Rufen, drücken und schocken
Tatsächlich erleidet jeder zehnte Mensch im Land einen plötzlichen Herzstillstand. Von zehn Betroffenen überlebt aber nur einer, weil noch zu viele Menschen im Ernstfall ratlos oder ängstlich sind. Notfall-Mediziner der MedUni Graz ermutigen mit der Kampagne „Drück mich!“.
Es geschieht von einer Sekunde auf die andere, und Betroffene sind in dem Moment völlig hilflos. Das Herz hört plötzlich auf zu schlagen, es besteht akute Lebensgefahr. Tatsächlich überlebt in zehn Fällen nur ein Mensch mit plötzlichem Herzstillstand einen derartigen Ernstfall.
Dabei könnten es viel mehr Gerettete sein, wie Dr. Simon Orlob meint, der Mitbegründer der Informationskampagne „Drück Mich!“ und Arzt an der Klinischen Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 2, Med Uni Graz. „Die Überlebensrate kann verdoppelt, ja sogar verdreifacht werden, wenn Zeugen eines Herzstillstandes Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen, bis das medizinische Personal vor Ort eintrifft.“

Wobei im Moment des Herzstillstandes eines wichtig ist, rasches Handeln. Das ist oft einfacher gesagt als getan, wissen die Initiatoren der Kampagne. „Das rasche Erkennen eines Herzstillstandes und die Einleitung der Wiederbelebungsmaßnahmen sind für viele eine Herausforderung, insbesondere in dieser emotional anspruchsvollen Situation“, weiß Dr. Orlob aus der Aufklärungsarbeit im öffentlichen Raum und den Gesprächen mit Passanten.

Viele Menschen haben Angst, beim Helfen etwas falsch zu machen, dem Patienten Schaden zuzufügen, zum Beispiel mit der Herzdruckmassage. Die Notfallmediziner können entwarnen. „Durch die Herzdruckmassage wird Blut und damit Sauerstoff durch den Körper gepumpt, bis professionelle Hilfe eintrifft. Wenn man nichts unternimmt, stirbt der Mensch. Ein Helfer kann in dieser Situation nicht schaden, im Gegenteil. Ohne den Beginn der Wiederbelebung durch Zeugen des Vorfalles kommen wir als Mediziner zu spät und können nichts mehr ausrichten.“

Um Menschen Ängste und Unsicherheiten zu nehmen, damit sie im Notfall Leben retten können, wurde die Kampagne „Drück Mich!“ ins Leben gerufen. „Reagiert der Patient nicht und hat er keine normale Atmung, liegt ein Herzstillstand vor“, erklärt Dr. Orlob. Mit dem Motto „Herzstillstand. Rufen. Drücken. Schocken“ wollen die Mediziner jedem eine einfache Merkhilfe mitgeben.
Dazu werden kurze und leicht zugängliche Wiederbelebungsschulungen für die Menschen im öffentlichen Raum von Studierenden der MedUni Graz durchgeführt.

Doch weniger als ein Fünftel der Befragten kennt alle Wiederbelebungsmaßnahmen. Mit einem fiktiven Herzstillstand konfrontiert, nannten zu Beginn der Kampagne 34,6 Prozent der Befragten spontan „rufen und drücken“ als durchzuführende Maßnahmen, also ohne Einsatz eines Defibrillators. Nach der Kampagne waren es 60,6 Prozent. „Doch es gibt einen niedrigen Wissensstand bei den ‚vollständigen Wiederbelebungsmaßnahmen: rufen, drücken, schocken‘, also mit Defibrillator. Hier waren es am Ende der Kampagne nur 17,9 Prozent der Befragten.
Insbesondere bei der Defibrillation besteht also noch viel Aufklärungsbedarf. Die wenigsten wissen, dass sie mit dem Defibrillator nichts falsch machen können. Das Gerät lässt keine Fehlanwendung zu“, schildert Dr. David Zweiker von der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Med Uni Graz die Situation.

Der öffentliche Zugang zu Defibrillatoren ist gut, doch werden sie noch kaum benutzt. Wer wissen möchte, wo Defibrillatoren zur Verfügung stehen, etwa im eigenen Wohnort, findet auf der Internetseite definetzwerk.at eine Defi-Landkarte. Über die Postleitzahl kann der eigene Wohnort oder jede beliebige Ort im Land aufgerufen werden. So kann im Notfall einem Menschen mit Herzstillstand vielleicht das Leben gerettet werden.
Erste-Hilfe-Kurse beim Roten Kreuz vermitteln und vertiefen das Wissen um schnelle Hilfe bei Herzstillstand, Herzdruckmassage und Übungen mit (Übungs-)Defibrillatoren.

So geht die Herzdruckmassage
  1. Patienten auf den Boden legen.
  2. Einen Handballen auf die Mitte des Brustkorbes legen, zweite Hand darüber. Arme durchstrecken.
  3. Drücken Sie schnell und kräftig mit beiden Händen auf den Brustkorb.
  4. Hören Sie mit der Herzdruckmassage nur auf, wenn die Person aufwacht und normal atmet oder die Sanitäter eingetroffen sind.
  5. Nur für Geübte: Nach 30 Druckstößen Kopf der Person überstrecken (Kinn nach oben). Mit Daumen und Zeigefinger die Nase des Betroffenen verschließen, Atemluft zwei Mal in seinen Mund blasen, weiter Herzdruckmassage.

Fragen und Antworten zur Ersten Hilfe bei Herzstillstand

Ist der Notruf 144 die erste Hilfeleistung?
Ja, nur so kann schnellstmöglich ein Rettungsteam vor Ort geschickt werden. Außerdem begleitet Sie der Rettungssanitäter am Telefon durch die weiteren Schritte.

Muss ich eine Mund-zu-Mund-Beatmung machen?
Nein, für die Wiederbelebung durch Laien gilt kontinuierliche Herzdruckmassage, bis das Rettungsteam da ist.

Ersetzt der Defibrillator die Herzdruckmassage?
Nein, mit der Herzdruckmassage und dem Defibrillator verhält es sich wie mit einer Rettungsweste und einem Rettungsboot bei einem Ertrinkenden. In jedem Fall möchte man als Ertrinkender ein Rettungsboot haben, den Defibrillator, bis es aber vor Ort ist, rettet einem die Rettungsweste, die Herzdruckmassage, das Leben.

Wie weiß ich, ob ich einen Defibrillator bedienen kann, wenn ich es noch nie gemacht habe?
Idealerweise kommt ein Defibrillator zum Einsatz, wenn zwei Helfer vor Ort sind und jemand weiß, wo in unmittelbarer Nähe ein Gerät installiert ist. So kann ein Helfer die Herzdruckmassage durchführen, während der andere den Defi holt. Nachdem der Defi eingeschaltet wurde, ist nur den Anweisungen des Sprachcomputers zu folgen.

Kann ich rechtlich belangt werden, wenn ein Mensch nach meiner Herzdruckmassage oder der Anwendung eines Defis stirbt?
Nein, Sie können deswegen nicht rechtlich belangt werden. Und in so einer Situation können Sie nichts falsch machen. Nur Nichtstun ist das Falsche.