Zeitreise auf zwei Brettln
Thomas Bachnetzer hat einen außergewöhnlichen Beruf und ein außergewöhnliches Hobby. Der Hochgebirgs-Archäologe aus Tirol hat 600 Paar Schier und Schiausrüstung zusammengetragen.
Wäre Thomas Bachnetzer verheiratet, hätte er wohl Erklärungsbedarf. Wo immer er Platz findet, hat der 44jährige rund um sein Haus im kleinen Tiroler Ort Sautens im Bezirk Imst Schier in unterschiedlichsten Formen und Farben angelehnt oder aufgestapelt.
Viele davon sind aus Holz, weil sie aus längst vergangenen Zeiten stammen – oder, winterlicher gesprochen: aus dem Jahre Schnee. Im Wohnzimmer sieht es ähnlich aus. Dort liegen statt Schiern allerdings Anoraks in Neonfarben aus den 1990ern auf dem Boden, Ballonhosen aus den 1920ern oder Handschuhe von Marken wie Rika, mit denen unser Kärntner Abfahrts-Ass Franz Klammer in den 1980ern zu Tal gesaust ist. Denn Bachnetzer ist leidenschaftlicher Sammler von Retro-Schiern und der dazugehörigen Ausrüstung, was sein Hobby nicht nur spannend, sondern auch äußerst ansehnlich macht.
Den Anfang seiner Zeitreise auf zwei Brettln hat ein Geschenk seiner Oma vor zehn Jahren gebildet. Damals vermachte sie ihrem Enkel ein Paar Holzschier vom Opa. Ihn hat der 44jährige zwar nie kennengelernt, doch der Enkel hat ihm als Dank für das ungewöhnliche Erbe aus den 1950er Jahren ein Denkmal gesetzt. Jedes Mal, und das kommt oft vor, wenn Thomas Bachnetzer von seiner Sammlung spricht, steht der Opa an erster Stelle.
Geschichte des Schifahrens mit 600 Paar der Brettln aus Holz und Metall
Das Chaos aus Hauben, Schibrillen und Bekleidung, das derzeit seinen Wohnzimmerteppich bedeckt, wird sich bald in Ordnung auflösen. Als studierter Archäologe weiß Bachnetzer, wie das geht, und unterscheidet sich so von vielen anderen Sammlern. Weil er wissenschaftlich an seine Fundstücke herangeht. Er ermittelt, aus welcher Zeit und woher seine Stücke stammen, und ordnet sie ein. Oft helfen ihm alte Schikataloge, die er ebenfalls sammelt. „Ich möchte einen Beitrag leisten, um unsere Schigeschichte greifbar zu machen“, meint der Ötztaler.
Dass er Schier und Accessoires im und ums Haus sowie in seiner Garage lagern muss, liegt einzig und allein am begrenzten Platz. Immerhin müssen 600 Paar Schi untergebracht werden, das älteste stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Leider habe ich keine Räumlichkeiten, in denen ich die Stücke präsentieren kann. Aber wer weiß, was noch kommt?“ Gespräche über ein mögliches Museum, das eine Schination wie unser Land sicher aufwerten würde, gibt es schon, Genaueres bleibt aber vorerst ein Geheimnis.
Bachnetzer selbst liebt Geheimnisse und vor allem deren Lösung. Nicht umsonst lautet die zentrale Frage in seinem Brotberuf Archäologie: „Woher kommt der Mensch?“ Sie treibt ihn seit seiner Kindheit an. „Mein Vater war schon immer an Archäologie interessiert. Das hat mich geprägt. Und als Ötzi in unserer Nähe gefunden wurde, war ich derart fasziniert, dass ich mich ebenfalls diesem Fachgebiet widmen wollte.“
Das war im Jahr 1991 und der Nachwuchs-Wissenschaftler zählte damals zwölf Lenze. Heute, im Alter von 44 Jahren, schreibt er, nach zahlreichen Veröffentlichungen über Themen wie „Die Verwendung von Feuersteinen im Kleinwalsertal und im Rofan“, gerade an seiner Doktorarbeit. Sie handelt von einem von der Mittelsteinzeit an rund 8.000 Jahre lang genutzten Felsüberhang auf knapp 2.000 Metern Höhe.
„Mit 67
Gletschern und 226 Dreitausendern hat das Ötztal größtes Potenzial für gletscherarchäologische Forschungen“, ist Bachnetzer überzeugt, wobei der Klimawandel auch ihm zu denken gibt, wenngleich das Schmelzen des vermeintlichen ewigen Eises dem Forscher auch Vorteile bringt. In den Alpen gibt das schmelzende Eis immer öfter Funde frei, die über viele Jahre verborgen geblieben sind. „Daher wissen wir, dass die Ötztaler Alpen vor 12.000 Jahren schon häufig frequentierte saisonale Lebens- und Durchzugsräume waren. Deshalb habe ich mich auch auf Gletscher-Archäologie spezialisiert.“
Dass das vermeintlich ewige Eis Brettln freigibt, die zu den Ursprüngen des Schifahrens führen könnten, darauf wartet er aber noch. Für skandinavische Forscher ist dieser Traum bereits in den Jahren 2014 und 2021 wahr geworden. Sie haben auf einem norwegischen Gletscher je einen 1.300 Jahre alten Schi aus der Merowingerzeit entdeckt, und damit zwei Einzelteile wieder als Paar vereint.
Bachnetzers edelstes Stück ist etwas jünger. Das Paar Schi, das in einer Ecke seines Wohnzimmers Platz gefunden hat, stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert und war mit der ersten professionell designten und hergestellten Bindung des alpinen Schilaufes ausgestattet, der Lilienfelder Stahlsohlenbindung. Ihr Erfinder Mathias Zdarsky, der von 1856 bis 1940 lebte, galt als einer der ersten Schipioniere und als Begründer der alpinen Schilauftechnik. An den gebürtigen Tschechen erinnert in seiner ehemaligen Wahlheimat Lilienfeld in Niederösterreich noch heute ein Schi-Museum. Sollte für Bachnetzer der Museumstraum einmal wahr werden, wird selbstverständlich auch der Zdarsky-Schi dort untergebracht. „Ich bin bis Mannheim (D) gefahren, um ihn zu holen“, erzählt er. „Der Besitzer hat sich gewundert, dass jemand für ein altes Paar Schi, das nur als Dekoration dient, so weit fährt.“
Gewöhnlich findet Bachnetzer seine Unikate aber auf Flohmärkten oder übers Internet. Manchmal führt er sie sogar aus. Wenn er mit Freunden an Nostalgierennen teilnimmt wie zuletzt am Rosenmontag auf der Sonnblickwiese in Plangeross (Pitztal). Am liebsten schlüpft der 44jährige dann in seine eng anliegende Jethose mit Kniepolster aus den späten 70er Jahren. Als geborener 78er eine Würdigung seiner Kindheit.
Viele davon sind aus Holz, weil sie aus längst vergangenen Zeiten stammen – oder, winterlicher gesprochen: aus dem Jahre Schnee. Im Wohnzimmer sieht es ähnlich aus. Dort liegen statt Schiern allerdings Anoraks in Neonfarben aus den 1990ern auf dem Boden, Ballonhosen aus den 1920ern oder Handschuhe von Marken wie Rika, mit denen unser Kärntner Abfahrts-Ass Franz Klammer in den 1980ern zu Tal gesaust ist. Denn Bachnetzer ist leidenschaftlicher Sammler von Retro-Schiern und der dazugehörigen Ausrüstung, was sein Hobby nicht nur spannend, sondern auch äußerst ansehnlich macht.
Den Anfang seiner Zeitreise auf zwei Brettln hat ein Geschenk seiner Oma vor zehn Jahren gebildet. Damals vermachte sie ihrem Enkel ein Paar Holzschier vom Opa. Ihn hat der 44jährige zwar nie kennengelernt, doch der Enkel hat ihm als Dank für das ungewöhnliche Erbe aus den 1950er Jahren ein Denkmal gesetzt. Jedes Mal, und das kommt oft vor, wenn Thomas Bachnetzer von seiner Sammlung spricht, steht der Opa an erster Stelle.
Geschichte des Schifahrens mit 600 Paar der Brettln aus Holz und Metall
Das Chaos aus Hauben, Schibrillen und Bekleidung, das derzeit seinen Wohnzimmerteppich bedeckt, wird sich bald in Ordnung auflösen. Als studierter Archäologe weiß Bachnetzer, wie das geht, und unterscheidet sich so von vielen anderen Sammlern. Weil er wissenschaftlich an seine Fundstücke herangeht. Er ermittelt, aus welcher Zeit und woher seine Stücke stammen, und ordnet sie ein. Oft helfen ihm alte Schikataloge, die er ebenfalls sammelt. „Ich möchte einen Beitrag leisten, um unsere Schigeschichte greifbar zu machen“, meint der Ötztaler.
Dass er Schier und Accessoires im und ums Haus sowie in seiner Garage lagern muss, liegt einzig und allein am begrenzten Platz. Immerhin müssen 600 Paar Schi untergebracht werden, das älteste stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Leider habe ich keine Räumlichkeiten, in denen ich die Stücke präsentieren kann. Aber wer weiß, was noch kommt?“ Gespräche über ein mögliches Museum, das eine Schination wie unser Land sicher aufwerten würde, gibt es schon, Genaueres bleibt aber vorerst ein Geheimnis.
Bachnetzer selbst liebt Geheimnisse und vor allem deren Lösung. Nicht umsonst lautet die zentrale Frage in seinem Brotberuf Archäologie: „Woher kommt der Mensch?“ Sie treibt ihn seit seiner Kindheit an. „Mein Vater war schon immer an Archäologie interessiert. Das hat mich geprägt. Und als Ötzi in unserer Nähe gefunden wurde, war ich derart fasziniert, dass ich mich ebenfalls diesem Fachgebiet widmen wollte.“
Das war im Jahr 1991 und der Nachwuchs-Wissenschaftler zählte damals zwölf Lenze. Heute, im Alter von 44 Jahren, schreibt er, nach zahlreichen Veröffentlichungen über Themen wie „Die Verwendung von Feuersteinen im Kleinwalsertal und im Rofan“, gerade an seiner Doktorarbeit. Sie handelt von einem von der Mittelsteinzeit an rund 8.000 Jahre lang genutzten Felsüberhang auf knapp 2.000 Metern Höhe.
„Mit 67
Gletschern und 226 Dreitausendern hat das Ötztal größtes Potenzial für gletscherarchäologische Forschungen“, ist Bachnetzer überzeugt, wobei der Klimawandel auch ihm zu denken gibt, wenngleich das Schmelzen des vermeintlichen ewigen Eises dem Forscher auch Vorteile bringt. In den Alpen gibt das schmelzende Eis immer öfter Funde frei, die über viele Jahre verborgen geblieben sind. „Daher wissen wir, dass die Ötztaler Alpen vor 12.000 Jahren schon häufig frequentierte saisonale Lebens- und Durchzugsräume waren. Deshalb habe ich mich auch auf Gletscher-Archäologie spezialisiert.“
Dass das vermeintlich ewige Eis Brettln freigibt, die zu den Ursprüngen des Schifahrens führen könnten, darauf wartet er aber noch. Für skandinavische Forscher ist dieser Traum bereits in den Jahren 2014 und 2021 wahr geworden. Sie haben auf einem norwegischen Gletscher je einen 1.300 Jahre alten Schi aus der Merowingerzeit entdeckt, und damit zwei Einzelteile wieder als Paar vereint.
Bachnetzers edelstes Stück ist etwas jünger. Das Paar Schi, das in einer Ecke seines Wohnzimmers Platz gefunden hat, stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert und war mit der ersten professionell designten und hergestellten Bindung des alpinen Schilaufes ausgestattet, der Lilienfelder Stahlsohlenbindung. Ihr Erfinder Mathias Zdarsky, der von 1856 bis 1940 lebte, galt als einer der ersten Schipioniere und als Begründer der alpinen Schilauftechnik. An den gebürtigen Tschechen erinnert in seiner ehemaligen Wahlheimat Lilienfeld in Niederösterreich noch heute ein Schi-Museum. Sollte für Bachnetzer der Museumstraum einmal wahr werden, wird selbstverständlich auch der Zdarsky-Schi dort untergebracht. „Ich bin bis Mannheim (D) gefahren, um ihn zu holen“, erzählt er. „Der Besitzer hat sich gewundert, dass jemand für ein altes Paar Schi, das nur als Dekoration dient, so weit fährt.“
Gewöhnlich findet Bachnetzer seine Unikate aber auf Flohmärkten oder übers Internet. Manchmal führt er sie sogar aus. Wenn er mit Freunden an Nostalgierennen teilnimmt wie zuletzt am Rosenmontag auf der Sonnblickwiese in Plangeross (Pitztal). Am liebsten schlüpft der 44jährige dann in seine eng anliegende Jethose mit Kniepolster aus den späten 70er Jahren. Als geborener 78er eine Würdigung seiner Kindheit.