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Ausgabe Nr. 16/2025 vom 15.04.2025, Foto: Sonntagsblatt/Gerd Neuhold
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Weihbischof Johannes Freitag
Weihbischof Johannes Freitag: „Wir müssen wieder lernen zu beten“
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Johannes Freitag war 19 Jahre lang Pfarrer von drei obersteirischen Gemeinden und leitete den Seelsorgeraum Eisenstraße. Am 1. Mai wird er nun zum Bischof geweiht. Ein Karriereweg, den der 52jährige gar nicht einschlagen wollte, wie er Barbara Reiter erzählt hat.
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Herr Freitag, Sie wurden am 31. Jänner zum Weihbischof der Diözese Graz-Seckau ernannt. Ihre bischöfliche Weihe erfolgt am 1. Mai im Grazer Dom. In einer ersten Reaktion
haben Sie gemeint, Ihre Bestellung habe Sie völlig überrascht. Kündigt sich so eine große Veränderung nicht in irgendeiner Weise an?


Es war klar, dass ein Weihbischof kommen wird. Bischof Wilhelm (Anm.: Diözesanbischof Krautwaschl) hat nach zehn Jahren gemerkt, dass er aufgrund der Größe der Diözese Graz-Seckau nicht mehr so präsent sein kann. Deshalb hat er im Jahr 2022 in Rom (Italien) um einen Weihbischof gebeten, der ihn als Stellvertreter unterstützt. Das Thema wurde auch im Priesterrat besprochen, in dem ich Vorstand bin. An meine Person gedacht habe ich aber mit keinem Atemzug. Der Fokus der Öffentlichkeit lag in einer anderen Richtung. Von daher war ich beruhigt, dass es mich nicht treffen wird. Jetzt sage ich: Gott überrascht und Gott hat Humor. Aber natürlich habe ich Respekt vor der Aufgabe.

Warum ist die Kirche so zögerlich, wenn es um Nachbesetzungen geht, zum Beispiel auch in Wien, wo es noch keine Nachfolge für den emeritierten Erzbischof
Christoph Schönborn gibt?


Ich glaube, die Suche nach geeigneten Kandidaten ist nicht einfach. Das sieht man vor allem mit Blick auf die exponierte Stelle des Erzbischofes von Wien. Ich bin mit der Materie nicht sehr befasst. Aber in Bereichen, wo es um Führung geht, besteht immer die Herausforderung, jemanden zu finden, der eine gewisse menschliche Reife und soziale Kompetenz einbringt. Ich denke, so ein Amt strebt auch niemand unbedingt an, was ich von meiner Person sagen kann. Aber ich dachte immer, wenn Gott anfragt, egal, um welche Aufgabe als Priester es sich handelt, wird er es mir zu erkennen geben.

Es ist immer ein schwieriger Schritt, die gewohnte Umgebung zu verlassen. Was wird Ihnen am meisten fehlen?

Ich bin zuerst Mensch, dann erst Priester. Ich durfte jetzt 19 Jahre lang Trofaiach und die beiden benachbarten Gemeinden Vordernberg und St. Peter-Freienstein betreuen und war mit den Menschen dort sehr verbunden. Auch durch meine Tätigkeit in der Militärseelsorge habe ich in den vergangenen fünf Jahren bei der Begegnung mit jungen Menschen gemerkt, dass sich etwas tut, das heißt, es ist seelsorgerisch etwas aufgegangen. Ich habe Ziele und Visionen entwickelt und umgesetzt, das macht das Loslassen schwierig. Meine Schaffenskraft war groß und dauerte lang. Als ich gekommen bin, war ich 34 Jahre alt, jetzt bin ich 52.

Viele Katholiken treten aus der Kirche aus, es gibt religiöse Veränderungen in der Gesellschaft. Was werden die größten Herausforderungen Ihrer Tätigkeit als Weihbischof sein?

Das Interreligiöse ist bestimmt fordernd, aber gleichzeitig spannend. Das Wichtigste ist, dem Fremden respektvoll zu begegnen, aber auch die christlichen Werte unseres Landes verdienen es, nicht mit Füßen getreten zu werden. Ich habe oft den Eindruck, das Eigene ist zu selbstverständlich. Wenn wir nicht vermitteln können, dass uns unser Glaube mit dem Brauchtum und den christlichen Feiertagen etwas wert ist, wie sollen ihn dann andere schätzen? Menschen, die durch die Migrationsbewegung zu uns kommen, werden Achtung vor unserem Glauben haben, wenn auch wir dazu stehen. Sie fordern sogar heraus, dass wir uns bekennen. Die Aufgabe wird sein, wieder zu lernen, unseren christlichen Glauben zum Ausdruck zu bringen.

Woran denken Sie konkret?

Nehmen wir die Fastenzeit. In unserer Region habe ich oft von jungen Menschen gehört, dass sie sich lieber an den Ramadan, den Fastenmonat der Muslime, halten, als bei uns zu fasten, mit der Begründung, das sei lustiger, weil mehr Menschen mitmachen. Da frage ich mich schon, was bei uns schiefgelaufen ist, wenn jemand das Bekenntnis zum eigenen Glauben nicht hat. Ich meine, der Ramadan ist in aller Munde, aber was ist mit den Christen in unserem Land, die 40 Tage vor Ostern fasten? Das wird nicht nur gemacht, um schlank zu werden oder auf Alkohol zu verzichten. Es wird gemacht, um näher zu Gott, den Mitmenschen und uns selbst zu finden. Wichtig wäre, sich mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen. Wer weiß noch, dass wir Christen katholische Traditionen wie das Freitagsgebot haben?

Sie meinen, am Freitag auf Fleisch zu verzichten?

Das ist ein Kirchengebot, das für unsere Eltern und Großeltern selbstverständlich war. Früher hat es am Freitag Zwetschkenknödel oder eine Gemüsesuppe gegeben. Das wurde mir bewusst, als ich mit dem Imam Ramazan und dem Rabbiner Shlomo im Fernsehen gekocht habe (Anm.: für die ORF-Sendung „kreuz und quer“). Wenn jemand sagt, er isst koscher, wissen wir, er ist ein gläubiger Jude. Isst ein Mensch halal, ist er gläubiger Muslim. Und wenn jemand am Freitag kein Fleisch isst, wissen wir, er ist Christ in der katholischen Tradition. So sollte es eigentlich sein.

Wie könnte es uns gelingen, unseren Glauben besser zu leben?

Das fängt damit an, in der Kaserne, im Gasthaus oder im Restaurant vor dem Essen ein Kreuz zu machen. Grundsätzlich ist das nicht schwierig, die Herausforderung ist, sich zu bekennen. Ein Moslem betet fünf Mal am Tag und hält sich an den Ramadan. So macht er seinen Glauben nach außen sichtbar. Jetzt geht es darum, unser eigenes Profil zu leben und zu schärfen – einladend mit gewisser Gelassenheit, aber auch Ernsthaftigkeit. Es beginnt schon damit, sich über den Glauben nicht lustig zu machen. Was soll sich jemand, der von außen kommt, sonst denken?

Vor dem Essen öffentlich ein Kreuzzeichen zu machen, kostet Überwindung …

Wenn ich irgendwo in der Öffentlichkeit zum Essen eingeladen bin, ist das auch für mich eine Herausforderung. Trotzdem merke ich, wie wichtig dieses Zeichen ist. Wenn im Gasthaus nicht nur einer in zehn Jahren ein Kreuz macht, sondern vielleicht zehn an einem Tag, ist das schon etwas anderes. Dann wird es vielleicht auch wieder selbstverständlich, dass sich jemand vor dem Essen bekreuzigt. Das Wir-Gefühl und diese Identität, die gläubige Muslime haben, sollten uns auch bestärken, zu unserem Glauben zu stehen. Es ist keine Schande, wenn jemand den Ramadan einhält, es ist aber auch keine Schande, wenn jemand betet. Wir müssen es einfach wieder lernen.

Zur Person

Johannes Freitag wurde am 24. Juni 1972 in Knittelfeld (Stmk.) geboren. Nach der Matura trat er 1992 in das Priesterseminar der Diözese Graz-Seckau ein und absolvierte ein Theologie-Studium, das er 1999 abschloss.

Seine Priesterweihe erfolgte im Juni 2000, sechs Jahre später wurde er Pfarrer des Pfarrverbandes Trofaiach-Vordernberg-St. Peter-Freienstein. Im Jahr 2012 schloss Freitag ein „Master“-Studium im Bereich Management ab und war danach als Militärpfarrer nebenbei tätig.

Seine Bischofsweihe am 1. Mai findet ab 10 Uhr im Grazer Dom statt. ORF III überträgt die Feier live.
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