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Ausgabe Nr. 25/2025 vom 16.06.2025, Fotos: ALEX HALADA / AFP / picturedesk.com, zvg, Quelle: BMI, Registrierte Waffen
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Einen Tag nach dem Amoklauf, wurden an einer provisorischen Gedenkstätte vor der Schule Blumen und Kerzen niedergelegt.
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So hat die deutsche „Bild“-Zeitung getitelt.
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Weg mit den Waffen
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Mehr als 1,5 Millionen Pistolen und Gewehre liegen in den heimischen Häusern und Wohnungen. Nach dem dramatischen Schul-Amoklauf in Graz werden Forderungen nach einem Schusswaffen-Verbot für Private lauter. Die Meinungen darüber sind geteilt.
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Das Grauen dauerte sieben Minuten. Die Nachwirkungen bleiben ewig. Kurz vor zehn Uhr betrat der 21jährige Arthur A. seine ehemalige Schule, das Bundesoberstufenrealgymnasium (BORG) Dreierschützengasse in Graz. Im Rucksack hatte er neben einem Jagdmesser „eine Pistole der Marke Glock 19 und eine am Schaft abgesägte Bockdoppelflinte der Marke Mercury“, erklärte Michael Lohnegger, der Leiter des Landeskriminalamtes Steiermark vergangene Woche.

Nachdem sich der Täter in einer Toilettenanlage bewaffnet hatte, eröffnete er das Feuer – kaltblütig. Auf eine versperrte Klassentür schoss er so lange, bis er sie öffnen konnte. Neun Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren wurden ermordet, ebenso eine Lehrerin, 59. Das Massaker am 10. Juni forderte zudem elf zum Teil schwer Verletzte. Danach richtete sich der 21jährige selbst.

Die beiden Waffen hat der Täter legal besessen. Obwohl er bei seiner Stellung im Jahr 2021 als „psychisch untauglich für den Wehrdienst“ befunden wurde, bestätigt ein Bundesheersprecher. Die Weitergabe der Daten an Dritte sei dem Bundesheer nicht erlaubt. Zivildiener hingegen sind automatisch mit einem 15jährigen Waffenverbot belegt. Jedoch dürfen sie Gewehre, die nicht genehmigungspflichtig sind, kaufen.

Nur Polizei soll Waffen tragen, keine Privatpersonen

Noch am Abend des erschütternden Amoklaufs sagte die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr in einem Fernseh-Interview: „Ich finde, dass Waffenscheine zu schnell vergeben werden.“ Aus ihrer Sicht sollten Waffen „nur unsere Polizei tragen und keine Privatpersonen.“

Auch Grünen-Chef Werner Kogler will ein privates Waffenverbot, „aber natürlich mit sinnvollen Ausnahmen für Jäger und für Sportschützen.“

Waffen verursachen viel Leid, deshalb forderte schon die spätere Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner vor mehr als 100 Jahren in ihrem gleichnamigen Roman – „Die Waffen nieder“. Dieser Satz ist angesichts der steigenden Zahl an Gewalttaten immer noch relevant für Debatten über Krieg und Sicherheit.

In Großbritannien etwa wurde nach dem Schulmassaker im schottischen Dublane der Privatbesitz von Faustfeuerwaffen und halbautomatischen Waffen verboten. Im Jahr 1996 erschoss ein 43jähriger Mann in der Turnhalle der Volksschule 16 Schüler und deren Lehrerin. „Meine fünfjährige Tochter Sophie war eines der 16 Kinder, die an jenem Tag getötet wurden“, erzählt ihr Vater Mick North.

Er setzte sich danach für ein strengeres Waffengesetz ein. „Sie alle starben innerhalb von drei Minuten durch die Hände eines Waffenfreundes, der die Schüsse aus einer Pistole abgab, die sich legal in seinem Besitz befand.“ Einer der ersten Gedanken der Familien in Dunblane sei gewesen, „dass wir keinem wünschten, das durchzumachen, was uns widerfahren war. Innerhalb von ein paar Wochen riefen wir eine Kampagne für das Verbot des privaten Besitzes von Faustfeuerwaffen ins Leben.“ Mit Erfolg, denn 1997 wurden zwei entsprechende Gesetze verabschiedet.

Allerdings vergeht in Großbritannien kaum eine Woche, in der nicht von Messer-Angriffen berichtet wird, auch in Schulen. Die Kritik, dass Täter „andere Mittel wählen könnten, um Schaden anzurichten, lässt außer Acht, wie gefährlich Schusswaffen sind“, sagt Mick North.

Psycho-Tests verschärfen, Gutachter überprüfen

Auch in Deutschland wurden nach zwei Schul-Amokläufen mit 17 und 16 Toten die Waffengesetze verschärft. In Serbien kam es 2023 zu zwei Amokläufen innerhalb von zwei Tagen. Unter anderem erschoss ein 13jähriger mit der Pistole seines Vaters acht Mitschüler und den Schul-Wachmann. Die Regierung initiierte danach eine Entwaffnungskampagne. Zehntausende Bürger gaben freiwillig ihre Waffen ab.

Davon kann in den USA keine Rede sein. Immer wieder machen Schul-Massaker traurige Schlagzeilen. Statt die liberalen Waffengesetze zu ändern, gibt es dort in den Schulen Metalldetektoren, Überwachungskameras oder kugelsichere Türen.

Hierzulande wird ebenfalls in die Sicherheit investiert. Es gibt Schulneubauten, in denen Klassentüren von außen nur mit digitaler Zugangskarte geöffnet werden können. In größeren Schulen gibt es Portierslogen.

Die politische Debatte über schärfere Waffengesetze oder – wie von KPÖ und Grünen gefordert – ein komplettes Waffenverbot hat Fahrt aufgenommen. Das hält der Waffenhändler Dipl.-Ing. Markus Schwaiger aber für nicht sinnvoll. „Amokläufe wird man nie damit verhindern können. Dann müsste ich auch verbieten, dass Menschen Küchenmesser haben, deren Klinge länger als drei Zentimeter ist.“

Im Fall des 21jährigen Amokschützen in Graz stelle er sich vielmehr die Frage, „wie der zu einem positiven psychologischen Gutachten kam.“ Das brauchte Arthur A., um eine Waffenbesitzkarte (WBK) zu bekommen. So ein Gutachten darf ohnehin nicht jeder Psychologe ausstellen. „Der muss mindestens zehn Jahre praktizieren, einen Antrag stellen, um in die Liste der zertifizierten Gutachter aufgenommen zu werden, und regelmäßige Fortbildungen absolvieren.“

Natürlich sei ihm schon zu Ohren gekommen, dass es in der Branche auch schwarze Schafe gibt, die beim Gutachten für einen Extra-Hunderter beide Augen zudrücken. „Das darf einfach nicht sein, da geht es um Schusswaffen und nicht um Kaugummi“, meint der Waffen-Experte empört. Daher fordert Schwaiger, die Sachverständigen zu überprüfen.

Er selbst habe jede Woche mindestens einen Kunden im Geschäft, dem er keine Waffe verkaufe, weil er auf den ersten Blick sieht, dass „der nicht ganz dicht ist. Wer nicht kapiert, wie eine Waffe aufzubewahren ist, welche Kategorien es gibt und wie die gesetzlichen Bedingungen sind, soll keine Waffe kriegen.“

Viel zu lasch sei der Umgang mit den sogenannten Kategorie-C-Waffen, also Jagdgewehren oder Schrotflinten. Mit seiner Meinung, dass es Schwachsinn sei, „einem 18jährigen einfach eine Waffe dieser Kategorie in die Hand zu drücken“, erntet Schwaiger aber immer wieder Kritik von den Branchenkollegen.

Denn wenn kein Waffenverbot vorliegt, kann jeder, der älter als 18 Jahre ist, ohne WBK und nach einer dreitägigen „Abkühlphase“ (Wartefrist) so eine Waffe erwerben. Bei einem Kauf zwischen Privaten gibt es diese Wartefrist nicht. Und auch keine Überprüfung eines etwaigen Waffenverbotes.

Maßnahmenpaket der Regierung nach Amoklauf

Ähnliches wie den Stufenführerschein für Fahranfänger könnte sich Schwaiger auch für Bewerber um einen Waffenschein vorstellen. Ein 21jähriger könne sich dann zwar die Waffe kaufen, darf sie aber die ersten ein, zwei Jahre nicht mit nach Hause nehmen, sondern müsste sie beim Waffenhändler oder im Schützenverein lagern.“

Verbrechen, sagt er, würden aber zumeist mit illegalen Waffen begangen. Und davon gebe es laut Schwaiger „unfassbar viele“ im Land. Da helfe auch keine Verschärfung des Waffengesetzes.

Die ist aber längst in Arbeit. Laut Kanzler Christian Stocker wird ein umfangreiches Maßnahmenpaket der
Regierung „zur Prävention von Gewalttaten durch Schusswaffen beitragen“. Unter anderem sollen das Alter für den Waffenerwerb deutlich angehoben, die psychologischen Tests verschärft – wer durchfällt, wird langfristig für Waffenbesitz gesperrt – und die Daten der Stellungskommission des Heeres weitergegeben werden.
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