Mutter, 33, über ihr verstorbenes Baby:
„Mit meinem Kind ist auch ein Teil von mir gestorben“
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Die Steirerin Linda Holler ist dreifache Mutter. Einen ihrer Söhne, Oskar, hat sie im Mutterleib verloren. Der Weg zurück in den Alltag war schwer. Mittlerweile spricht sie bewusst öffentlich über das Thema Sternenkinder, um ein gesellschaftliches Tabu zu brechen. Dabei möchte Holler anderen Müttern Mut machen, die sich in ähnlichen Situationen befinden.
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Es war ein Montag. Die 33jährige Linda Holler aus Gabersdorf (Steiermark) war im neunten Monat schwanger und hatte sich zum Ausruhen aufs Sofa gelegt.
„Oskar war bis zu dem Zeitpunkt immer recht ruhig im Bauch. An dem Tag aber hat er wie wild gestrampelt. Darüber habe ich mich anfangs gefreut, dann aber fand ich es komisch, weil ich abends und am nächsten Tag plötzlich gar keine Bewegungen mehr wahrgenommen habe.“
Ein Termin im Spital bestätigte den mütterlichen Instinkt, beim Baby konnte kein Herzschlag mehr festgestellt werden. „Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass er da um sein Leben gekämpft hat.“ Mittels Kaiserschnitt holten die Ärzte Oskar am 28. April 2021 aus dem Bauch der Mutter, weniger als ein Monat vor dem errechneten Geburtstermin. Er kam auf die Welt, ohne jemals die Augen geöffnet zu haben. Danach hatten Holler und ihr Mann nur 24 Stunden Zeit, um sich von dem Kind zu verabschieden.
„Wir haben ihn gedrückt, geküsst und für ihn gesungen“
„In dieser kurzen Zeit sind unendlich viele Emotionen auf uns hereingeprasselt. Wir wollten alles, was ein Kindheitsleben ausmacht, in diese paar Stunden hineinpacken. Also haben wir ihn in die Sonne gehalten, mit ihm gegessen und uns mit ihm unterhalten. Wir haben geweint, gelacht und wieder geweint. Wir haben ihn gedrückt, geküsst, für ihn gesungen und ihm Geschichten erzählt“, sagt die Mutter.
Als symbolischen Akt hat Holler dessen Füße auf den Spitalsboden gestellt. „Damit er Spuren auf dieser Welt hinterlässt. Wenn auch nur kleine.“ Die Erinnerungen an damals sind auch heute noch präsent.
„In so einer Situation ist der Körper nur auf Überleben eingestellt, wir haben einfach funktioniert.“ Auf ärztliches Anraten wurde schließlich eine Obduktion durchgeführt und die Todesursache konnte festgestellt werden, ein Plazentainfarkt. „Das Baby war also die ganze Schwangerschaft über schon unterversorgt. Im Ultraschall hat allerdings alles gepasst, deshalb wurde es nicht bemerkt.“
Holler erzählt von den schwierigen Gedanken, die sie damals gequält haben, und ihren Schuldgefühlen. „Ich habe mir extreme Vorwürfe gemacht. Warum passiert das gerade mir? Warum hat mein Körper versagt?“ Oskar wurde drei Monate später verbrannt und die Urne gemeinsam mit Zeichnungen und einem Stofftier im Garten der Familie begraben. Eine Vitrine mit Kerzen, Fotos, dem Fußabdruck aus dem Spital und einer Leinwand mit Fingerabdrücken der Familie steht im Wohnzimmer.
So kann Oskar weiterhin „mittendrin“ sein. Der Weg zurück in den Alltag war hart, erzählt die 33jährige. „Ganz schlimm war für mich, wenn in der Nähe ein Baby geweint hat. Weil es mich immer daran erinnert hat, dass ich nie die Chance hatte, Oskar weinen zu hören.“ Halt gegeben haben ihr vor allem ihr Mann Silab, mit dem sie seit acht Jahren verheiratet ist, und ihr erster Sohn Max, 8. „Allein schon wegen Max musste sich das Rad weiterdrehen. Für ihn war Oskar ganz lange ein Fantasiefreund, der mit uns am Tisch gesessen ist, für den wir mitaufgedeckt haben oder der mit ihm in der Badewanne gespielt hat.“
Mittlerweile spricht die Südsteirerin öffentlich über ihren Verlust und die Trauer, die der Tod von Oskar mit sich brachte. Holler möchte damit jenen Mut machen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. „Leider ist das Thema Tot- oder Fehlgeburt in unserer Gesellschaft immer noch schambehaftet. Dabei ist es so wichtig, darüber zu reden und darauf aufmerksam zu machen.“
Viele Mütter schämen sich
Auf ihre Beiträge in den sozialen Medien folgten unterschiedlichste Reaktionen. „Die meisten sprachen mir ihr Mitgefühl aus. Nur ein Mal sagte eine ältere Dame zu mir, ich solle halt einfach ein neues Baby, ein Ersatzkind, kriegen.“ Andere meinten, das passiere ohnehin vielen. „Das mag schon stimmen, aber deshalb ist es nicht abgetan. Es ist immer ein Verlust. Mit meinem Kind ist auch ein Teil von mir gestorben.“
Viele Frauen und Mütter dieser sogenannten Sternenkinder kommen nun auf sie zu und erzählen von eigenen Erfahrungen. „Sie haben Angst davor, darüber zu sprechen, weil ihnen die Gesellschaft einredet, sie hätten als Mutter versagt.“
Holler würde sich mehr Unterstützung für betroffene Frauen und mehr Verständnis von der Gesellschaft wünschen. „Ein Kind in einem Grab, das passt nicht in unsere Gedankenwelt. Viele wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen. Die Menschen reagieren immer ganz irritiert, wenn ich von meinen drei Burschen erzähle. ,Wo ist der Dritte, ich sehe ihn nicht?‘, sagen sie dann. Aber nur, weil wir jemanden nicht sehen, heißt es nicht, dass es ihn nicht gibt. Er soll ja nicht in Vergessenheit geraten.“
Mit dem zweijährigen Xaver hat die Familie mittlerweile wieder Nachwuchs bekommen. „Natürlich hatte ich Angst, dass wieder etwas passiert. Es war ein seelisches Auf und Ab, teilweise bin ich mitten in der Nacht mit Panikattacken ins Spital gefahren. Als er etwas zu früh, aber gesund zur Welt gekommen ist, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählt Linda Holler. „Oskar ist trotzdem immer bei mir. Wenn ich mit ihm kuscheln möchte, stelle ich mich hinaus in die Sonne.“ Schuh
„Oskar war bis zu dem Zeitpunkt immer recht ruhig im Bauch. An dem Tag aber hat er wie wild gestrampelt. Darüber habe ich mich anfangs gefreut, dann aber fand ich es komisch, weil ich abends und am nächsten Tag plötzlich gar keine Bewegungen mehr wahrgenommen habe.“
Ein Termin im Spital bestätigte den mütterlichen Instinkt, beim Baby konnte kein Herzschlag mehr festgestellt werden. „Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass er da um sein Leben gekämpft hat.“ Mittels Kaiserschnitt holten die Ärzte Oskar am 28. April 2021 aus dem Bauch der Mutter, weniger als ein Monat vor dem errechneten Geburtstermin. Er kam auf die Welt, ohne jemals die Augen geöffnet zu haben. Danach hatten Holler und ihr Mann nur 24 Stunden Zeit, um sich von dem Kind zu verabschieden.
„Wir haben ihn gedrückt, geküsst und für ihn gesungen“
„In dieser kurzen Zeit sind unendlich viele Emotionen auf uns hereingeprasselt. Wir wollten alles, was ein Kindheitsleben ausmacht, in diese paar Stunden hineinpacken. Also haben wir ihn in die Sonne gehalten, mit ihm gegessen und uns mit ihm unterhalten. Wir haben geweint, gelacht und wieder geweint. Wir haben ihn gedrückt, geküsst, für ihn gesungen und ihm Geschichten erzählt“, sagt die Mutter.
Als symbolischen Akt hat Holler dessen Füße auf den Spitalsboden gestellt. „Damit er Spuren auf dieser Welt hinterlässt. Wenn auch nur kleine.“ Die Erinnerungen an damals sind auch heute noch präsent.
„In so einer Situation ist der Körper nur auf Überleben eingestellt, wir haben einfach funktioniert.“ Auf ärztliches Anraten wurde schließlich eine Obduktion durchgeführt und die Todesursache konnte festgestellt werden, ein Plazentainfarkt. „Das Baby war also die ganze Schwangerschaft über schon unterversorgt. Im Ultraschall hat allerdings alles gepasst, deshalb wurde es nicht bemerkt.“
Holler erzählt von den schwierigen Gedanken, die sie damals gequält haben, und ihren Schuldgefühlen. „Ich habe mir extreme Vorwürfe gemacht. Warum passiert das gerade mir? Warum hat mein Körper versagt?“ Oskar wurde drei Monate später verbrannt und die Urne gemeinsam mit Zeichnungen und einem Stofftier im Garten der Familie begraben. Eine Vitrine mit Kerzen, Fotos, dem Fußabdruck aus dem Spital und einer Leinwand mit Fingerabdrücken der Familie steht im Wohnzimmer.
So kann Oskar weiterhin „mittendrin“ sein. Der Weg zurück in den Alltag war hart, erzählt die 33jährige. „Ganz schlimm war für mich, wenn in der Nähe ein Baby geweint hat. Weil es mich immer daran erinnert hat, dass ich nie die Chance hatte, Oskar weinen zu hören.“ Halt gegeben haben ihr vor allem ihr Mann Silab, mit dem sie seit acht Jahren verheiratet ist, und ihr erster Sohn Max, 8. „Allein schon wegen Max musste sich das Rad weiterdrehen. Für ihn war Oskar ganz lange ein Fantasiefreund, der mit uns am Tisch gesessen ist, für den wir mitaufgedeckt haben oder der mit ihm in der Badewanne gespielt hat.“
Mittlerweile spricht die Südsteirerin öffentlich über ihren Verlust und die Trauer, die der Tod von Oskar mit sich brachte. Holler möchte damit jenen Mut machen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. „Leider ist das Thema Tot- oder Fehlgeburt in unserer Gesellschaft immer noch schambehaftet. Dabei ist es so wichtig, darüber zu reden und darauf aufmerksam zu machen.“
Viele Mütter schämen sich
Auf ihre Beiträge in den sozialen Medien folgten unterschiedlichste Reaktionen. „Die meisten sprachen mir ihr Mitgefühl aus. Nur ein Mal sagte eine ältere Dame zu mir, ich solle halt einfach ein neues Baby, ein Ersatzkind, kriegen.“ Andere meinten, das passiere ohnehin vielen. „Das mag schon stimmen, aber deshalb ist es nicht abgetan. Es ist immer ein Verlust. Mit meinem Kind ist auch ein Teil von mir gestorben.“
Viele Frauen und Mütter dieser sogenannten Sternenkinder kommen nun auf sie zu und erzählen von eigenen Erfahrungen. „Sie haben Angst davor, darüber zu sprechen, weil ihnen die Gesellschaft einredet, sie hätten als Mutter versagt.“
Holler würde sich mehr Unterstützung für betroffene Frauen und mehr Verständnis von der Gesellschaft wünschen. „Ein Kind in einem Grab, das passt nicht in unsere Gedankenwelt. Viele wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen. Die Menschen reagieren immer ganz irritiert, wenn ich von meinen drei Burschen erzähle. ,Wo ist der Dritte, ich sehe ihn nicht?‘, sagen sie dann. Aber nur, weil wir jemanden nicht sehen, heißt es nicht, dass es ihn nicht gibt. Er soll ja nicht in Vergessenheit geraten.“
Mit dem zweijährigen Xaver hat die Familie mittlerweile wieder Nachwuchs bekommen. „Natürlich hatte ich Angst, dass wieder etwas passiert. Es war ein seelisches Auf und Ab, teilweise bin ich mitten in der Nacht mit Panikattacken ins Spital gefahren. Als er etwas zu früh, aber gesund zur Welt gekommen ist, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen“, erzählt Linda Holler. „Oskar ist trotzdem immer bei mir. Wenn ich mit ihm kuscheln möchte, stelle ich mich hinaus in die Sonne.“ Schuh
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