Ausgabe Nr. 20/2025 vom 13.05.2025, Fotos: Chris Watt / Alamy Stock Photo, BBC, YouTube
Weibliche „Supernase“ erschnüffelt Parkinson
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Die Schottin Joy Milne kann Parkinson riechen. Das hat die Erforschung der Krankheit vorangetrieben. Auch die Universitätsklinik Innsbruck profitiert von der Gabe der ehemaligen Krankenschwester und hat nach deren Erfahrungen eine eigene Studie durchgeführt.
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Alles begann, als die Schottin Joy Milne, heute 75 Jahre, ihren Mann vor vielen Jahren zu einem Treffen von Parkinson-Patienten begleitete. Als die Krankenschwester zufällig an der Garderobe neben einem anderen Betroffenen stand, bemerkte sie einen moschusartigen Geruch, den sie Jahre zuvor bei ihrem Mann festgestellt hatte. Einordnen konnte sie ihn aber nicht.
Dabei hat Joy Milne eine besondere Gabe. Ihr Geruchssinn ist überdurchschnittlich gut. Kam ihr Mann, ein ehemaliger Anästhesist, von der Arbeit nach Hause, nahm sie an ihm den Geruch von Narkosemitteln und Blut extrem intensiv wahr.
Medizinisch gesehen handelt es sich um Hyperosmie. Die Riechsinnzellen der Betroffenen reagieren im Übermaß auf Geruchsreize. Die Krankenschwester wusste schon länger, dass Diabetiker oft nach Aceton riechen oder Tuberkulosepatienten nach feuchter Pappe.
Studie bestätigte Milnes Geruchstalent
Eines Tages nahm sie an ihrem Mann einen neuen Geruch wahr. Zudem veränderte sich im Laufe der Jahre sein Wesen. Les war unkonzentriert, launisch und ließ oft Dinge fallen. Dazu kamen Zittern und Muskelsteifheit. Im Jahr 1994 wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Dass Milne auch Parkinson riechen kann, war für ihren Mann, dessen Krankheit erst 13 Jahre nach Beginn diagnostiziert worden war, nicht mehr relevant.
Um aber anderen Erkrankten zu helfen, beschloss sie, bei einem Vortrag dem Parkinsonforscher Tilo Kunath von ihrer Beobachtung zu erzählen. Kunath war ratlos. Mit seiner Chemiker-Kollegin Perdita Barran kam er zum Schluss, Milne hätte nur den Geruch alter Menschen gerochen. Erst in einer Studie zeigte sich, dass Milnes Gabe eine bahnbrechende Entdeckung war.
Sie roch an getragener Kleidung, die in sechs von zwölf Fällen Parkinson-Patienten gehörte. Und es gelang ihr, im „T-Shirt-Test“ die sechs erkrankten von den gesunden Protagonisten zu unterscheiden. Nur in einem Fall lag Milne falsch, und auch wieder nicht, denn acht Monate später stellte sich heraus, der vermeintlich gesunde Teilnehmer hatte Parkinson. Sie hatte die Krankheit vor den Ärzten erkannt.
Milne entdeckte, woher der Geruch kam
Die Chemikerin Barran, die am Institut für Biotechnologie in Manchester (Großbritannien) tätig ist, forschte weiter und identifizierte den Geruch von Parkinson mit Hilfe biochemischer Verfahren, finanziert von „Parkinson UK“ und der „Michael J. Fox Foundation“.
Der 63jährige Hollywood-Mime, der 1991 mit 29 Jahren
erkrankte, machte es mit möglich, dass Barrans Team Hauttalg-Proben Freiwilliger sammeln konnte, denn Milne hatte erschnüffelt, wo der typische Parkinson-Geruch herkommt. In 25 britischen Kliniken wurden Abstriche vom oberen Rücken Parkinson-Erkrankter genommen und zu Barran nach Manchester geschickt.
Das machte Prof. Werner Poewe von der neurologischen Abteilung der Medizinischen Universität Innsbruck neugierig. Der emeritierte Professor erforscht mit seinem Team die ersten Anzeichen von Parkinson.
„In Manchester wurde erforscht, ob sich Veränderungen im Hauttalg mit einer speziellen Untersuchung nachweisen lassen. Dafür kam ein Verfahren zum Einsatz, mit dem Forscher Stoffe genau analysieren. Tatsächlich konnten sie Moleküle identifizieren, die bei Parkinson-Patienten anders sind als bei Gesunden.“
Verwendet wurde dazu ein Massenspektrometer, mit dem Moleküle gemessen werden. Milne konnte mit einem extra gebauten „Geruchsanschluss“, einem seitlich herausragenden Rohr am Gerät, die Gerüche der Moleküle aufnehmen. Sie identifizierte die Moleküle Eicosan, Octadecanal und Hippursäure als charakteristisch für Parkinson. Alle drei Substanzen waren im Talg von Parkinson-Patienten in höheren Konzentrationen vorhanden.
Im Jahr 2021 kam heraus, dass bei Parkinson zentrale Stoffwechselprozesse aus dem Gleichgewicht geraten, darunter jene, die für die Gehirnfunktion wichtig sind. Diese Veränderungen führen dazu, dass bestimmte Nebenprodukte vermehrt über die Haut ausgeschieden werden. Diese Substanzen dürften für den charakteristischen Geruch verantwortlich sein, den Milne wahrnehmen konnte.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde in Innsbruck eine Pilotstudie begonnen. Es wurden Hautabstriche bei Parkinson-Patienten und Gesunden entnommen. Dazu kamen von einer REM-Schlafverhaltensstörung Betroffene. Diese Menschen agieren in Träumen körperlich heftig und schlagen unkontrolliert aus, was früh auf eine Parkinsonerkrankung hinweisen kann. Die Studienergebnisse werden bald veröffentlicht.
Ungewisse Zukunft für Milnes Söhne
Heilbar ist Parkinson nicht. „Wir können die Symptome sehr gut behandeln. Es wird laufend an Medikamenten geforscht, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.“ Die aktuelle Studie „Gesund Altern Tirol“ hat das Ziel, Risikofaktoren für die Entwicklung von Gehirnkrankheiten zu identifizieren.
Unter anderem wird der Geruchssinn an über 50jährigen untersucht. Riechstörungen können ein Frühsymptom von Parkinson sein.
Joy Milne ist international anerkannt und wurde in den Welt-Parkinson-Kongress berufen. Ihr Mann Les verstarb 2015 mit 65 Jahren. Parkinson lässt sie nicht los. Die Mutter ihres Mannes, dessen Großvater und Bruder erkrankten. Vieles deutet auf eine erbliche Form der Erkrankung hin. Was das für Joy Milnes drei Söhne bedeutet, wird die Zeit weisen. Reiter
Dabei hat Joy Milne eine besondere Gabe. Ihr Geruchssinn ist überdurchschnittlich gut. Kam ihr Mann, ein ehemaliger Anästhesist, von der Arbeit nach Hause, nahm sie an ihm den Geruch von Narkosemitteln und Blut extrem intensiv wahr.
Medizinisch gesehen handelt es sich um Hyperosmie. Die Riechsinnzellen der Betroffenen reagieren im Übermaß auf Geruchsreize. Die Krankenschwester wusste schon länger, dass Diabetiker oft nach Aceton riechen oder Tuberkulosepatienten nach feuchter Pappe.
Studie bestätigte Milnes Geruchstalent
Eines Tages nahm sie an ihrem Mann einen neuen Geruch wahr. Zudem veränderte sich im Laufe der Jahre sein Wesen. Les war unkonzentriert, launisch und ließ oft Dinge fallen. Dazu kamen Zittern und Muskelsteifheit. Im Jahr 1994 wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Dass Milne auch Parkinson riechen kann, war für ihren Mann, dessen Krankheit erst 13 Jahre nach Beginn diagnostiziert worden war, nicht mehr relevant.
Um aber anderen Erkrankten zu helfen, beschloss sie, bei einem Vortrag dem Parkinsonforscher Tilo Kunath von ihrer Beobachtung zu erzählen. Kunath war ratlos. Mit seiner Chemiker-Kollegin Perdita Barran kam er zum Schluss, Milne hätte nur den Geruch alter Menschen gerochen. Erst in einer Studie zeigte sich, dass Milnes Gabe eine bahnbrechende Entdeckung war.
Sie roch an getragener Kleidung, die in sechs von zwölf Fällen Parkinson-Patienten gehörte. Und es gelang ihr, im „T-Shirt-Test“ die sechs erkrankten von den gesunden Protagonisten zu unterscheiden. Nur in einem Fall lag Milne falsch, und auch wieder nicht, denn acht Monate später stellte sich heraus, der vermeintlich gesunde Teilnehmer hatte Parkinson. Sie hatte die Krankheit vor den Ärzten erkannt.
Milne entdeckte, woher der Geruch kam
Die Chemikerin Barran, die am Institut für Biotechnologie in Manchester (Großbritannien) tätig ist, forschte weiter und identifizierte den Geruch von Parkinson mit Hilfe biochemischer Verfahren, finanziert von „Parkinson UK“ und der „Michael J. Fox Foundation“.
Der 63jährige Hollywood-Mime, der 1991 mit 29 Jahren
erkrankte, machte es mit möglich, dass Barrans Team Hauttalg-Proben Freiwilliger sammeln konnte, denn Milne hatte erschnüffelt, wo der typische Parkinson-Geruch herkommt. In 25 britischen Kliniken wurden Abstriche vom oberen Rücken Parkinson-Erkrankter genommen und zu Barran nach Manchester geschickt.
Das machte Prof. Werner Poewe von der neurologischen Abteilung der Medizinischen Universität Innsbruck neugierig. Der emeritierte Professor erforscht mit seinem Team die ersten Anzeichen von Parkinson.
„In Manchester wurde erforscht, ob sich Veränderungen im Hauttalg mit einer speziellen Untersuchung nachweisen lassen. Dafür kam ein Verfahren zum Einsatz, mit dem Forscher Stoffe genau analysieren. Tatsächlich konnten sie Moleküle identifizieren, die bei Parkinson-Patienten anders sind als bei Gesunden.“
Verwendet wurde dazu ein Massenspektrometer, mit dem Moleküle gemessen werden. Milne konnte mit einem extra gebauten „Geruchsanschluss“, einem seitlich herausragenden Rohr am Gerät, die Gerüche der Moleküle aufnehmen. Sie identifizierte die Moleküle Eicosan, Octadecanal und Hippursäure als charakteristisch für Parkinson. Alle drei Substanzen waren im Talg von Parkinson-Patienten in höheren Konzentrationen vorhanden.
Im Jahr 2021 kam heraus, dass bei Parkinson zentrale Stoffwechselprozesse aus dem Gleichgewicht geraten, darunter jene, die für die Gehirnfunktion wichtig sind. Diese Veränderungen führen dazu, dass bestimmte Nebenprodukte vermehrt über die Haut ausgeschieden werden. Diese Substanzen dürften für den charakteristischen Geruch verantwortlich sein, den Milne wahrnehmen konnte.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde in Innsbruck eine Pilotstudie begonnen. Es wurden Hautabstriche bei Parkinson-Patienten und Gesunden entnommen. Dazu kamen von einer REM-Schlafverhaltensstörung Betroffene. Diese Menschen agieren in Träumen körperlich heftig und schlagen unkontrolliert aus, was früh auf eine Parkinsonerkrankung hinweisen kann. Die Studienergebnisse werden bald veröffentlicht.
Ungewisse Zukunft für Milnes Söhne
Heilbar ist Parkinson nicht. „Wir können die Symptome sehr gut behandeln. Es wird laufend an Medikamenten geforscht, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.“ Die aktuelle Studie „Gesund Altern Tirol“ hat das Ziel, Risikofaktoren für die Entwicklung von Gehirnkrankheiten zu identifizieren.
Unter anderem wird der Geruchssinn an über 50jährigen untersucht. Riechstörungen können ein Frühsymptom von Parkinson sein.
Joy Milne ist international anerkannt und wurde in den Welt-Parkinson-Kongress berufen. Ihr Mann Les verstarb 2015 mit 65 Jahren. Parkinson lässt sie nicht los. Die Mutter ihres Mannes, dessen Großvater und Bruder erkrankten. Vieles deutet auf eine erbliche Form der Erkrankung hin. Was das für Joy Milnes drei Söhne bedeutet, wird die Zeit weisen. Reiter
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