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Ausgabe Nr. 18/2025 vom 29.04.2025, Fotos: picturedesk.com (2)
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Kein Licht am Ende des Tunnels
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Seit mehr als 20 Jahren sorgt das Projekt der Wiener Nordostumfahrung mit dem Lobautunnel für hitzige Debatten. Befürworter sprechen von einer Verkehrsentlastung und Stärkung der Wirtschaft. Kritiker sehen hingegen ein Umweltverbrechen und ein finanzielles Fiasko.
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In der vergangenen Woche wurde im Parlament heftig über eine Dringliche Anfrage der Grünen debattiert. Unter dem Betreff „Konsolidieren statt Betonieren“ drängte die grüne Umweltsprecherin Leonore Gewessler, 47, darauf, schon länger geplante Projekte wie den Lobautunnel endgültig zu stoppen.

Immerhin gelang es der Politikerin im Dezember 2021 – in ihrer damaligen Funktion als Verkehrs- und Klimaschutzministerin –, den Bau vorläufig auf Eis zu legen. „Die Lobauautobahn ist das größte, teuerste und klimaschädlichste Autobahnprojekt, das in unserem Land aktuell diskutiert wird.

Die Pläne dafür stammen aber aus dem vorigen Jahrtausend – ein fossiles Relikt aus der Vergangenheit. Deshalb hat Leonore Gewessler als Ministerin eine Überprüfung angekündigt, um zu klären, ob es bessere Lösungen gibt“, heißt es aus dem grünen Parlamentsklub. Nur mit so einer Bewertung könnten Änderungen im Bundesstraßengesetz vorgenommen werden.

Lobautunnel ist laut Prüfbericht die schlechteste Variante

Ende September 2022 leitete Gewessler deshalb eine „Strategische Prüfung im Verkehrsbereich“ ein, um alle Projekte der Autobahnen- und Schnellstraßen Finanzierungs-AG (ASFINAG) durch Experten vom Umweltbundesamt in Kooperation mit den Technischen Universitäten Graz und Wien überprüfen zu lassen. Dazu gehörte auch die rund 19 Kilometer lange vierspurige „S1 Wiener Außenring Schnellstraße“ zwischen Schwechat und Süßenbrunn, die die Donau und die Lobau in einem 8,2 Kilometer langen Tunnel unterqueren soll.

Die geplante Wiener Nordostumfahrung ist der noch fehlende Teil des sogenannten „Regionenrings“ um die Bundeshauptstadt – im Endausbau eine knapp 200 Kilometer lange und großräumige Außenumfahrung der Millionenstadt.

Bei der „Strategischen Prüfung“ wurden mehrere Varianten auf ihre Wirkung hinsichtlich Mobilität, Umwelt, Gesundheit, Energie- und Flächenverbrauch sowie Kosten untersucht. Vor Kurzem wurde das Ergebnis des rund € 500.000,– teuren Gutachtens veröffentlicht. Und das fiel ganz im Sinne der Ex-Ministerin aus. Zeigt es doch, dass die im Bundesstraßengesetz vorgesehene Lobautunnel-Variante in fast allen untersuchten Belangen den Alternativen unterlegen ist.

Dass der Lobautunnel sowohl aus Mobilitätssicht als auch aus Umwelt- und Gesundheitssicht die schlechteste Alternative ist, bestätigt auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Am besten abgeschnitten hat die Variante, die eine starke Verbesserung des Öffentlichen Verkehrsangebotes, wie zusätzliche Straßenbahnlinien oder mehr Busverbindungen vorsieht.

„Sie unterstützt auch am stärksten die Zielsetzungen der Stadt Wien, den Autopendelverkehr nach Wien um die Hälfte zu reduzieren und die Verkehrsbelastung für die Bevölkerung zu verringern“, betonen die VCÖ-Experten. Mit
dem Ergebnis des Prüfberichtes hat auch die endlose politische Auseinandersetzung um den Autobahnbau und besonders den Lobautunnel wieder Fahrt aufgenommen. Gehören doch die SPÖ, ÖVP und FPÖ seit Jahren zu den Befürwortern des umstrittenen Verkehrsprojektes, das an Gewesslers Veto scheiterte.

„Die Nordostumfahrung mit dem Lobautunnel würde die A23 pro Tag um 77.000 Autofahrten, also mehr als 28 Millionen pro Jahr entlasten“, weiß der FPÖ-Wien-Verkehrssprecher LAbg. Toni Mahdalik, 58.

Damit würden in Wien weniger CO2, weniger Lärm, Feinstaub und Abgase verursacht werden. Für die Wiener FPÖ sei es das Umweltschutzprojekt Nummer eins und für die gesamte Ost-Region mit 2,9 Millionen Einwohnern auch wirtschaftlich unverzichtbar.

„Das bestgeprüfte Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahrzehnte muss so rasch wie möglich realisiert werden“, fordert Mahdalik.

Die Vorteile des Lobautunnels, insbesondere hinsichtlich der Verkehrsentlastung und der Bedeutung für die Ost-Region wie „auch hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen, Wohngebäuden und dem einer Aufschließung von Weiterentwicklungsgebieten einhergehenden Wirtschaftswachstum“, sah bisher auch der neue SPÖ-Mobilitätsminister Peter Hanke, 61. Gleichzeitig spricht er sich für eine sachliche und umfassende Prüfung des Projektes aus, die Vor- und Nachteile ausloten soll. Hanke ist es wichtig, wieder Ruhe und Klarheit in die politische Debatte zu bringen, weil „der Diskurs – auch unterstützt durch die jeweilige politische Position – sehr emotional geführt wurde und viel Porzellan zerbrochen wurde.“

Emotional vielfach diskutiert wurde etwa das Thema Eingriff in das Naturschutzgebiet. „Doch Naturschutzgebiet bleibt Naturschutzgebiet, der Tunnelabschnitt wird in 60 Metern Tiefe gebaut, die Ein- und Ausfahrten liegen weitab. Wirtschaft und Umwelt zusammen zu denken ist kein Widerspruch“, sagt Hanke.

Umweltschützer sind dagegen, die Wirtschaft ist dafür

„Die Natur ist kein Blatt Papier, sondern setzt sich weit in den Untergrund und das Umland fort. Was der Nationalpark dringend braucht, sind Pufferzonen und nicht dem jeweiligen Projekt angepasste Gutachten ohne jede Ethik und Verantwortung für die Folgen, die damit angerichtet werden“ widerspricht der Verkehrsexperte und WOCHE-Kolumnist Uni-Prof. Dr. Hermann Knoflacher.

Es brauche keine zusätzliche Nordostumfahrung, mit der noch mehr Auto- und Transitverkehr in den Wiener Raum gezogen wird, der sonst andere Routen wählen oder auf die Eisenbahn verlagert werden würde. Eine nachhaltige Verkehrsreduktion würde nur durch die Reduzierung von Fahrbahnen erreicht werden.

„Aus verkehrsplanerischer, umweltpolitischer und sozialpolitischer Sicht ist das Projekt unverantwortbar und wird aus der Zukunft betrachtet wohl als Umweltverbrechen bezeichnet“, ist sich Knoflacher sicher.

Der Lobautunnel steht auch in der Kritik von Umweltorganisationen wie etwa des World Wide Fund For Nature (WWF). „Der Tunnel gefährdet das Naturparadies Lobau und sabotiert das Erreichen der Klimaziele. Durch eine stark zunehmende Verkehrsbelastung und mehr Luftschadstoffe birgt das Projekt auch große Gesundheitsrisiken“, übt der WWF-Bodenschutz-Sprecher Simon Pories Kritik. Zudem drohe der Tunnel zu einem finanziellen Fiasko zu werden. Die veranschlagten Kosten könnten deutlich besser investiert werden, plädiert auch der WWF für den raschen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der gesamten Region.

„Das gesamte Straßenbauprojekt würde mehr als 130 Hektar Ackerland (etwa 182 Fußballfelder) verschlingen, darunter einige der fruchtbarsten Böden des Landes.

Allein aufgrund der damit verbundenen Versiegelung beeinträchtigt das Projekt auch den Wasserhaushalt der Region. In der Gesamtwirkung würde die Lobau-Autobahn wertvolle Lebensräume zerstören und zerschneiden und die Tierwelt durch zusätzlichen Lärm belasten“, warnt Pories.

In die gleiche Kerbe schlagen die Grünen. „Die Lobau-Autobahn würde mitten durch sensible Naturräume führen, die wir für unsere Kinder und Enkelkinder bewahren müssen. Und sie wäre eine neue Transitschneise für LKW aus ganz Europa – das heißt mehr Lärm, mehr Abgase, mehr Stau für die Menschen vor Ort.“

Ganz anders sieht das der Präsident der Wirtschaftskammer Wien, DI Walter Ruck, der den Lobautunnel für „alternativlos“ hält.

„Er erschließt wichtige Siedlungs- und Betriebsgebiete Wiens jenseits der Donau. Gleichzeitig entlastet er die bestehenden Hauptverkehrsrouten in unserer Stadt. Wien ist eine der letzten Weltstädte, die den Transit- und Schwerverkehr noch durch die Stadt leitet.“

Durch den Lückenschluss des Regionenringes würden vor allem die A23 und der 22. Bezirk entlastet werden. „Berechnungen im Umweltverträglichkeitsgutachten gehen von 56.000 bis 59.000 Autos an Werktagen auf dem Streckenabschnitt der S1 aus. Müssten diese die um drei Kilometer längere Ausweichstrecke über die A4, Knoten Prater und Südosttangente zum künftigen Knoten Süßenbrunn nehmen, würde dies täglich mehr als 125 Tonnen CO2 zusätzlich bedeuten“, erklärt Ruck.

Für den VCÖ sind diese Aussagen nicht nachvollziehbar, besagt doch die Strategische Prüfung Verkehr, dass „die A23 nur gering entlastet wird, aber speziell in den Bezirken nördlich der Donau die Verkehrsbelastung stark zunimmt“.

Damit wären dort auch die gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen höher. Außerdem sei „bei Umsetzung des Lobautunnels damit zu rechnen, dass nur acht Prozent der Fahrzeuge Schwerverkehr sein werden.“

Die „Umfahrung“ wäre in zehn Jahren befahrbar und würde € 2,4 Milliarden kosten

Derzeit verzögert sich das Projekt ohnehin. Auf Antrag der SPÖ sollen die noch nicht genehmigten Neubauprojekte der ASFINAG auf ihre Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Effizienz und volkswirtschaftliche Impulssetzung geprüft werden.

„Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen. Dieser Vorgang ist im Laufen“, sagt die ASFINAG-Sprecherin Mag. Petra Mödlhammer-Prantner.

Außerdem sind zum zweiten „Verwirklichungsabschnitt“ der S1 Schwechat-Süßenbrunn (siehe Grafik) derzeit zwei Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Bezug auf Wasserrecht und Naturschutzrecht anhängig.

Zusätzlich habe das BVwG einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof gestellt, um zu überprüfen, ob eine Bundesstraßengesetz-Novelle aus dem Jahr 2006 EU-rechtskonform ist. Sollte das Projekt doch noch verwirklicht werden, dann würde „die reine Baudauer bis zur Verkehrsfreigabe etwa zehn Jahre betragen.“

Die im Jahr 2019 veranschlagten Kosten von 1,9 Milliarden Euro sind nicht mehr zu halten. Laut einer entsprechenden Prüfung liegen sie mittlerweile bei 2,4 Milliarden Euro.

„Nachdem das Projekt ruhend gestellt wurde, wurden auch die Kosten nicht angepasst“, sagt Hanke, der davon ausgeht, dass noch mehr Geld nötig sein wird. rz

Die Chronologie des Lobau-Projekts

Bereits in den 1970er Jahren wurde über eine Straße durch die Lobau nachgedacht. In den 90ern bekämpften dann die Grünen gemeinsam mit zahlreichen Umweltorganisationen das Projekt Lobauautobahn.

Von 2001 bis 2003 erfolgte die „Strategische Umweltprüfung für den Nordosten Wiens“ (SUPer NOW). Ziel war, mögliche Varianten einer sechsten Donau-Querung wissenschaftlich zu prüfen.

Bereits 2002 erste Entwurfsplanung der Wiener Stadtregierung.

Geplante Probebohrungen der ASFINAG führten 2006 zur Aubesetzung durch Umweltschützer.

2009 Beginn einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). 2015 positiver Bescheid der UVP durch das damalige Umweltministerium.

2018 positiver Bescheid in zweiter Instanz bestätigt.

2021 besetzten Aktivisten die Baustelle Hirschstetten, um den Lobautunnelbau zu verhindern. Ankündigung Gewesslers, das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Im Februar 2022 Räumung des Protestcamps unter massivem Polizeieinsatz.

2022 erfolgte die Strategische Prüfung Verkehr (SP-V).

Veröffentlichung der SP-V im Februar 2025 mit der Empfehlung der Streichung des Projektes aus dem Bundesstraßengesetz.
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