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Ausgabe Nr. 21/2025 vom 20.05.2025, Fotos: Judith M. Trölß
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Andrea Starzengruber, 40.
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Täglich trainiert sie bis zu vier Stunden, um ihren Rücken zu stärken.
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Skoliose-Patientin ist erleichtert:
„Jetzt fühle ich mich frei“
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Fast ihr gesamtes Leben war Andrea Starzengruber auf ein Stützkorsett mit Schrauben angewiesen. Es sorgte für ihre Rückenstabilität, denn die 40jährige lebt mit Skoliose.
Vor einem Jahr traf sie eine mutige Entscheidung, die wie ein Befreiungsschlag wirkte.
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Schon in jungen Jahren war für Andrea Starzengruber nichts so wie für andere Kinder. „Ich war zwölf Jahre alt, als bei mir Skoliose diagnostiziert wurde. Der Schularzt hat bei der routinemäßigen Untersuchung festgestellt, dass meine Wirbelsäule eine leichte Verkrümmung zeigte“, beginnt die mittlerweile 40jährige aus Kopfing (OÖ) die Erzählung ihrer schicksalsträchtigen Lebensgeschichte.

Unter Skoliose wird eine Deformierung der Wirbelsäule verstanden, die eine seitliche Verdrehung zeigt. Die Ursache ist ungeklärt. „Nach der Röntgenuntersuchung wurde eine minimale Fehlstellung einer Zehn-Grad-Verkrümmung festgestellt, die vorerst mit Physiotherapie und engmaschiger Beobachtung durch den Arzt behandelt wurde“, berichtet Starzengruber über ihren Krankheitsverlauf, der sich schnell verschlechterte. Die Verkrümmung war bereits mit freiem Auge sichtbar.

„Ich erhielt daraufhin ein Stützkorsett, das ich von diesem Zeitpunkt an 23 Stunden am Tag tragen musste. Dieses Hartkunststoffteil habe ich ganz straff um meinen Körper, vom Schlüsselbein bis zur Hüfte, befestigt. Beschreiben würde ich dieses Korsett wie das Tragen einer Rüstung. Die Brust und der Magen waren komplett eingeschnürt. Ganz besonders die Lunge, so wurde eine erschwerte Atmung hervorgerufen“, erklärt sie ihre Einschränkungen, die sie nicht nur körperlich ertragen musste. Sie durfte nicht mehr am Turnunterricht teilnehmen und bei den kindlichen Freizeitaktivitäten hat sie nur mehr zugesehen.

„Ich wurde gehänselt und als ,Schildkrötenpanzer‘ bezeichnet. In der einen Stunde, in der ich das Korsett abgelegt habe, fühlte ich mich frei und wie ein normaler Mensch. Ich habe diese Zeit geliebt“, sagt die selbstbewusste Frau.

Fünf Jahre arrangierte sich Andrea Starzengruber mit ihrem Schicksal und absolvierte die Tourismusschule in Bad Ischl (OÖ). In dieser Zeit lernte sie ihren Lebenspartner und mittlerweile Ehemann Markus, 43, kennen. „Zur Diagnose wurde ich darüber aufgeklärt, dass ich keine Kinder bekommen sollte. Das war für uns nie ein Thema, da mein Mann und ich keinen Kinderwunsch haben“, spricht Andrea Strarzengruber ganz offen.

Krankheitsverlauf konnte nicht gestoppt werden

Das unentwegte Tragen des Stützkorsetts zeigte allerdings auch nach Jahren nicht den gewünschten Erfolg. Der Krankheitsverlauf konnte nicht gestoppt werden.

„Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, als der Arzt bei einer Kontrolluntersuchung den Telefonhörer in die Hand nahm und die Uniklinik in Innsbruck kontaktierte, um einen Operationstermin zum Verschrauben meiner Wirbelsäule zu vereinbaren. Davon war in der ganzen Zeit nie die Rede gewesen, aber meine Verkrümmung war auf 72 Grad fortgeschritten. Meine Organe wie Herz und Lunge waren zu diesem Zeitpunkt in Gefahr, eingequetscht zu werden“, erinnert sich Andrea Starzengruber.

In den Sommerferien wurde die damals 17jährige dann operiert. Mit Schrauben, Haken und Stäben wurde ihre Wirbelsäule vom fünften Halswirbel bis zum zweiten Lendenwirbel versteift.

„Mir ging es irrsinnig schlecht nach der Operation. Ich war aufgedunsen von den Medikamenten und hatte Schmerzen ohne Ende. Aber ich habe positiv in die Zukunft geblickt und mich in mein Jugendleben zurückgekämpft.“

Ihr gesamter Bewegungsapparat stand auf „Null“. „Ich habe gelernt, wieder zu sitzen, zu stehen und frei zu gehen. Nach zehn Tagen habe ich die Klinik verlassen. Das Korsett war weg, aber ich musste mich daran gewöhnen, dass ich ,stocksteif‘ war“, beschreibt Starzengruber.

Aus der Jugendlichen wurde eine erwachsene Frau, die zielstrebig ihren Weg ging. Sie machte sich als Energetikerin selbstständig und führt mit ihrem Mann eine Biolandwirtschaft.

Besondere Vorsicht war beim Heben von schweren Gegenständen geboten. Ihre Schulter- und Halsmuskulatur war ständig unter Spannung.

„Vor etwa drei Jahren fragten mich meine Freundinnen im Freibad, warum bei mir am Rücken die Schraubenköpfe so markant zu sehen seien. Dies veranlasste mich zu einer Spitalskontrolle. Zwischen meiner Verschraubung und Hautoberfläche war nur noch ein Millimeter Haut, begründet dadurch, dass sich meine Muskeln in den Jahrzehnten komplett zurückgebildet haben. Erneut drohte Gefahr für meinen Körper.“

Im Medizinzentrum Bad Vigaun (S) traf sie schließlich, nach vielen Untersuchungen, die mutige Entscheidung, sich von einem Facharzt für Neurochirurgie rückoperieren zu lassen.

„Niemand wusste, wie stark die Verschraubung verwachsen war und ob sie zu lösen sein würde. Klarheit für den Chirurgen zeigte sich erst unmittelbar während der Operation. Ich wusste also nicht, wie sich die Situation für mich entscheiden würde“, erzählt Starzengruber.

Der Eingriff glückte. Alle 48 Titanteile wurden entfernt, die Wirbelsäule wies eine Verkrümmung von 21 Grad auf. Andrea Starzengruber stand in ihrer Bewegung wie damals als Jugendliche wieder auf „Null“.

Sie lernte erneut sitzen und gehen. „Meine Wirbelsäule ist nach wie vor steif, da sich die Wirbelkörper verknöchert haben. Ich muss lernen, meinen Körper selbst wieder zu stabilisieren. Ich hatte in dieser postoperativen Zeit enorme Schmerzen. Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und ich habe meine Muskeln aus dem Dornröschenschlaf erweckt“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Täglich trainiert sie nun mindestens vier Stunden ihren Körper. Spaziergänge, Muskelaufbautraining und Physiotherapie sind ihre täglichen Begleiter.

„Das ist äußerst anstrengend, aber ich bin ausnahmslos konsequent. Besonders hat mir auch die achtwöchige Reha geholfen. Die Kosten sind in dieser Privatklinik selbst zu tragen, aber das war es mir auf jeden Fall wert.“

Heben kann sie derzeit bis zu zwei Kilo. „Ich sehe meine Erkrankung als Herausforderung, mich selbst als Pionierin. Körperlich bin ich nach wie vor eingeschränkt, aber psychisch fühle ich mich total frei“, sagt die mutige Frau mit der Kraft ihrer positiven Lebenseinstellung und dem Vertrauen zu sich selbst. Derzeit überlegt sie, ihre Lebensgeschichte in einem Buch aufzuarbeiten.

„Ich sehe mich auch in meinem eigenen Hotel. Aufgebaut auf ganzheitliche Gesundheit“, blickt Andrea Starzengruber hoffnungsfroh in die Zukunft. trölß
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