Wenn die Macht zu Kopfe steigt
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Er war Milliardär, Selbstdarsteller, Politliebling – jetzt steht René Benko als Angeklagter vor Gericht. Der tiefe Fall des Signa-Gründers ist mehr als eine Wirtschaftsgeschichte. Es ist die Geschichte von Hybris, Kontrollsucht und dem gefährlichen Gefühl, unantastbar zu sein.
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Am Dienstag hat vor dem Landesgericht Innsbruck der Prozess gegen René Benko, 48, begonnen. Es war der Auftakt zu einer Reihe von Prozessen. Der einst gefeierte Immobilien-Milliardär und Gründer der Signa-Holding sitzt seit Jänner in Untersuchungshaft. Nun steht er in seiner Heimatstadt vor dem Richter.
Ihm wird betrügerische Krida vorgeworfen, es besteht also der Verdacht, dass er während der Insolvenz Geld verlagert und Vermögenswerte unrechtmäßig beiseite geschafft haben soll. Bei diesem ersten Verfahren geht es um eine mutmaßliche Schadenssumme von 660.000 Euro. Das klingt geradezu läppisch im Vergleich zu jenen Milliarden, über die Benko einst verfügte. Noch vor wenigen Jahren wurde sein Vermögen auf 3,1 Milliarden Euro geschätzt, er rangierte auf Platz acht der reichsten Menschen unseres Landes. Jetzt kämpft der einstige Politliebling, der an der Seite des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz sogar zu Staatsbesuchen mitgereist ist, im Landesgericht Innsbruck um seine Freiheit.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm unter anderem vor, hohe Summen vor dem Zusammenbruch seines Unternehmensimperiums gezielt verschoben zu haben, darunter Vorauszahlungen von mehr als 360.000 Euro für seine Villa auf der Innsbrucker Hungerburg sowie eine 300.000-Euro-Schenkung an seine Mutter.
Sollte sich die Anklage bestätigen, drohen Benko bis zu zehn Jahre Haft. Für den Prozess sind zwei Verhandlungstage angesetzt, acht Zeugen sind geladen. Doch hinter den nüchternen Zahlen und Paragrafen verbirgt sich eine größere Geschichte – die Geschichte der Hybris, jener Überheblichkeit, die bereits in antiken Tragödien stets mit dem Fall des Helden endeten.
Der Mensch überschätzt seine eigene Macht
„Das Wort Hybris stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie Übermut, Anmaßung oder Grenz-
überschreitung“, erklärt der Wiener Psychotherapeut und Unternehmensberater Dr. Reinhard Pichler. „Schon die Dichter der Antike warnten davor, dass der Mensch seine eigene Macht überschätzt.“ Bereits Homer beschrieb in seinen Epen jenen Übermut, mit dem Menschen glaubten, sie könnten sich über die Götter erheben. In der griechischen Tragödie wurde Hybris zum zentralen Motiv. Sie war immer der Anfang vom Ende. Wer sich zu groß machte, den ereilte die Nemesis, die göttliche Strafe.
„Hybris bedeutet nicht nur extreme Selbstüberschätzung“, sagt Pichler, „sondern die Verblendung des Erfolgreichen – jenes gefährliche Gefühl, unantastbar zu sein.“
Für Pichler ist René Benko ein Paradebeispiel moderner Hybris, ein Mann, der aus bescheidenen Verhältnissen kam, Macht und Reichtum zu seinem Lebensprojekt machte und sich schließlich in seinem eigenen System verstrickte.
„Benko hatte mehr als tausend Gesellschaften, um alles zu kontrollieren und gleichzeitig zu verschleiern“, sagt Pichler. „Das zeigt, wie groß seine Angst war, etwas zu verlieren. Hinter der Fassade steckt kein grenzenloser Selbstwert, sondern ein schwacher.“ Hybris, so Pichler, wächst dort, wo Selbstzweifel durch Struktur ersetzt werden. „Er hat es geschafft, sich perfekt darzustellen, ohne besonders reflektiert zu sein. Er glaubte, alles, was er anfasst, werde zu Gold, und die Menschen um ihn herum haben ihn darin bestärkt.“
Narzisstische Persönlichkeiten glauben an ihre eigene Erzählung. Sie fühlen sich missverstanden, verkannt und sind überzeugt, dass die Welt ihnen etwas schuldet.“ Auch Karl-Heinz Grasser und Sebastian Kurz ordnet Pichler in dieses psychologische Muster ein. „Grasser, Kurz, Benko – sie alle haben geglaubt, sie seien die Ausnahme. Sie hielten sich für unersetzlich und umgaben sich mit Lakaien, die ihnen das Gefühl gaben, unfehlbar zu sein.“
Kurz, so Pichler, habe „die Kontrolle perfektioniert – Message Control war sein Prinzip“. Er habe keine offenen Debatten zugelassen und sei stets mit jener absoluten Selbstsicherheit aufgetreten, „die keinen Zweifel zulässt, er war ein junger Politiker, der immer souverän wirkte, nie zögerte und auf jede Frage eine Antwort hatte“.
Grasser hingegen habe „das Charisma und den Glanz eines Jünglings, der nie gelernt hat, Grenzen zu akzeptieren“. Und Benko schließlich sei „der König im eigenen Reich und davon überzeugt, Gutes zu tun, aber unfähig zur Empathie. Am Ende“, sagt Pichler, „bricht bei allen das Kartenhaus zusammen, weil sie sich
überschätzen und nicht bemerken, wie still es um sie geworden ist.“
Doch Hybris sei keine reine Charakterfrage, ist Tim Graf-Kolvenbach, Arbeitspsychologe und Führungskräftetrainer, der internationale Konzerne wie Mercedes berät, überzeugt. „Auch das System fördert Hybris.
Je weniger jemand hinterfragt wird, desto mehr glaubt er, immer Recht zu haben.“ Mit der Macht wächst die Distanz und mit der Distanz schwindet die Offenheit.
„Je höher jemand aufsteigt, desto seltener hört er Kritik“, sagt Graf-Kolvenbach. „Die Menschen trauen sich irgendwann nicht mehr, den Mund aufzumachen. Die, die führen, hören nur noch das, was sie hören wollen. Und die, die geführt werden, halten sich zurück, weil sie wissen, dass der andere Macht hat.“
Hybris, erklärt er, sei kein plötzlicher Größenwahn, sondern ein langsamer, schleichender Prozess. „Je höher ich aufsteige, desto nachsichtiger werde ich mit mir selbst – und desto strenger mit anderen.“
Viele Führungskräfte, sagt Graf-Kolvenbach, würden mit guten Absichten beginnen. Sie wollen gestalten, etwas verändern. „Aber mit der Zeit verlieren manche den Blick für sich selbst. Sie sitzen an langen Tischen, treffen Entscheidungen allein und merken gar nicht, dass sie den Spiegel verloren haben.“
Den Spiegel vorhalten
Ein Spiegel, fügt der Experte hinzu, könne tatsächlich helfen. „Menschen verhalten sich sozialer, wenn sie sich beobachtet fühlen. Schon ein Spiegel im Raum reicht, um das Bewusstsein für das eigene Verhalten zu aktivieren.“ Damit sich Machtpersonen vor Hybris schützen können, braucht es bewusste Arbeit an sich selbst.
„Führungskräfte sollten Fehler ansprechen, Kritik zulassen und auch einmal zeigen, wenn sie unsicher sind. Souveränität heißt, sagen zu können: ,Ich weiß es gerade nicht.‘“ In Unternehmen könne vorgebeugt werden, ist der Arbeitspsychologe überzeugt. Etwa durch Mitarbeiterbefragungen, Personalvertretungen oder externe Vertrauenspersonen. „Kontrollinstanzen sind ein wichtiger Schutz gegen Machtblindheit“, sagt Graf-Kolvenbach.
Dass machtbesessene Menschen geläutert werden können, bezweifelt der Psychotherapeut Reinhard Pichler. Deshalb dürfte die Untersuchungshaft bei René Benko kaum zur Reue geführt haben.
„Solche Persönlichkeiten“, erklärt er, „neigen dazu, sich das Geschehen im Nachhinein zurechtzulegen. Nicht aus Einsicht, sondern um den eigenen Selbstwert zu stabilisieren. Sie erleben sich dabei häufig selbst als Opfer und empfinden es als zutiefst unfair, wie mit ihnen umgegangen wird.“
Ihm wird betrügerische Krida vorgeworfen, es besteht also der Verdacht, dass er während der Insolvenz Geld verlagert und Vermögenswerte unrechtmäßig beiseite geschafft haben soll. Bei diesem ersten Verfahren geht es um eine mutmaßliche Schadenssumme von 660.000 Euro. Das klingt geradezu läppisch im Vergleich zu jenen Milliarden, über die Benko einst verfügte. Noch vor wenigen Jahren wurde sein Vermögen auf 3,1 Milliarden Euro geschätzt, er rangierte auf Platz acht der reichsten Menschen unseres Landes. Jetzt kämpft der einstige Politliebling, der an der Seite des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz sogar zu Staatsbesuchen mitgereist ist, im Landesgericht Innsbruck um seine Freiheit.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm unter anderem vor, hohe Summen vor dem Zusammenbruch seines Unternehmensimperiums gezielt verschoben zu haben, darunter Vorauszahlungen von mehr als 360.000 Euro für seine Villa auf der Innsbrucker Hungerburg sowie eine 300.000-Euro-Schenkung an seine Mutter.
Sollte sich die Anklage bestätigen, drohen Benko bis zu zehn Jahre Haft. Für den Prozess sind zwei Verhandlungstage angesetzt, acht Zeugen sind geladen. Doch hinter den nüchternen Zahlen und Paragrafen verbirgt sich eine größere Geschichte – die Geschichte der Hybris, jener Überheblichkeit, die bereits in antiken Tragödien stets mit dem Fall des Helden endeten.
Der Mensch überschätzt seine eigene Macht
„Das Wort Hybris stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie Übermut, Anmaßung oder Grenz-
überschreitung“, erklärt der Wiener Psychotherapeut und Unternehmensberater Dr. Reinhard Pichler. „Schon die Dichter der Antike warnten davor, dass der Mensch seine eigene Macht überschätzt.“ Bereits Homer beschrieb in seinen Epen jenen Übermut, mit dem Menschen glaubten, sie könnten sich über die Götter erheben. In der griechischen Tragödie wurde Hybris zum zentralen Motiv. Sie war immer der Anfang vom Ende. Wer sich zu groß machte, den ereilte die Nemesis, die göttliche Strafe.
„Hybris bedeutet nicht nur extreme Selbstüberschätzung“, sagt Pichler, „sondern die Verblendung des Erfolgreichen – jenes gefährliche Gefühl, unantastbar zu sein.“
Für Pichler ist René Benko ein Paradebeispiel moderner Hybris, ein Mann, der aus bescheidenen Verhältnissen kam, Macht und Reichtum zu seinem Lebensprojekt machte und sich schließlich in seinem eigenen System verstrickte.
„Benko hatte mehr als tausend Gesellschaften, um alles zu kontrollieren und gleichzeitig zu verschleiern“, sagt Pichler. „Das zeigt, wie groß seine Angst war, etwas zu verlieren. Hinter der Fassade steckt kein grenzenloser Selbstwert, sondern ein schwacher.“ Hybris, so Pichler, wächst dort, wo Selbstzweifel durch Struktur ersetzt werden. „Er hat es geschafft, sich perfekt darzustellen, ohne besonders reflektiert zu sein. Er glaubte, alles, was er anfasst, werde zu Gold, und die Menschen um ihn herum haben ihn darin bestärkt.“
Narzisstische Persönlichkeiten glauben an ihre eigene Erzählung. Sie fühlen sich missverstanden, verkannt und sind überzeugt, dass die Welt ihnen etwas schuldet.“ Auch Karl-Heinz Grasser und Sebastian Kurz ordnet Pichler in dieses psychologische Muster ein. „Grasser, Kurz, Benko – sie alle haben geglaubt, sie seien die Ausnahme. Sie hielten sich für unersetzlich und umgaben sich mit Lakaien, die ihnen das Gefühl gaben, unfehlbar zu sein.“
Kurz, so Pichler, habe „die Kontrolle perfektioniert – Message Control war sein Prinzip“. Er habe keine offenen Debatten zugelassen und sei stets mit jener absoluten Selbstsicherheit aufgetreten, „die keinen Zweifel zulässt, er war ein junger Politiker, der immer souverän wirkte, nie zögerte und auf jede Frage eine Antwort hatte“.
Grasser hingegen habe „das Charisma und den Glanz eines Jünglings, der nie gelernt hat, Grenzen zu akzeptieren“. Und Benko schließlich sei „der König im eigenen Reich und davon überzeugt, Gutes zu tun, aber unfähig zur Empathie. Am Ende“, sagt Pichler, „bricht bei allen das Kartenhaus zusammen, weil sie sich
überschätzen und nicht bemerken, wie still es um sie geworden ist.“
Doch Hybris sei keine reine Charakterfrage, ist Tim Graf-Kolvenbach, Arbeitspsychologe und Führungskräftetrainer, der internationale Konzerne wie Mercedes berät, überzeugt. „Auch das System fördert Hybris.
Je weniger jemand hinterfragt wird, desto mehr glaubt er, immer Recht zu haben.“ Mit der Macht wächst die Distanz und mit der Distanz schwindet die Offenheit.
„Je höher jemand aufsteigt, desto seltener hört er Kritik“, sagt Graf-Kolvenbach. „Die Menschen trauen sich irgendwann nicht mehr, den Mund aufzumachen. Die, die führen, hören nur noch das, was sie hören wollen. Und die, die geführt werden, halten sich zurück, weil sie wissen, dass der andere Macht hat.“
Hybris, erklärt er, sei kein plötzlicher Größenwahn, sondern ein langsamer, schleichender Prozess. „Je höher ich aufsteige, desto nachsichtiger werde ich mit mir selbst – und desto strenger mit anderen.“
Viele Führungskräfte, sagt Graf-Kolvenbach, würden mit guten Absichten beginnen. Sie wollen gestalten, etwas verändern. „Aber mit der Zeit verlieren manche den Blick für sich selbst. Sie sitzen an langen Tischen, treffen Entscheidungen allein und merken gar nicht, dass sie den Spiegel verloren haben.“
Den Spiegel vorhalten
Ein Spiegel, fügt der Experte hinzu, könne tatsächlich helfen. „Menschen verhalten sich sozialer, wenn sie sich beobachtet fühlen. Schon ein Spiegel im Raum reicht, um das Bewusstsein für das eigene Verhalten zu aktivieren.“ Damit sich Machtpersonen vor Hybris schützen können, braucht es bewusste Arbeit an sich selbst.
„Führungskräfte sollten Fehler ansprechen, Kritik zulassen und auch einmal zeigen, wenn sie unsicher sind. Souveränität heißt, sagen zu können: ,Ich weiß es gerade nicht.‘“ In Unternehmen könne vorgebeugt werden, ist der Arbeitspsychologe überzeugt. Etwa durch Mitarbeiterbefragungen, Personalvertretungen oder externe Vertrauenspersonen. „Kontrollinstanzen sind ein wichtiger Schutz gegen Machtblindheit“, sagt Graf-Kolvenbach.
Dass machtbesessene Menschen geläutert werden können, bezweifelt der Psychotherapeut Reinhard Pichler. Deshalb dürfte die Untersuchungshaft bei René Benko kaum zur Reue geführt haben.
„Solche Persönlichkeiten“, erklärt er, „neigen dazu, sich das Geschehen im Nachhinein zurechtzulegen. Nicht aus Einsicht, sondern um den eigenen Selbstwert zu stabilisieren. Sie erleben sich dabei häufig selbst als Opfer und empfinden es als zutiefst unfair, wie mit ihnen umgegangen wird.“
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