Anmelden
Abonnieren
Ausgabe Nr. 24/2025 vom 10.06.2025, Fotos: picturedesk.com, ​AdobeStock, Literaturmuseum Altaussee
Artikel-Bild
Gustav Klimt in seinem Ruderboot am Attersee.
Artikel-Bild
Die Villa in Bad Ischl vom Kaiser Franz Joseph.
Artikel-Bild
Altausseer See.
Artikel-Bild
Theodor Herzl mit dem Fahrrad unterwegs.
Artikel-Bild
Arthur Schnitzler liebten die Ruhe am Altausseer See.
Der Sommerfrische auf der Spur: „Ich sehne mich hinaus wie noch nie ...“
Jetzt neu: Hier klicken
und Artikel an Freunde verschenken.
… schrieb der Maler Gustav Klimt im Jahr 1901 in Vorfreude auf den Attersee (OÖ). Künstler, Intellektuelle und Adelige zog es damals ins Salzkammergut, das nicht umsonst als Wiege der Sommerfrische gilt. Bis heute stillen Urlauber hier ihre Sehnsucht nach Landleben und Idylle.
Auf Play drücken
um Artikel vorlesen
zu lassen.
Der gemeine Sommerfrischler (Homo urbifugus) ist eine in der ganzen civilisirten Welt verbreitete Species, die in der heißen Jahreszeit, insbesondere in der Nähe größerer Städte, massenhaft auftritt. Er bewohnt mit Vorliebe Landstriche mit üppiger Vegetation an Fluß- oder Seeufern, da er sich den größten Theil des Tages im Grünen, am oder im Wasser aufhält“, hieß es 1887 in einem satirischen Artikel der Zeitschrift „Wiener Caricaturen“.

Tatsächlich dürften schon die alten Römer die heißen Sommer in der Frische der Berge verbracht und sich besonders von den reizvollen Seenlandschaften unseres Landes angezogen gefühlt haben. Vor rund 2.000 Jahren entstand etwa eine luxuriöse Villenanlage am Ostufer des Attersees (OÖ). Deren Überreste, unter anderem mehrere Mosaikböden und auch ein 3D-Modell der römischen „Villa mit Seeblick“ können in einer Ausstellung in Weyregg am Attersee besichtigt werden.

Mit der Eisenbahn kam der Fremdenverkehr in Schwung

Richtig populär wurde die sommerliche „Landflucht“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wird der Begriff Sommerfrische definiert als „die Landlust der Städter im Sommer“.

Zunächst war es der Adel, der die kühle Landluft der sommerlichen Hitze in der Stadt vorzog. Damals war es üblich, den kompletten Hausstand in die Sommerresidenzen zu übersiedeln. Später folgten die Künstler und Intellektuellen und irgendwann leisteten sich auch weniger wohlhabende Bürger einen Aufenthalt auf dem Land.

Als Wiege der klassischen Sommerfrische gilt dabei das Salzkammergut – eine Region, die sich über die Bundesländer Oberösterreich, Salzburg und Steiermark erstreckt. „Wir sind der schönen Gegend wegen so langsam gereist, dass wir erst zwei Tage hier sind“, schrieb der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769–1859) bereits 1797 in einem Brief über seine Reise ins Salzkammergut – damals noch mit der Pferdekutsche.

Mit dem Aufkommen der Eisenbahn wurden die ländlichen Regionen dann auch für breite Bevölkerungsschichten schnell und komfortabel erreichbar. Etwa die Region Attersee-Attergau im oberösterreichischen Salzkammergut. Und schon bald wurde der türkisblaue See zum Sehnsuchtsort vieler Sommerfrischler. Auch der Komponist Gustav Mahler (1860–1911) weilte hier vier Sommer lang. 1893 kam er zum ersten Mal nach Steinbach am Attersee und stieg dort im „Gasthaus zum Höllengebirge“ ab. In den folgenden Sommern wurde ein eigens errichtetes Komponierhäuschen direkt am See zur idealen Schaffenswerkstatt für Mahler, der dort – inspiriert von der paradiesischen Atterseelandschaft – Teile der Zweiten und die gesamte Dritte Symphonie schuf.

Ein paar Jahre später entdeckte ein weiterer Künstler das glasklare Gewässer mit der bezaubernden Naturlandschaft rundum, der Maler Gustav Klimt (1862–1918). Er gilt als der bedeutendste Vertreter des Wiener Jugendstils und verbrachte die Sommermonate zwischen 1900 und 1916 regelmäßig an seinem „Lieblingssee“. Dort fand er Ruhe und Inspiration und schuf 40 seiner rund 55 Landschaftsbilder, etwa „Litzlberg am Attersee“ oder „Schloss Kammer“.

Auf der Suche nach Ruhe und Entschleunigung

Für den geborenen Wiener waren die Sommer in der Stadt unerträglich. „Entsetzlich scheußlich hier in Wien. Alles verdorrt, heiß, greulich, dazu die viele Arbeit, der ,Rummel‘. Ich sehne mich hinaus wie noch nie – hoffe bestimmt längstens Samstag früh bei Euch zu sein“, schrieb Klimt 1901 an seine langjährige Partnerin und Muse Emilie Flöge (1874–1952).

Im Jahr davor verbrachte er erstmals den Sommer am Attersee – gemeinsam mit Flöge und deren Familie. Der Maler lebte zunächst in Litzlberg bei Seewalchen, ab 1908 dann in Kammer.

Klimt liebte die Vielfalt der Landschaft, die Berge und die üppigen Blumengärten. Neben der Malerei schwamm und ruderte er, um ein paar Kilo abzunehmen.

Denn Klimt neigte, wie er selbst sagte, „zum Ansetzen“. Vor allem deftige Hausmannskost wie Schweinsbraten mit Kraut und Knödeln hatten es ihm angetan. „Klimt hat damals den Attersee als Rückzugsort verwendet. Er wollte nicht in der Öffentlichkeit stehen. Und es war auch nicht so, dass der Attersee damals mit ihm für die Sommerfrische geworben hat“, sagt Mag. Evelyn Obermaier, die Obfrau des Vereines „Klimt am Attersee“. Die Einheimischen hätten gar nicht genau gewusst, wer „der Mann im bodenlangen Malerkittel eigentlich ist, nannten ihn den Waldschrat“.

Heute sei das anders, weil Klimt aufgrund seiner weltweiten Bedeutung ein Riesenthema am Attersee ist. „Wir sehen das bei uns im Klimt-Zentrum, da kommen Menschen aus der ganzen Welt.“ Der Künstler wird in der Region auch mit einem Themenweg – der unter anderem auch an seinen Sommerdomizilen vorbeiführt – und einem Klimt-Garten gewürdigt. „Er war begeistert von der floralen Farbenpracht und wurde auch der ,Maler des ewigen Blühens‘ genannt. Im Garten vor dem Museum wurden sechs Hochbeete nach Klimt-Motiven bepflanzt.“

Sommerfrische war für den Kaiser der irdische Himmel

An den Attersee zog es neben den Künstlern auch das jüdische Großbürgertum, wovon heute noch viele Villen zeugen. „Da waren prominente Familien darunter, die vieles am Attersee gefördert haben. Die haben sich gefreut, wenn sie im Ort als Mäzene bekannt waren.“

Heute sei das anders. Immer noch leben „berühmte und begüterte Menschen rund um den See, aber die wollen lieber anonym und unter sich bleiben“, weiß Obermaier.

Das hätte sich Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) damals sicher auch gewünscht. Er war wahrscheinlich einer der ersten Sommerfrischler des Salzkammergutes. „Ab 1849 verbrachte er fast jeden Sommer in Bad Ischl (OÖ), das dadurch zur inoffiziellen ,Sommerhauptstadt‘ der Monarchie wurde“, sagt Mag. Christian Hoflehner vom Oberösterreich Tourismus.

„Die Sommerfrische anno dazumal war ein Lebensstil. Die Menschen pflegten den Müßiggang, machten Spaziergänge und haben gelesen“, weiß Hoflehner. Bad Ischl erblühte im Glanz des Kaiserhauses und des nachgereisten Adels. Ganz Wien spazierte auf der Ischler Esplanade.

„Man könnte die Esplanade die Allee des Wiedersehens nennen, da man hier alle jene wiederzufinden pflegt, denen man zu Hause auf das sorgfältigste ausgewichen ist“, beschrieb es etwa ein Feuilletonist 1900 in der „Neuen Freien Presse“.

Alle wollten im selben Ort wie der Kaiser den Sommer verbringen, in der Hoffnung, einen Blick auf den Monarchen als Privatmann werfen zu können. Der schätzte die Ruhe in den Wäldern, wo er seiner Jagdleidenschaft frönen konnte. Für den Kaiser war die jährliche Sommerfrische in Ischl der „irdische Himmel“, wohin er „aus der papierenen Schreibtischexistenz mit ihren Sorgen und Mühen flüchten“ konnte.

Die geschichtsträchtige Kurstadt Bad Ischl hat sich ihren Charme bis heute bewahrt. Sogar der Kaisergeburtstag am 18. August wird dort noch zelebriert. Naturhungrige kommen auf einem rund 200 Kilometer langen Wandernetz rund um Ischl auf ihre Kosten. Der Gipfel des Ischler Hausberges Katrin ist bequem mit einer Seilbahn erreichbar. Und auch kulinarisch lässt die Region keine Wünsche offen. Ein Besuch beim K.u.K. Hofzuckerbäcker Zauner darf da nicht fehlen. Kulturellen Genuss bietet das Lehar Festival in Ischl, das von 4. Juli bis 24. August stattfindet.

Im steirischen Salzkammergut geht es hingegen etwas beschaulicher zu. Das wussten schon die Schriftsteller und Komponisten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu schätzen.

Vor allem das Ausseerland mit dem geheimnisvollen Altausseer See entwickelte sich bald zur Sommerfrische der literarischen Avantgarde und deren geselligen Umfeldes. „Der Arzt und Dramatiker Dr. Arthur Schnitzler (1862–1931), der schon 1875 das erste Mal in der Region weilte, und der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) fühlten sich ebenso von Altaussee angezogen wie der Komponist Richard Strauss (1864–1949) oder der Publizist Theodor Herzl (1860–1904).

Radeln durchs Ausseerland war schon früher „in“

„Herzl war von Arthur Schnitzler zum Radfahren animiert worden“, weiß der Schriftführer vom Literaturmuseum Altaussee Hermann Schröttenhammer. Die damaligen Sommerfrischler – vornehmlich aus Wien – übten sich in dem relativ jungen Sport, der zu dieser Zeit „schwer angesagt“ war. Ab 1891 gab es einen Radfahrer-Klub in Aussee und sogar eigene Radwege wurden geplant.

Vor zehn Jahren war das beschauliche Altaussee sogar Kulisse für den „James Bond“-Film „Spectre“. Gedreht
wurde im Jagdhaus auf der Seewiese. Ein Besuch dort lohnt sich nicht nur für Bond-Anhänger, sondern auch wegen der hausgemachten Strudel-Variationen und der Brettljausn.

Bis heute habe das Ausseerland seinen Reiz als Sommerfrische-Region nicht verloren, weiß Pamela Binder, die Geschäftsführerin vom Tourismusverband Ausseerland.

„Viele Menschen in den immer heißer werdenden Städten suchen mildere Ort mit kühlen Nächten auf, um sich zu entspannen und zu regenerieren.“ Die Sommerfrische sei modern wie eh und je, so Binder. rz
Weitere Inhalte dieser Ausgabe:
Ihre Meinung
Ihre Meinung ist uns wichtig.

Schreiben Sie Ihren Kommentar zu diesem Artikel, den wir dann prüfen und veröffentlichen werden.
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Werbung