Der Dalai Lama wird 90:
„Ich komme vielleicht als Blondine zurück“
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Seit mehr als 85 Jahren ist Tenzin Gyatso das geistige Oberhaupt Tibets. Im Jahr 1937 erkannten Mönche in dem damals zweijährigen Bauernsohn die Wiedergeburt des 13. Dalai Lama. Der heute im indischen Exil lebende Friedensnobelpreisträger wird auf der ganzen Welt verehrt.
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Ob es einen nächsten Dalai Lama gibt oder nicht, entscheidet das tibetische Volk. Eines Tages wird die Institution ohnehin überflüssig“, glaubte der 14. Dalai Lama noch vor einigen Jahren. Lange ließ er die Frage nach seiner Nachfolge offen. Es könne auch eine blonde Frau sein, aber „dann sollte ihr Gesicht sehr, sehr hübsch sein“, macht Tenzin Gyatso bisweilen sogar Scherze über seine Wiedergeburt. Damit heizte er auch Spekulationen an, dass er der letzte Dalai Lama, was so viel wie „Ozean des Wissens“ bedeutet, sein könnte.
Die sind mittlerweile vom Tisch. In seinem vor Kurzem erschienenen Buch „Eine Stimme für die Entrechteten“ spricht er sich ganz konkret dafür aus, dass „die traditionelle Mission des Dalai Lama fortgeführt werden muss“. Sein Nachfolger solle „die Stimme des universellen Mitgefühls und das Symbol Tibets sein, das die Hoffnungen des tibetischen Volkes verkörpert“.
Der Dalai Lama kündigte auch an, schriftliche Anweisungen zu hinterlassen, wie sein Nachfolger gefunden und anerkannt werden soll. Er selbst wurde im Alter von zwei Jahren von tibetischen Mönchen als Reinkarnation des im Jahr 1933 verstorbenen 13. Dalai Lamas erkannt. Eine Reihe von Anzeichen – eines betraf den einbalsamierten Körper seines Vorgängers, dessen nach Süden gerichteter Kopf sich während des Mumifizierungsprozesses nach Nordosten drehte – hatte den Suchtrupp damals in das Dorf Taktser in der nordosttibetischen Provinz Amdo geführt.
„Öffne der Veränderung deine Arme, aber verliere dabei deine Werte nicht aus den Augen.“
Dort hatte Lhamo Thondup, wie der Geburtsname des heutigen Dalai Lama lautete, am 6. Juli 1935 als Sohn einfacher Bauern das Licht der Welt erblickt. „Natürlich konnte kein Mensch ahnen, dass ich kein gewöhnliches Baby war. Es war fast unvorstellbar, dass es in einer Familie mehr als einen Tulku (Reinkarnation eines großen Meisters aus der Vergangenheit) geben könnte, und meine Eltern dachten natürlich nicht einmal im Traum daran, dass man mich einmal zum Dalai Lama ernennen würde“, erzählte er später. Zwei seiner Brüder galten ebenfalls als bewusste Wiedergeburten hoher Lamas, wie die spirituellen Lehrer im tibetischen Buddhismus heißen.
„Als Kleinkind war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, Dinge in eine Tasche zu packen, als wollte ich auf eine weite Reise gehen. Ich fahre nach Lhasa, sagte ich dann. Daraus und dass ich darauf bestand, immer am Kopf des Tisches zu sitzen, schloss man später, dass ich bereits ahnte, zu Höherem bestimmt zu sein“, erzählt der Religionsführer in der reichbebilderten Biografie „Dalai Lama“ (Insel-Verlag, € 32,–), die dessen langjähriger Sekretär und Wegbegleiter Tenzin Geyche Tethong verfasst hat. Auch die damalige Auffindung des spirituellen Oberhauptes wird darin geschildert.
Als der Suchtrupp 1937 auf den zukünftigen Dalai Lama stieß, wurde er einer genauen Prüfung unterzogen. Die Mönche legten dem zweijährigen Buben verschiedene Gegenstände vor, darunter etwa zwei Gebetsketten – die echte des 13. Dalai Lama und eine Kopie. Der Kleine griff, ohne zu zögern, nach der richtigen Kette und legte sie sich um den Hals.
„In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz.“
Er erkannte auch die anderen persönlichen Dinge des verstorbenen Dalai Lama. Und schon bald wurde der kleine Bub aus Taktser offiziell als der neue Dalai Lama anerkannt und in ein Kloster gebracht.
„Diese Zeit ohne Eltern in einer ungewohnten Umgebung ist eine ziemlich unglückliche Phase in meinem Leben gewesen“, erinnert sich der Dalai Lama. Es sollte dann noch bis zum Sommer 1939 dauern, bis er seine Reise nach Lhasa, der Hauptstadt des damals noch unabhängigen Tibets antreten konnte.
Im Februar 1940, noch keine fünf Jahre alt, wurde der Bub auf den Goldenen Thron gesetzt und galt nun offiziell als geistiges Oberhaupt der Tibeter.
„Teile dein Wissen mit anderen, dies ist eine gute Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen.“
Es folgte die Weihe zum Novizen. Aus Lhamo Thondup wurde der Mönch Jamphel Ngawang Lobsang Yeshe Tenzin Gyatso. „Von da an musste ich der buddhistischen Tradition entsprechend mein Haar stets rasieren und eine rote Mönchsrobe tragen.“ Das Leben des jungen Dalai Lama war stark reglementiert, dazu gehörte auch eine harte und umfangreiche Ausbildung. Seine Studienfächer waren Logik, die schönen Künste, Grammatik des Sanskrit sowie Medizin. Der Schwerpunkt lag jedoch auf der buddhistischen Philosophie.
Obwohl der Dalai Lama als Symbol des Friedens und der Gewaltlosigkeit gilt, musste er schon in jungen Jahren die Unterdrückung der tibetischen Kultur und Religion durch die Chinesen miterleben. Im Jahr 1950 begann die chinesische Volksbefreiungsarmee mit der Eroberung Tibets. Die Regierung übertrug daraufhin dem 15jährigen Dalai Lama die volle weltliche Macht über das Land.
Am 23. Mai 1951 unterzeichneten Vertreter Chinas und Tibets das sogenannte 17-Punkte-Abkommen, mit dem Tibet unter die Kontrolle Pekings fiel. In den darauffolgenden Jahren versuchte der Dalai Lama, die vollständige militärische Machtübernahme Tibets durch die Chinesen zu verhindern und den zunehmenden Unmut der tibetischen Widerstandskämpfer gegen die chinesischen Aggressoren zu besänftigen. Im Jahr 1954 traf er sich sogar mit dem chinesischen Führer Mao Zedong.
Die Gewalt gegen die Tibeter nahm aber immer mehr zu und schließlich blieb dem Gottkönig nur noch die Flucht aus Tibet. Als Soldat verkleidet, verließ der damals 23jährige am 17. März 1959 den Palast in Lhasa. An seiner Seite waren sein 13jähriger Bruder Tendzin Choegya, seine Mutter und Schwestern.
„Wir mussten an der chinesischen Garnison vorbei und wussten nicht, ob wir den nächsten Tag erleben würden. Erst als wir den Gipfel des Passes Che La erreichten, hatten wir das Gefühl, der unmittelbaren Gefahr entronnen zu sein“, erinnert sich der Dalai Lama in seiner Biografie. Mit einem letzten Blick auf Lhasa brach die Truppe auf in Richtung Freiheit. Drei Wochen lang dauerte die Reise nach Indien, wo dem tibetischen Oberhaupt und dessen Gefolge Asyl gewährt wurde.
Nach der Flucht des Dalai Lama brach der Aufstand in Lhasa offen aus. Doch die Tibeter hatten keine Chance gegen die besser ausgerüsteten Chinesen. Bei der Militäraktion kamen zehntausende Tibeter ums Leben.
Schon bald ließ sich der Dalai Lama in Nordindien, in Dharamsala, am Fuße der Himalaya-Berge nieder, wo er heute noch lebt. Im Exil appellierte die unter seiner Führung stehende Tibetische Zentralverwaltung an die Vereinten Nationen, sich des Tibetproblems anzunehmen.
Immer wieder versuchte der Dalai Lama auch später, auf China zuzugehen. Als es etwa 1987 in Lhasa zu Demonstrationen und Unruhen der Tibeter gegen die Besatzer kam, legte er China einen Fünf-Punkte-Friedensplan vor. Die Regierung Chinas lehnte ihn ab.
„Die Liebe und das Mitgefühl sind die Grundlagen für den Weltfrieden – auf allen Ebenen.“
Bei Unruhen im Jahr 1988, bei denen auch tibetische Mönche brutal zusammengeschlagen wurden, versuchte der Dalai Lama es mit einem weiteren Friedensangebot an China und forderte eine vertraglich zugesicherte Autonomie Tibets. Wieder ohne Erfolg.
Für seine stetigen Bemühungen, mit friedlichen Mitteln auf die Unterdrückung Tibets aufmerksam zu machen, erhielt der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis. „Ich bin sehr dankbar für die Anerkennung meiner Überzeugungen“, sagte er bei der Verleihung. Er sei jedoch nichts Besonderes, nur ein einfacher buddhistischer Mönch. „Nicht mehr und nicht weniger.“
Bis heute setzt sich der Religionsführer für einen friedfertigen, konstruktiven Dialog ein. Auch auf seinen Reisen, die ihn rund um den Globus führten. Im Jahr 1973, er war das erste Mal in Europa, kam es zu einem Treffen mit Papst Paul VI., dem damaligen Oberhaupt der katholischen Kirche. „Wir übernachteten in einem Kloster in Rom (I). Die Wohnräume waren spartanisch, aber die Küche war, anders als in unseren Klöstern, hochmodern. Es erstaunte mich, dass zu den Mahlzeiten Wein serviert wurde, denn tibetische Mönche dürfen keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen“, erzählt er in seinen Erinnerungen.
Auch in unserem Land war der „Ozean des Wissens“ öfter zu Gast, zuletzt im Jahr 2012. Zum 80. und 90. Geburtstag seines Freundes Heinrich Harrer (1912–2006) besuchte der Dalai Lama 1992 und 2002 auch Kärnten. Die beiden Männer verband eine langjährige Freundschaft, seit der Bergsteiger 1946 nach der Flucht aus einem britischen Kriegsgefangenenlager in Tibet aufgetaucht war. Der Kärntner wurde zum Mentor und Vertrauten des jungen Dalai Lama. Harrers Buch „Sieben Jahre in Tibet“ wurde im Jahr 1997 mit Brad Pitt in der Hauptrolle sogar verfilmt.
Im Jahr 2011 zog sich der Dalai Lama aus der aktiven Politik zurück und ist seitdem nur noch das geistige Oberhaupt der Tibeter. Trotz seines hohen Lebensalters – am Sonntag feiert er nun seinen 90. Geburtstag –, hat sich der Dalai Lama seine Disziplin bewahrt.
„Der Dalai Lama steht immer recht früh auf und versucht abends, so zeitig wie möglich zur Ruhe zu kommen“, heißt es aus dem Büro seiner Heiligkeit. Zu Hause in Dharamsala beginnt sein Tag um drei Uhr früh. Der morgendlichen Dusche folgen Gebete und Meditationen. „Um fünf Uhr macht er einen kurzen Rundgang über das Gelände seiner Residenz. Bei Regenwetter absolviert er seinen Spaziergang auf einem Laufband. Das Frühstück – heißer Porridge, Brot mit Marmelade und Tee – wird um fünf Uhr dreißig serviert. „Dabei hört er immer die BBC News (englischer Nachrichtensender) im Radio.“
Danach folgen das Studium verschiedener Texte buddhistischer Meister sowie Audienzen und Besprechungen. Zu Mittag isst der Dalai Lama meist vegetarisch. Gemäß den strengen buddhistischen Ordensregeln gibt es kein Abendessen und gegen 19 Uhr geht er zu Bett.
„Laut meinen Ärzten werde ich 100 Jahre alt.“ Seinen Träumen zufolge werde er sogar 113. „Aber hundert sind, denke ich, sicher“, sagt der Dalai Lama schmunzelnd. rz
Die sind mittlerweile vom Tisch. In seinem vor Kurzem erschienenen Buch „Eine Stimme für die Entrechteten“ spricht er sich ganz konkret dafür aus, dass „die traditionelle Mission des Dalai Lama fortgeführt werden muss“. Sein Nachfolger solle „die Stimme des universellen Mitgefühls und das Symbol Tibets sein, das die Hoffnungen des tibetischen Volkes verkörpert“.
Der Dalai Lama kündigte auch an, schriftliche Anweisungen zu hinterlassen, wie sein Nachfolger gefunden und anerkannt werden soll. Er selbst wurde im Alter von zwei Jahren von tibetischen Mönchen als Reinkarnation des im Jahr 1933 verstorbenen 13. Dalai Lamas erkannt. Eine Reihe von Anzeichen – eines betraf den einbalsamierten Körper seines Vorgängers, dessen nach Süden gerichteter Kopf sich während des Mumifizierungsprozesses nach Nordosten drehte – hatte den Suchtrupp damals in das Dorf Taktser in der nordosttibetischen Provinz Amdo geführt.
„Öffne der Veränderung deine Arme, aber verliere dabei deine Werte nicht aus den Augen.“
Dort hatte Lhamo Thondup, wie der Geburtsname des heutigen Dalai Lama lautete, am 6. Juli 1935 als Sohn einfacher Bauern das Licht der Welt erblickt. „Natürlich konnte kein Mensch ahnen, dass ich kein gewöhnliches Baby war. Es war fast unvorstellbar, dass es in einer Familie mehr als einen Tulku (Reinkarnation eines großen Meisters aus der Vergangenheit) geben könnte, und meine Eltern dachten natürlich nicht einmal im Traum daran, dass man mich einmal zum Dalai Lama ernennen würde“, erzählte er später. Zwei seiner Brüder galten ebenfalls als bewusste Wiedergeburten hoher Lamas, wie die spirituellen Lehrer im tibetischen Buddhismus heißen.
„Als Kleinkind war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, Dinge in eine Tasche zu packen, als wollte ich auf eine weite Reise gehen. Ich fahre nach Lhasa, sagte ich dann. Daraus und dass ich darauf bestand, immer am Kopf des Tisches zu sitzen, schloss man später, dass ich bereits ahnte, zu Höherem bestimmt zu sein“, erzählt der Religionsführer in der reichbebilderten Biografie „Dalai Lama“ (Insel-Verlag, € 32,–), die dessen langjähriger Sekretär und Wegbegleiter Tenzin Geyche Tethong verfasst hat. Auch die damalige Auffindung des spirituellen Oberhauptes wird darin geschildert.
Als der Suchtrupp 1937 auf den zukünftigen Dalai Lama stieß, wurde er einer genauen Prüfung unterzogen. Die Mönche legten dem zweijährigen Buben verschiedene Gegenstände vor, darunter etwa zwei Gebetsketten – die echte des 13. Dalai Lama und eine Kopie. Der Kleine griff, ohne zu zögern, nach der richtigen Kette und legte sie sich um den Hals.
„In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz.“
Er erkannte auch die anderen persönlichen Dinge des verstorbenen Dalai Lama. Und schon bald wurde der kleine Bub aus Taktser offiziell als der neue Dalai Lama anerkannt und in ein Kloster gebracht.
„Diese Zeit ohne Eltern in einer ungewohnten Umgebung ist eine ziemlich unglückliche Phase in meinem Leben gewesen“, erinnert sich der Dalai Lama. Es sollte dann noch bis zum Sommer 1939 dauern, bis er seine Reise nach Lhasa, der Hauptstadt des damals noch unabhängigen Tibets antreten konnte.
Im Februar 1940, noch keine fünf Jahre alt, wurde der Bub auf den Goldenen Thron gesetzt und galt nun offiziell als geistiges Oberhaupt der Tibeter.
„Teile dein Wissen mit anderen, dies ist eine gute Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen.“
Es folgte die Weihe zum Novizen. Aus Lhamo Thondup wurde der Mönch Jamphel Ngawang Lobsang Yeshe Tenzin Gyatso. „Von da an musste ich der buddhistischen Tradition entsprechend mein Haar stets rasieren und eine rote Mönchsrobe tragen.“ Das Leben des jungen Dalai Lama war stark reglementiert, dazu gehörte auch eine harte und umfangreiche Ausbildung. Seine Studienfächer waren Logik, die schönen Künste, Grammatik des Sanskrit sowie Medizin. Der Schwerpunkt lag jedoch auf der buddhistischen Philosophie.
Obwohl der Dalai Lama als Symbol des Friedens und der Gewaltlosigkeit gilt, musste er schon in jungen Jahren die Unterdrückung der tibetischen Kultur und Religion durch die Chinesen miterleben. Im Jahr 1950 begann die chinesische Volksbefreiungsarmee mit der Eroberung Tibets. Die Regierung übertrug daraufhin dem 15jährigen Dalai Lama die volle weltliche Macht über das Land.
Am 23. Mai 1951 unterzeichneten Vertreter Chinas und Tibets das sogenannte 17-Punkte-Abkommen, mit dem Tibet unter die Kontrolle Pekings fiel. In den darauffolgenden Jahren versuchte der Dalai Lama, die vollständige militärische Machtübernahme Tibets durch die Chinesen zu verhindern und den zunehmenden Unmut der tibetischen Widerstandskämpfer gegen die chinesischen Aggressoren zu besänftigen. Im Jahr 1954 traf er sich sogar mit dem chinesischen Führer Mao Zedong.
Die Gewalt gegen die Tibeter nahm aber immer mehr zu und schließlich blieb dem Gottkönig nur noch die Flucht aus Tibet. Als Soldat verkleidet, verließ der damals 23jährige am 17. März 1959 den Palast in Lhasa. An seiner Seite waren sein 13jähriger Bruder Tendzin Choegya, seine Mutter und Schwestern.
„Wir mussten an der chinesischen Garnison vorbei und wussten nicht, ob wir den nächsten Tag erleben würden. Erst als wir den Gipfel des Passes Che La erreichten, hatten wir das Gefühl, der unmittelbaren Gefahr entronnen zu sein“, erinnert sich der Dalai Lama in seiner Biografie. Mit einem letzten Blick auf Lhasa brach die Truppe auf in Richtung Freiheit. Drei Wochen lang dauerte die Reise nach Indien, wo dem tibetischen Oberhaupt und dessen Gefolge Asyl gewährt wurde.
Nach der Flucht des Dalai Lama brach der Aufstand in Lhasa offen aus. Doch die Tibeter hatten keine Chance gegen die besser ausgerüsteten Chinesen. Bei der Militäraktion kamen zehntausende Tibeter ums Leben.
Schon bald ließ sich der Dalai Lama in Nordindien, in Dharamsala, am Fuße der Himalaya-Berge nieder, wo er heute noch lebt. Im Exil appellierte die unter seiner Führung stehende Tibetische Zentralverwaltung an die Vereinten Nationen, sich des Tibetproblems anzunehmen.
Immer wieder versuchte der Dalai Lama auch später, auf China zuzugehen. Als es etwa 1987 in Lhasa zu Demonstrationen und Unruhen der Tibeter gegen die Besatzer kam, legte er China einen Fünf-Punkte-Friedensplan vor. Die Regierung Chinas lehnte ihn ab.
„Die Liebe und das Mitgefühl sind die Grundlagen für den Weltfrieden – auf allen Ebenen.“
Bei Unruhen im Jahr 1988, bei denen auch tibetische Mönche brutal zusammengeschlagen wurden, versuchte der Dalai Lama es mit einem weiteren Friedensangebot an China und forderte eine vertraglich zugesicherte Autonomie Tibets. Wieder ohne Erfolg.
Für seine stetigen Bemühungen, mit friedlichen Mitteln auf die Unterdrückung Tibets aufmerksam zu machen, erhielt der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis. „Ich bin sehr dankbar für die Anerkennung meiner Überzeugungen“, sagte er bei der Verleihung. Er sei jedoch nichts Besonderes, nur ein einfacher buddhistischer Mönch. „Nicht mehr und nicht weniger.“
Bis heute setzt sich der Religionsführer für einen friedfertigen, konstruktiven Dialog ein. Auch auf seinen Reisen, die ihn rund um den Globus führten. Im Jahr 1973, er war das erste Mal in Europa, kam es zu einem Treffen mit Papst Paul VI., dem damaligen Oberhaupt der katholischen Kirche. „Wir übernachteten in einem Kloster in Rom (I). Die Wohnräume waren spartanisch, aber die Küche war, anders als in unseren Klöstern, hochmodern. Es erstaunte mich, dass zu den Mahlzeiten Wein serviert wurde, denn tibetische Mönche dürfen keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen“, erzählt er in seinen Erinnerungen.
Auch in unserem Land war der „Ozean des Wissens“ öfter zu Gast, zuletzt im Jahr 2012. Zum 80. und 90. Geburtstag seines Freundes Heinrich Harrer (1912–2006) besuchte der Dalai Lama 1992 und 2002 auch Kärnten. Die beiden Männer verband eine langjährige Freundschaft, seit der Bergsteiger 1946 nach der Flucht aus einem britischen Kriegsgefangenenlager in Tibet aufgetaucht war. Der Kärntner wurde zum Mentor und Vertrauten des jungen Dalai Lama. Harrers Buch „Sieben Jahre in Tibet“ wurde im Jahr 1997 mit Brad Pitt in der Hauptrolle sogar verfilmt.
Im Jahr 2011 zog sich der Dalai Lama aus der aktiven Politik zurück und ist seitdem nur noch das geistige Oberhaupt der Tibeter. Trotz seines hohen Lebensalters – am Sonntag feiert er nun seinen 90. Geburtstag –, hat sich der Dalai Lama seine Disziplin bewahrt.
„Der Dalai Lama steht immer recht früh auf und versucht abends, so zeitig wie möglich zur Ruhe zu kommen“, heißt es aus dem Büro seiner Heiligkeit. Zu Hause in Dharamsala beginnt sein Tag um drei Uhr früh. Der morgendlichen Dusche folgen Gebete und Meditationen. „Um fünf Uhr macht er einen kurzen Rundgang über das Gelände seiner Residenz. Bei Regenwetter absolviert er seinen Spaziergang auf einem Laufband. Das Frühstück – heißer Porridge, Brot mit Marmelade und Tee – wird um fünf Uhr dreißig serviert. „Dabei hört er immer die BBC News (englischer Nachrichtensender) im Radio.“
Danach folgen das Studium verschiedener Texte buddhistischer Meister sowie Audienzen und Besprechungen. Zu Mittag isst der Dalai Lama meist vegetarisch. Gemäß den strengen buddhistischen Ordensregeln gibt es kein Abendessen und gegen 19 Uhr geht er zu Bett.
„Laut meinen Ärzten werde ich 100 Jahre alt.“ Seinen Träumen zufolge werde er sogar 113. „Aber hundert sind, denke ich, sicher“, sagt der Dalai Lama schmunzelnd. rz
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