende Schwächung des Immunsystems, wodurch andere Infektionskrankheiten in der Folge gehäuft auftreten. Sogar bei Patienten ohne Immunschwäche können Masern tödlich verlaufen.

Welche schwerwiegenden Komplikationen können auftreten?
Die Komplikationsrate liegt bei 20 Prozent. Schwere Komplikationen sind Mittelohrentzündung, Kehlkopfentzündung, Lungenentzündung, Krampfanfälle und Entzündung des Gehirns, die tödlich verlaufen können. Dabei verursacht das Virus Blutungen und den Untergang zahlreicher Zellarten. Besonders dadurch, dass das Virus Gedächtniszellen des Immunsystems befällt und abtötet, wird das immunologische Gedächtnis gelöscht. So erhöht sich für einige Jahre das Risiko, an anderen Infektionskrankheiten zu erkranken und zu sterben, obwohl die betroffene Person gegen deren Erreger eigentlich schon immun war. Eine der schwersten Komplikationen ist die Gehirnentzündung. Sie wird als Masernenzephalitis bezeichnet und tritt bei rund einem bis zwei von eintausend Masernfällen auf. Sogar viele Jahre nach den Masern kann eine Gehirnentzündung auftreten.
Masern wird als eine hochinfektiöse Krankheit beschrieben. Was bedeutet hochinfektiös?
Dass sich ungeschützte Menschen bereits nach kurzem Kontakt mit Erkrankten infizieren können. Es braucht keinen direkten Kontakt für eine Übertragung, nur wenige Momente, wie das Vorübergehen an einem Infizierten reichen aus. Noch nach zwei Stunden können Masernviren in der Luft eines Raumes nachgewiesen werden, in dem sich zuvor ein an Masern Erkrankter aufgehalten hatte.

Wie lange kann ich mich bei einem an Masern Erkrankten anstecken?
Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits vier Tage vor Auftreten des Hautausschlages und hält bis vier Tage nach Abklingen des Hautausschlages an. Unmittelbar vor und bei Beginn des Hautausschlages ist sie am größten.

Welche Therapie gibt es im Krankheitsfall?
Eine spezifische Therapie gegen das Masernvirus gibt es nicht. Es lassen sich nur die Symptome behandeln, zum Beispiel mit Medikamenten zur Fiebersenkung und Hustenstiller. Gegen die zerstörerische Wirkung des Virus im ganzen Körper helfen keine Antibiotika.

Als Schutz bietet sich die Impfung an?
Ja, die Dreifach-Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln schützt höchstzuverlässig vor der Ansteckung mit dem Virus. Allerdings braucht es zwei Teilimpfungen, von denen die erste ab dem 9. Lebensmonat gegeben werden kann, die zweite Impfung im Normalfall drei Monate später. Kinder unter neun Monaten und Immunschwache werden nur durch die konsequente Impfung der älteren Kinder und immune Erwachsene mit zwei Impfungen oder durchgemachter Infektion geschützt.

Wenn ich an Masern erkrankt war, ist eine Impfung noch erforderlich?
Nein, ist sie nicht. Wer aber nicht zwei Mal geimpft ist und nie erkrankt war, sollte die fehlenden Impfungen unbedingt in jedem Lebensalter nachholen.

Wie verhalte ich mich, wenn ich meine, mich angesteckt zu haben oder ein Mitglied der Familie an Masern erkrankt ist?
Bei Verdacht informieren Sie Ihren Hausarzt, Kinderarzt oder Hautarzt telefonisch, um den Kontakt mit anderen in Warteräumen zu vermeiden.