Einjähriges Baby an seltener Gen-Krankheit verstorben
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Julia Dettmer durchlebte den Albtraum einer jeden Mutter, als sie ihr Kind zu Grabe tragen musste. Ihre Tochter wurde mit einer unheilbaren Krankheit geboren und starb an den Folgen mehrerer Schlaganfälle. Nun erzählt die 38jährige von der schweren Zeit und wie sie den Mut fand weiterzumachen.
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Ich blicke zu Amalia und taste unter ihrer Decke nach ihrer Hand. Sie ist kühl und fester als sonst. Die Totenstarre setzt ein.“ Für Julia Dettmer sind die Erinnerungen an den Tod ihrer Tochter auch ein Jahr danach noch frisch. Das Baby verstarb im Juli 2024 an den Folgen der unheilbaren Krankheit, die in dessen Körper wütete. Dettmer wurde damit das Liebste im Leben genommen, ihr eigenes Kind.
Amalia kam fünf Wochen zu früh, im Dezember 2022, zur Welt. Direkt nach der Geburt gab es „ein paar kleine Baustellen“. Das Mädchen hatte Probleme mit dem Zuckerstoffwechsel, einem Schieffuß, mit der Lungenschlagader und es bestand den Hörtest nicht.
„Da sich das alles aber mit der Frühgeburt und der Beckenendlage erklären ließ und im Laufe der nächsten Monate geklärt werden konnte, machten wir uns keine großen Sorgen“, sagt die 38jährige Münchenerin (D).
Doch nach einer genetischen Analyse fanden die Ärzte eine Genmutation auf das Chromosom 20, das sogenannte Fragezeichen-Ohrsyndrom (Fehlstellung von Ohr und Unterkiefer), allerdings ohne Symptome. Die Ärzte beschlossen, fürs Erste abzuwarten und nach einem bestandenen Hörtest kurze Zeit später rückte die Genmanipulation in den Hintergrund.
Erst als Amalia im August 2023, acht Monate nach ihrer Geburt, von mehreren fokalen Krämpfen (vom Gehirn ausgehende Zuckungen des Körpers) geplagt wurde, kam das Thema der Gene wieder ins Spiel.
Aus dem Sommer voller Vorfreude und Erwartungen wurde eine düstere Parallelwelt auf Intensivstationen und Kinderkliniken. Schnell wurde Amalias munteres Gebrabbel durch das monotone Piepen der Überwachungsmonitore ersetzt. Auf einen Schlaganfall folgten mehrere, daraus bildete sich eine Herzmuskelverdickung.
Eine Untersuchung reihte sich an die nächste, die Wochen waren geprägt von Leid, Schmerz, Überforderung, Angst, Verzweiflung und Wut. „Draußen tobt das Sommerleben, andere Mamas gehen mit ihren Kindern Eis essen und dann zum Baden. Ich stehe hier auf der Intensivstation bei meiner Tochter. An ihrer Nase klebt die Magensonde, über die Nahrung und Medikamente zugeführt werden. Sie hat einen zentralen Venenkatheter bekommen, ihre Händchen und Füßchen sind so geschunden, dass dort kein Zugang mehr gelegt werden kann. Ich kann es nicht mehr ertragen, was die kleine Maus alles über sich ergehen lassen muss.“
Nur neun Kinder weltweit von der Krankheit betroffen
Erst ein Vergleich mit internationalen Daten brachte schlussendlich eine Diagnose. „Amalchen“, wie Dettmer ihre Tochter liebevoll nennt, litt an einer seltenen genetischen Erkrankung, durch die ihre Blutgefäße äußerst fragil angelegt waren und sich jederzeit verengen konnten. Das hat schließlich zu den Schlaganfällen geführt, die die Sauerstoffversorgung im Gehirn unterbunden und es so unwiederbringlich geschädigt haben. Amalia war damit eines von nur neun betroffenen Kindern weltweit. „Die Krankheit wird gerade erst erforscht, sodass sie noch nicht einmal einen Namen hat.“ Eines ist allerdings gewiss, die Krankheit ist meist tödlich und nicht heilbar.
Dettmer war fassunglos. „Es gibt 2,4 Milliarden Kinder auf der Welt. Man muss kein Mathegenie sein, um zu verstehen, dass neun von 2,4 Milliarden ein verschwindend geringer Prozentsatz sind. Was für ein Jackpot ist das bitte? In der ,Lotterie des Lebens‘ hat sie ein miserables Los gezogen.“
Die Ärzte stellten den Eltern in Aussicht, dass Amalia nicht mehr lange leben wird. Und das, bevor sie ihren ersten Geburtstag feiern konnte. „Ich hörte mich jaulen wie ein Tier. Und dann spürte ich zum ersten Mal, wie es sich anfühlen wird, mein Kind zu verlieren. Der Schmerz schnitt wie ein Schwert durch mein Herz.“
Mit den Schlaganfällen begann für die Familie, der auch ihr Mann Florian und der dreijährige Sohn Theo angehören, eine neue Zeitrechnung. Die Palliativstation wurde zum zweiten Zuhause. Dettmer, freie Journalistin, Lektorin und Dozentin, sah sich gezwungen, ihr Leben neu zu ordnen.
Amalia wurde zum Pflegefall, Dettmer blieb zu Hause und kümmerte sich aufopfernd. Quälend trieben Vorwürfe und Fragen wie „Warum gerade ich?“ in ihrem Kopf herum. Sie lebte im Ausnahmezustand. Ein schwerbehindertes Kind mit Pflegegrad fünf zu betreuen, verlangte ihr alles ab.
Als Amalia mit nur eineinhalb Jahren mit einer Windel voll Blut in die Notaufnahme gefahren wurde, wusste Dettmer, sie würde ihre Tochter nie wieder lebendig sehen. Als die Mutter im Behandlungsraum ankam, war ihre Tochter bereits tot. Um in Ruhe abschließen zu können, baten sie darum, das Baby mit nach Hause nehmen zu dürfen. Die 38jährige erinnert sich zurück, „Sie lag auf Floris Bauch wie immer, wie ein kleiner Koalabär, aber ihr Brustkorb hob sich nicht mehr. Vor drei Stunden war noch alles gut. Und jetzt ist sie tot.“ Auch ihr Sohn Theo musste den plötzlichen Verlust der Schwester erst einmal verkraften. „Er wimmerte verunsichert, ‚Bin ich jetzt kein Bruder mehr?“
Der endgültige Abschied war gekommen, als Amalia vom Bestattungsinstitut abgeholt wurde und die Mutter ihr totes Baby in den Sarg legen musste. „Vorsichtig ließ ich sie auf den Polstern nieder. Dann deckte ich sie mit der selbst gestrickten Decke von meiner Mama zu. Ich beugte mich über sie, küsste und streichelte sie. Mein Kind, schluchzte ich.“
Auf das Begräbnis folgten Monate voller unendlicher Traurigkeit. Eine Form der Bewältigungstherapie war für Dettmer das Schreiben. Sie verfasste Tagebucheinträge, in denen sie sich den Schmerz von der Seele schrieb. Es hat ihr geholfen, das Erlebte einzuordnen und „nicht wahnsinnig zu werden“. Aus den Einträgen wurde das Buch „Das Licht an dunklen Tagen“ (Heyne Verlag), in dem sie erzählt, wie sie es geschafft hat, trotz allem weiterzumachen und wieder Freude zu verspüren.
„Mein Buch soll die Leser im tiefsten Herzen berühren und ihnen Dankbarkeit und Zuversicht schenken. Es ist das Buch, das ich selbst gebraucht hätte.“ Dettmer möchte damit ein Vorbild sein für all jene, die ähnliche Schicksalsschläge erleiden mussten. Kraft gegeben haben ihr vor allem ihr Mann und ihr Sohn, aber auch der Gedanke an Amalia als persönlicher Schutzengel. „Ich spüre Amalia immer bei mir. Meine Tochter scheint mir wie ein gütiger Engel von hinten unter die Arme zu greifen und mich zu stützen.“ Schuh
Amalia kam fünf Wochen zu früh, im Dezember 2022, zur Welt. Direkt nach der Geburt gab es „ein paar kleine Baustellen“. Das Mädchen hatte Probleme mit dem Zuckerstoffwechsel, einem Schieffuß, mit der Lungenschlagader und es bestand den Hörtest nicht.
„Da sich das alles aber mit der Frühgeburt und der Beckenendlage erklären ließ und im Laufe der nächsten Monate geklärt werden konnte, machten wir uns keine großen Sorgen“, sagt die 38jährige Münchenerin (D).
Doch nach einer genetischen Analyse fanden die Ärzte eine Genmutation auf das Chromosom 20, das sogenannte Fragezeichen-Ohrsyndrom (Fehlstellung von Ohr und Unterkiefer), allerdings ohne Symptome. Die Ärzte beschlossen, fürs Erste abzuwarten und nach einem bestandenen Hörtest kurze Zeit später rückte die Genmanipulation in den Hintergrund.
Erst als Amalia im August 2023, acht Monate nach ihrer Geburt, von mehreren fokalen Krämpfen (vom Gehirn ausgehende Zuckungen des Körpers) geplagt wurde, kam das Thema der Gene wieder ins Spiel.
Aus dem Sommer voller Vorfreude und Erwartungen wurde eine düstere Parallelwelt auf Intensivstationen und Kinderkliniken. Schnell wurde Amalias munteres Gebrabbel durch das monotone Piepen der Überwachungsmonitore ersetzt. Auf einen Schlaganfall folgten mehrere, daraus bildete sich eine Herzmuskelverdickung.
Eine Untersuchung reihte sich an die nächste, die Wochen waren geprägt von Leid, Schmerz, Überforderung, Angst, Verzweiflung und Wut. „Draußen tobt das Sommerleben, andere Mamas gehen mit ihren Kindern Eis essen und dann zum Baden. Ich stehe hier auf der Intensivstation bei meiner Tochter. An ihrer Nase klebt die Magensonde, über die Nahrung und Medikamente zugeführt werden. Sie hat einen zentralen Venenkatheter bekommen, ihre Händchen und Füßchen sind so geschunden, dass dort kein Zugang mehr gelegt werden kann. Ich kann es nicht mehr ertragen, was die kleine Maus alles über sich ergehen lassen muss.“
Nur neun Kinder weltweit von der Krankheit betroffen
Erst ein Vergleich mit internationalen Daten brachte schlussendlich eine Diagnose. „Amalchen“, wie Dettmer ihre Tochter liebevoll nennt, litt an einer seltenen genetischen Erkrankung, durch die ihre Blutgefäße äußerst fragil angelegt waren und sich jederzeit verengen konnten. Das hat schließlich zu den Schlaganfällen geführt, die die Sauerstoffversorgung im Gehirn unterbunden und es so unwiederbringlich geschädigt haben. Amalia war damit eines von nur neun betroffenen Kindern weltweit. „Die Krankheit wird gerade erst erforscht, sodass sie noch nicht einmal einen Namen hat.“ Eines ist allerdings gewiss, die Krankheit ist meist tödlich und nicht heilbar.
Dettmer war fassunglos. „Es gibt 2,4 Milliarden Kinder auf der Welt. Man muss kein Mathegenie sein, um zu verstehen, dass neun von 2,4 Milliarden ein verschwindend geringer Prozentsatz sind. Was für ein Jackpot ist das bitte? In der ,Lotterie des Lebens‘ hat sie ein miserables Los gezogen.“
Die Ärzte stellten den Eltern in Aussicht, dass Amalia nicht mehr lange leben wird. Und das, bevor sie ihren ersten Geburtstag feiern konnte. „Ich hörte mich jaulen wie ein Tier. Und dann spürte ich zum ersten Mal, wie es sich anfühlen wird, mein Kind zu verlieren. Der Schmerz schnitt wie ein Schwert durch mein Herz.“
Mit den Schlaganfällen begann für die Familie, der auch ihr Mann Florian und der dreijährige Sohn Theo angehören, eine neue Zeitrechnung. Die Palliativstation wurde zum zweiten Zuhause. Dettmer, freie Journalistin, Lektorin und Dozentin, sah sich gezwungen, ihr Leben neu zu ordnen.
Amalia wurde zum Pflegefall, Dettmer blieb zu Hause und kümmerte sich aufopfernd. Quälend trieben Vorwürfe und Fragen wie „Warum gerade ich?“ in ihrem Kopf herum. Sie lebte im Ausnahmezustand. Ein schwerbehindertes Kind mit Pflegegrad fünf zu betreuen, verlangte ihr alles ab.
Als Amalia mit nur eineinhalb Jahren mit einer Windel voll Blut in die Notaufnahme gefahren wurde, wusste Dettmer, sie würde ihre Tochter nie wieder lebendig sehen. Als die Mutter im Behandlungsraum ankam, war ihre Tochter bereits tot. Um in Ruhe abschließen zu können, baten sie darum, das Baby mit nach Hause nehmen zu dürfen. Die 38jährige erinnert sich zurück, „Sie lag auf Floris Bauch wie immer, wie ein kleiner Koalabär, aber ihr Brustkorb hob sich nicht mehr. Vor drei Stunden war noch alles gut. Und jetzt ist sie tot.“ Auch ihr Sohn Theo musste den plötzlichen Verlust der Schwester erst einmal verkraften. „Er wimmerte verunsichert, ‚Bin ich jetzt kein Bruder mehr?“
Der endgültige Abschied war gekommen, als Amalia vom Bestattungsinstitut abgeholt wurde und die Mutter ihr totes Baby in den Sarg legen musste. „Vorsichtig ließ ich sie auf den Polstern nieder. Dann deckte ich sie mit der selbst gestrickten Decke von meiner Mama zu. Ich beugte mich über sie, küsste und streichelte sie. Mein Kind, schluchzte ich.“
Auf das Begräbnis folgten Monate voller unendlicher Traurigkeit. Eine Form der Bewältigungstherapie war für Dettmer das Schreiben. Sie verfasste Tagebucheinträge, in denen sie sich den Schmerz von der Seele schrieb. Es hat ihr geholfen, das Erlebte einzuordnen und „nicht wahnsinnig zu werden“. Aus den Einträgen wurde das Buch „Das Licht an dunklen Tagen“ (Heyne Verlag), in dem sie erzählt, wie sie es geschafft hat, trotz allem weiterzumachen und wieder Freude zu verspüren.
„Mein Buch soll die Leser im tiefsten Herzen berühren und ihnen Dankbarkeit und Zuversicht schenken. Es ist das Buch, das ich selbst gebraucht hätte.“ Dettmer möchte damit ein Vorbild sein für all jene, die ähnliche Schicksalsschläge erleiden mussten. Kraft gegeben haben ihr vor allem ihr Mann und ihr Sohn, aber auch der Gedanke an Amalia als persönlicher Schutzengel. „Ich spüre Amalia immer bei mir. Meine Tochter scheint mir wie ein gütiger Engel von hinten unter die Arme zu greifen und mich zu stützen.“ Schuh
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