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Ausgabe Nr. 23/2025 vom 03.06.2025, Foto: Panther Media GmbH/Alamy Stock Photo
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Nicole, 60.
Nicole: „Der Glaube hilft der Psyche, Berge zu versetzen“
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Sie hat den Song Contest gewonnen, sieht sich ihre Nachfolger aber nicht mehr an. Doch Nicole, 60, hat eine schöne Karriere gemacht. Ende Juni ist die zweifache Oma, die den Brustkrebs besiegt hat, in Wien zu sehen, erzählt sie im Gespräch mit Martina Wieser.
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Nicole, im Mai endete der diesjährige Song Contest mit dem Sieg unseres Teilnehmers JJ. Ihr Erfolg beim weltweit größten Musikwettbewerb liegt bereits mehr als vier Jahrzehnte zurück. Im Jahr 1982 haben Sie mit dem Lied
„Ein bisschen Frieden“ für Deutschland
gewonnen. Wie wirkte der Erfolg nach?


Der Sieg, verbunden mit der Botschaft des Liedes, wirkt bis heute nach. Es war das richtige Lied zur richtigen Zeit. Es wurde aufgerüstet, es war die Zeit des Kalten Krieges. Zwei Wochen vor meinem Auftritt brach der Falkland-Krieg aus, was wir natürlich ein halbes Jahr zuvor nicht wissen konnten. Die Menschen wünschten sich nichts sehnlicher als Frieden. Dann kommt ein Mädchen mit einer weißen Gitarre als Friedenssymbol auf die Bühne und berührt die Herzen von 150 Millionen Menschen – und das ganz ohne Schnickschnack und Effekthascherei.

Haben Sie den diesjährigen Song Contest im Fernsehen mitverfolgt?

Ich kann damit schon länger nichts mehr anfangen. Das ist nicht mehr meine Welt, ich vermisse Lieder, die mein Herz berühren, was seit Jahren nicht passiert ist.

Woran liegt das?

Es geht nicht mehr um das Lied an sich, sondern vielmehr um die Inszenierung und um den Anspruch, wie jedes Land auf der Bühne dargestellt werden möchte. Natürlich lässt sich die Technik nicht aufhalten. Höher, weiter, schneller ist das Motto. Dabei wird alles von Jahr zu Jahr bizarrer, lauter und schlimmer. Ich empfinde es als einen Verfall, dass die Show im Vordergrund steht. Eigentlich müsste die Veranstaltung „Eurovision Show Contest“ heißen. LED-Männchen und digitale Elemente drängen das Liedgut zu sehr in den Hintergrund. Wir hatten damals ein Orchester und ein schlichtes Bühnenbild, das allen Teilnehmern die gleichen Voraussetzungen bot. Das war eine faire Ausgangslage.

Würden Sie heute am Text Ihrer Friedensballade etwas ändern?

Überhaupt nicht. Wenn ich „Ein bisschen Frieden“ anstimme, stelle ich nach all den Jahren noch immer fest, dass etwas mit den Menschen passiert. Zumal es leider, egal wo, ob Israel oder Ukraine, immer Gewalt, Hass und Not geben wird. Der Wunsch nach Frieden ist tief verankert, was das Lied einzigartig macht. Der Friede beginnt in der Seele jedes einzelnen, in der Hoffnung, dass dieses bisschen Frieden immer mehr wird. Wenn das Publikum zu Tränen gerührt ist und Taschentücher gebraucht werden, ist das eine besondere Magie, die ich vor Kurzem bei der Eröffnung der Wiener Festwochen wieder erleben durfte.

Sie kommen demnächst wieder nach Wien. Am 27. Juni treten Sie gemeinsam mit Bernhard Brink im „Portofino“ auf. Was werden Sie darbieten?

Es wird ein Auszug aus den vergangenen vier Jahrzehnten geben, angefangen von „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“ bis hin zum neuen Album.

Das Album trägt den Titel „Carpe diem“. Wie nützen Sie den Tag, wie genießen Sie den Augenblick?

Ich achte darauf, meine Zeit nicht mit Unnötigem zu verschwenden und mache das, was mir guttut. Wer eine schwere Krankheit überstanden hat, weiß alles umso mehr zu schätzen. Ich lebe bewusster, betreibe Yoga, und wenn ich mit meinem Mann verreise, dann bleibt das Mobiltelefon ausgeschaltet.

Sie erhielten vor vier Jahren die Diagnose Brustkrebs. Wie geht es Ihnen heute?

Danke, es geht mir gut. Es war eine schwere Zeit, in der ich neun Chemo- und 28 Bestrahlungstherapien durchmachen musste. Hätte ich meine Familie nicht als Rückhalt gehabt, wäre das umso bitterer gewesen. Wir sind eine Großfamilie, meine beiden Schwestern, mein Bruder, meine zwei Töchter, die Enkelkinder und meine Mutter – wir alle leben in einem Ort. Mein Mann und meine Töchter, die ganze Familie, war für mich da. Sie haben alles übernommen, was ich in dieser schweren Zeit nicht machen konnte. Das war vorbildlich. So eine Familie wünsche ich jedem, vor allem, wenn er eine schwierige Zeit durchmacht.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie
damit konfrontiert wurden?


Ich habe von Anfang an daran geglaubt, dass es gut ausgehen wird. So war es dann auch. Ich wusste, dass ich noch gebraucht werde, in der Familie und auf der Bühne. Das gab mir einen Anschub. Dankbar bin ich dafür, dass der liebe Gott gesagt hat, nein, es ist noch nicht an der Zeit.

„Nur durch Gottes Hand“ ist ein Titel auf Ihrem
Album. Sind Sie ein gläubiger Mensch?


Ja, aber ich bin keine notorische Kirchenbesucherin. Am liebsten bin ich in der Kirche, wenn niemand drinnen ist. Dann habe ich die nötige Andacht für Zwiegespräche mit dem lieben Gott. Der Glaube hilft der Psyche dabei, Berge zu versetzen. Das lässt sich schwer erklären, aber man spürt es. Vor allem während der Krankheit fühlte ich, dass Gott die Hand über mich hält. Als ich im Jahr 2011 nach der Audienz bei Papst Benedikt XVI. hinausging, habe ich mein silbernes Kreuz, das ich immer um den Hals trage, berührt. Ich sagte zu meinem Mann, wenn mir etwas Schlimmes zustoßen sollte, wird es einen guten Ausgang nehmen. Und als ich dann fast zehn Jahre später die Diagnose erhielt, nahm ich das Kreuz wieder in die Hand und sagte, lieber Gott, du hast mir damals was versprochen, bitte halte jetzt dein Versprechen.

Was, außer Gottvertrauen, gibt Ihnen noch Kraft?

Meine Familie und mein Beruf – und vielleicht kommt mir zugute, dass ich im Sternzeichen ein Skorpion bin. Den Skorpionen wird Willensstärke nachgesagt. Wenn sie sich etwas vornehmen, dann wollen sie es mit aller Kraft umsetzen. Der Skorpion weicht vielleicht zwei, drei Meter zurück, wenn er sich bedroht fühlt. Allerdings nicht, weil er Angst hat, sondern um einen Anlauf für den Gegenstoß zu nehmen.

Gibt es bei Ihnen zu Hause Handy-freie Zeiten oder Zonen?

Bei uns gibt es noch die klassischen Spiele-Tage, die wir lieben. Wenn am Sonntag alle zum Essen kommen, herrscht bei Tisch selbstverständlich striktes Handy-Verbot. Danach spielen wir zwei, drei Stunden lang Brett- oder Kartenspiele – das lieben wir.


Zur Person

Nicole wurde als Nicole Hohloch am 25. Oktober 1964 in Saarbrücken (D) geboren und im Jahr 1980 auf einem Liederfestival entdeckt. Ein Jahr später veröffentlichte die Sängerin ihr erstes Lied mit dem Titel „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“.

Am 25. April 1982 gewann sie zum ersten Mal für Deutschland den Song Contest im englischen Harrogate.

Nicole ist seit August 1984 mit ihrem Jugendfreund
Winfried Seibert, 63, verheiratet. Das Paar hat zwei
Töchter und zwei Enkelkinder. Die Familie lebt in
Nohfelden-Neunkirchen im Saarland (Deutschland).
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