Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg: Neubeginn in Trümmern
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Als am 27. April 1945 in Wien die Unabhängigkeit Österreichs ausgerufen wurde, tobten in großen Teilen des Landes weiterhin die Kämpfe. Im Konzentrationslager Mauthausen (OÖ) starben noch am 28. April Widerstandskämpfer in der Gaskammer.
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Der spätere Bundespräsident Adolf Schärf (1890–1965) erlebte das Kriegsende in Wien. Der Sozialdemokrat war während der Herrschaft der Nationalsozialisten zwei Mal in Haft. Anfang April 1945 musste er wieder vor den Häschern des nationalsozialistischen Regimes flüchten.
Seine Tochter verschaffte ihm mit ihren Kontakten als Medizinstudentin ein Spitalsbett im Allgemeinen Krankenhaus, im letzten Augenblick. Noch am selben Tag tauchte die Polizei in seiner Wohnung auf.
Im Spital verfolgte Adolf Schärf „als einfacher Patient dritter Klasse mit großer Aufmerksamkeit“, wie eines Tages „die Hitlerbilder, die in jedem Saal aufgehängt waren, von der Wand abgenommen“ wurden. Am 10. April stand dann „ein russischer Soldat im Spitalshof, jung, freundlich gestikulierend“, schilderte der Politiker in seinen wenige Jahre nach dem Krieg erschienenen Erinnerungen „April 1945“. Schärf konnte heimkehren. Die Stadt bot ein schreckliches Bild. Überall auf den Straßen lagen „Tote und Pferdekadaver. In Parkanlagen, selbst in kleinen Vorgärten, sah man frisch aufgeworfene Gräber.“ Noch Wochen nach den Kämpfen habe es in Wien keine übliche Bestattung gegeben. „Starb jemand, so wurde er ohne Sarg von den Angehörigen in der nächsten Gartenanlage eingegraben.“
Am 6. April 1945 hatte die Schlacht um Wien begonnen, sie dauerte acht Tage. Am 13. April wehten die ersten roten Sowjet-Fahnen in der Wiener Innenstadt. Die Nationalsozialisten ließen nicht nur Soldaten, sondern auch Jugendliche und ältere Männer des Volkssturmes bis zum bitteren Ende kämpfen. 19.000 Soldaten der Wehrmacht starben bis zur Einnahme der Stadt. Auf russischer Seite kostete die Schlacht 18.000 Soldaten das Leben.
Noch Mitte März hatte Adolf Hitler, verschanzt im „Führerbunker“ im Garten der Berliner Reichskanzlei, den „Nero-Befehl“ erlassen. Alle „Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.“ In Wien wurde etwa die Floridsdorfer Brücke über die Donau gesprengt.
Das Bild der Stadt während und nach den Kämpfen beschrieb Adolf Schärf später gespenstisch. „Seit 7. April gab es also für Wien kein elektrisches Licht und kein Gas mehr.“ In manchen Bezirken waren die Wasserversorgungsanlagen so beschädigt, dass „für zehntausende von Personen nur ein einziger Wasserauslauf vorhanden war, vor dem sich die Menschenschlangen anstellten.“
Nur Brot für die Wiener: „Es litt jeder Hunger“
In der Stadt herrschte Hunger, immer wieder kam es zu Plünderungen. Im April „wurde nur ein einziges Nahrungsmittel an die Bevölkerung abgegeben: nämlich Brot“, schrieb der Augenzeuge Schärf. Ende April gab es pro Kopf höchstens ein Kilo Brot pro Woche als Lebensmittel-Zuteilung. Vor den Bäckern stellten sich die Menschen schon im Morgengrauen an. „Es litt jeder Hunger.“
Plünderer werden von manchen Historikern auch für den Brand des Stephansdomes verantwortlich gemacht. In der Nacht vom 11. auf den 12. April griffen Brände, die in den umliegenden Geschäften gelegt worden waren, auf den mittelalterlichen Dom-Dachstuhl über. Die 22 Tonnen schwere Pummerin-Glocke stürzte in die Tiefe und zerbrach. Eine andere These geht davon aus, dass der Dom unter Beschuss der sich zurückziehenden Deutschen Wehrmacht und der Roten Armee geriet.
Die Straßenbahnen standen still, es gab kein Telephon. „Aus der Zeit der Luftangriffe her gab es viele zerstörte Häuser, aber auch an unbeschädigten Häusern viele zerbrochenen Fensterscheiben, die Geschäftslokale waren gesperrt“, erinnerte sich Schärf an Wien im April. „Die Unsicherheit in den Straßen war groß, nach 20 Uhr war den Zivilisten die Straße verboten. Tagsüber war der Aufenthalt in den Straßen nicht sicher.“ Der verheerendste Bombenangriff auf Wien hatte am 12. März 1945 stattgefunden. Mehr als 700 amerikanische Flugzeuge bombardierten die Rüstungsindustrie und die Raffinerie nördlich der Donau. Als sie abdrehten, hatten aber viele noch Bomben an Bord, warum ist ungeklärt. Sie wurden unkontrolliert abgeworfen und trafen vor allem die Innenstadt.
In Wien war durch die Luftangriffe rund ein Fünftel der Häuser zerstört oder beschädigt worden. Andere Städte traf es noch viel schlimmer. In Wiener Neustadt (NÖ), einem wichtigen Rüstungszentrum, wiesen von 4.178 Häusern nur 18 keine Schäden auf. In Villach (K), das wegen der Lage an einem strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt angegriffen wurde, waren 85 Prozent der Gebäude teilweise oder ganz kaputt. In Linz war ein Drittel der Häuser beschädigt.
„Mehrere Meter hoher Schutt in den meisten Straßenzügen; Wasser-, Licht- und Gaszuleitungen zerfetzt, das Kanalnetz aufgerissen, Trichter, Erdhaufen, geborstene Bäume in den Parkanlagen und Gärten“, berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten im Juni 1945 vom Zustand der oberösterreichischen Landeshauptstadt am Ende des Krieges.
In weiten Teilen des Landes tobten noch Kämpfe, als am 27. April 1945 die „Provisorische Staatsregierung“ unter Karl Renner das Amt antrat. Auf den 74jährigen Sozialdemokraten waren sowjetische Soldaten in Niederösterreich gestoßen, wo er die Nazi-Herrschaft im Hausarrest in seinem Haus in Gloggnitz verbracht hatte. „Ein stattlicher Greis in strengem schwarzen Anzug“ habe seine Dienste zur Wiedererrichtung Österreichs angeboten, meldeten die Russen an ihre Führung.
Die provisorische Regierung unter dem Staatskanzler Renner wurde vorerst nur von den Sowjets unterstützt und bestand aus Vertretern von SPÖ, ÖVP und KPÖ. Die Parteien riefen ebenfalls am 27. April die österreichische Unabhängigkeit aus.
Für 42 Widerstandskämpfer der „Welser Gruppe“ kam der Vormarsch der alliierten Truppen aber zu spät. Sie wurden am 28. April in der Gaskammer des Konzentrationslagers Mauthausen ermordet. Den Befehl dazu gab August Eigruber, der Gauleiter von „Oberdonau“ als Reaktion auf die Regierungsbildung in Wien. Die Alliierten sollten keine „aufbauwilligen Kräfte“ in Oberösterreich vorfinden.
Die Mitglieder der Widerstands-Organisation waren aus allen Lagern gekommen, die führende Rolle hatten aber die Kommunisten. Nach ihrer Hinrichtung wurde die Gaskammer abmontiert. Erst am 5. Mai 1945 befreiten amerikanische Truppen das KZ Mauthausen. Am 8. Mai war der Krieg in Europa zu Ende. bike
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Seine Tochter verschaffte ihm mit ihren Kontakten als Medizinstudentin ein Spitalsbett im Allgemeinen Krankenhaus, im letzten Augenblick. Noch am selben Tag tauchte die Polizei in seiner Wohnung auf.
Im Spital verfolgte Adolf Schärf „als einfacher Patient dritter Klasse mit großer Aufmerksamkeit“, wie eines Tages „die Hitlerbilder, die in jedem Saal aufgehängt waren, von der Wand abgenommen“ wurden. Am 10. April stand dann „ein russischer Soldat im Spitalshof, jung, freundlich gestikulierend“, schilderte der Politiker in seinen wenige Jahre nach dem Krieg erschienenen Erinnerungen „April 1945“. Schärf konnte heimkehren. Die Stadt bot ein schreckliches Bild. Überall auf den Straßen lagen „Tote und Pferdekadaver. In Parkanlagen, selbst in kleinen Vorgärten, sah man frisch aufgeworfene Gräber.“ Noch Wochen nach den Kämpfen habe es in Wien keine übliche Bestattung gegeben. „Starb jemand, so wurde er ohne Sarg von den Angehörigen in der nächsten Gartenanlage eingegraben.“
Am 6. April 1945 hatte die Schlacht um Wien begonnen, sie dauerte acht Tage. Am 13. April wehten die ersten roten Sowjet-Fahnen in der Wiener Innenstadt. Die Nationalsozialisten ließen nicht nur Soldaten, sondern auch Jugendliche und ältere Männer des Volkssturmes bis zum bitteren Ende kämpfen. 19.000 Soldaten der Wehrmacht starben bis zur Einnahme der Stadt. Auf russischer Seite kostete die Schlacht 18.000 Soldaten das Leben.
Noch Mitte März hatte Adolf Hitler, verschanzt im „Führerbunker“ im Garten der Berliner Reichskanzlei, den „Nero-Befehl“ erlassen. Alle „Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.“ In Wien wurde etwa die Floridsdorfer Brücke über die Donau gesprengt.
Das Bild der Stadt während und nach den Kämpfen beschrieb Adolf Schärf später gespenstisch. „Seit 7. April gab es also für Wien kein elektrisches Licht und kein Gas mehr.“ In manchen Bezirken waren die Wasserversorgungsanlagen so beschädigt, dass „für zehntausende von Personen nur ein einziger Wasserauslauf vorhanden war, vor dem sich die Menschenschlangen anstellten.“
Nur Brot für die Wiener: „Es litt jeder Hunger“
In der Stadt herrschte Hunger, immer wieder kam es zu Plünderungen. Im April „wurde nur ein einziges Nahrungsmittel an die Bevölkerung abgegeben: nämlich Brot“, schrieb der Augenzeuge Schärf. Ende April gab es pro Kopf höchstens ein Kilo Brot pro Woche als Lebensmittel-Zuteilung. Vor den Bäckern stellten sich die Menschen schon im Morgengrauen an. „Es litt jeder Hunger.“
Plünderer werden von manchen Historikern auch für den Brand des Stephansdomes verantwortlich gemacht. In der Nacht vom 11. auf den 12. April griffen Brände, die in den umliegenden Geschäften gelegt worden waren, auf den mittelalterlichen Dom-Dachstuhl über. Die 22 Tonnen schwere Pummerin-Glocke stürzte in die Tiefe und zerbrach. Eine andere These geht davon aus, dass der Dom unter Beschuss der sich zurückziehenden Deutschen Wehrmacht und der Roten Armee geriet.
Die Straßenbahnen standen still, es gab kein Telephon. „Aus der Zeit der Luftangriffe her gab es viele zerstörte Häuser, aber auch an unbeschädigten Häusern viele zerbrochenen Fensterscheiben, die Geschäftslokale waren gesperrt“, erinnerte sich Schärf an Wien im April. „Die Unsicherheit in den Straßen war groß, nach 20 Uhr war den Zivilisten die Straße verboten. Tagsüber war der Aufenthalt in den Straßen nicht sicher.“ Der verheerendste Bombenangriff auf Wien hatte am 12. März 1945 stattgefunden. Mehr als 700 amerikanische Flugzeuge bombardierten die Rüstungsindustrie und die Raffinerie nördlich der Donau. Als sie abdrehten, hatten aber viele noch Bomben an Bord, warum ist ungeklärt. Sie wurden unkontrolliert abgeworfen und trafen vor allem die Innenstadt.
In Wien war durch die Luftangriffe rund ein Fünftel der Häuser zerstört oder beschädigt worden. Andere Städte traf es noch viel schlimmer. In Wiener Neustadt (NÖ), einem wichtigen Rüstungszentrum, wiesen von 4.178 Häusern nur 18 keine Schäden auf. In Villach (K), das wegen der Lage an einem strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt angegriffen wurde, waren 85 Prozent der Gebäude teilweise oder ganz kaputt. In Linz war ein Drittel der Häuser beschädigt.
„Mehrere Meter hoher Schutt in den meisten Straßenzügen; Wasser-, Licht- und Gaszuleitungen zerfetzt, das Kanalnetz aufgerissen, Trichter, Erdhaufen, geborstene Bäume in den Parkanlagen und Gärten“, berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten im Juni 1945 vom Zustand der oberösterreichischen Landeshauptstadt am Ende des Krieges.
In weiten Teilen des Landes tobten noch Kämpfe, als am 27. April 1945 die „Provisorische Staatsregierung“ unter Karl Renner das Amt antrat. Auf den 74jährigen Sozialdemokraten waren sowjetische Soldaten in Niederösterreich gestoßen, wo er die Nazi-Herrschaft im Hausarrest in seinem Haus in Gloggnitz verbracht hatte. „Ein stattlicher Greis in strengem schwarzen Anzug“ habe seine Dienste zur Wiedererrichtung Österreichs angeboten, meldeten die Russen an ihre Führung.
Die provisorische Regierung unter dem Staatskanzler Renner wurde vorerst nur von den Sowjets unterstützt und bestand aus Vertretern von SPÖ, ÖVP und KPÖ. Die Parteien riefen ebenfalls am 27. April die österreichische Unabhängigkeit aus.
Für 42 Widerstandskämpfer der „Welser Gruppe“ kam der Vormarsch der alliierten Truppen aber zu spät. Sie wurden am 28. April in der Gaskammer des Konzentrationslagers Mauthausen ermordet. Den Befehl dazu gab August Eigruber, der Gauleiter von „Oberdonau“ als Reaktion auf die Regierungsbildung in Wien. Die Alliierten sollten keine „aufbauwilligen Kräfte“ in Oberösterreich vorfinden.
Die Mitglieder der Widerstands-Organisation waren aus allen Lagern gekommen, die führende Rolle hatten aber die Kommunisten. Nach ihrer Hinrichtung wurde die Gaskammer abmontiert. Erst am 5. Mai 1945 befreiten amerikanische Truppen das KZ Mauthausen. Am 8. Mai war der Krieg in Europa zu Ende. bike
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