SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer, 60:
„Es werden jedenfalls zwei harte Jahre“
„Es werden jedenfalls zwei harte Jahre“
Jetzt neu: Hier klicken
und Artikel an Freunde verschenken.
und Artikel an Freunde verschenken.
Er ist seit fast 40 Jahren SPÖ-Mitglied und war der oberste Wirtschaftswissenschaftler der Arbeiterkammer (AK). Im Interview erklärt Markus Marterbauer, warum sich die Abschaffung des Klimabonus auf unser Erspartes auswirkt und die höhere Krankenversicherung für Pensionisten fair ist.
Auf Play drücken
um Artikel vorlesen
zu lassen.
um Artikel vorlesen
zu lassen.
Herr Finanzminister, innerhalb von Tagen hat sich das Staats-Minus vervielfacht. Wie kann das sein?
Das Budget ist ein bisschen ein Abbild der Wirtschaftsentwicklung. Im Laufe des Jahres 2024 haben sich die Budgeterwartungen verschlechtert, weil die wirtschaftliche Lage immer schlechter wurde. Im Oktober 2023 hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für 2024 ein reales Wirtschaftswachstum von plus 1,2 Prozent prognostiziert, jetzt sind wir bei minus 1,2 Prozent. Da ist eine Welt dazwischen.
Die Staatseinnahmen hängen an der Wirtschaftsentwicklung und an der Beschäftigung. Als wir vor einem Monat hierherkamen, haben wir gewusst, dass das Budgetdefizit schon viel höher ist. Ein bisschen überrascht hat uns die Höhe jetzt doch noch, mit den Zusatzinformationen von Ländern und Gemeinden.
Das Finanzministerium hat erst nach der Nationalratswahl bekannt gegeben, dass es ein Defizit von mehr als drei Prozent gibt. Wurde etwas verschleiert?
Aus dem Haus sicher nicht. Ich habe die Beamtinnen und Beamten des Hauses kennengelernt, das sind Top-Experten und -Expertinnen. Der Rest ist Vergangenheit und wir schauen in die Zukunft.
Sie wollen Ihrem Vorgänger nichts Böses nachsagen?
Will ich nicht.
Sie haben „zwei harte Jahre“ vorhergesagt, werden es jetzt ein paar mehr harte Jahre?
Unmittelbar werden es auf jeden Fall zwei harte Jahre. Die Sanierung ist dann noch nicht vorbei, aber den gröbsten Teil haben wir dann geschafft. Heuer macht das Sanierungsprogramm den größten Teil aus, mehr als sechs Milliarden Euro. Wir hatten noch nie ein so umfassendes Sparpaket wie das heurige. Ich hoffe zudem, dass die wirtschaftliche Entwicklung besser wird, das ist eine
Voraussetzung dafür, dass die Sanierung gelingt.
Sie haben als Arbeiterkammer-Chefökonom 15.000 verlorene Arbeitsplätze vorhergesagt, wenn das Sparpaket von FPÖ/ÖVP kommt. Jetzt ist das Sparpaket fast dasselbe …
Jede Budgetsanierung wirkt sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung und damit auf die Beschäftigung aus. Wir haben jetzt aber eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die kaum oder nur geringe Dämpfungseffekte haben, etwa die Bankenabgabe. Ich wüsste nicht, warum sich das in irgendeiner Weise negativ auswirken sollte, wenn die Banken 350 Millionen Euro mehr zahlen, bei einem Gewinn von zwölf Milliarden.
Wir haben zudem eine Reihe von Offensivmaßnahmen, beispielsweise heuer zusätzlich mehr als 220 Millionen Euro für Qualifizierung und Beschäftigungssicherung. Ich glaube auch, dass der größte Beitrag zur Sanierung, die Abschaffung des Klimabonus wenig Effekte haben wird, sondern eher verringerte Ersparnisse mit sich bringen wird.
Auswirkungen auf die Ersparnisse klingt aber auch nicht gut.
Wir greifen die Ersparnisse nicht an. Aber wenn die verfügbaren Einkommen etwas sinken, dann finanzieren viele Haushalte das nicht, indem der Konsum schwächer wird, sondern indem weniger gespart wird. Es ist vor allem das obere Drittel der Haushalte, das sehr viel spart, bis zur Hälfte ihres Einkommens. Wenn sie keinen Klimabonus bekommen, verändern sie den Konsum gar nicht, sie sparen halt ein bisschen weniger und das ist kein Drama.
Als AK-Chefökonom haben Sie gewarnt, dass sich die Abschaffung des Klimabonus vor allem auf die Niedrigverdiener auswirkt. Die haben gar kein Erspartes, auf das sie zurückgreifen können …
Ja, vor allem Niedrigverdiener am Land, die nicht direkt auf den öffentlichen Verkehr umsteigen können, sind hauptbetroffen. Aber insgesamt sind die Auswirkungen relativ gering.
Ist die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten tatsächlich notwendig?
Ja, das ist fair, weil alle Bevölkerungsgruppen zur Sanierung beitragen. Ich kann keinen zweistelligen Milliardenbetrag sparen, ohne dass es jemand merkt. Alle Bevölkerungsgruppen müssen beitragen. Ich glaube jedoch, dass das Verständnis bei den Pensionistinnen und Pensionisten relativ hoch ist. Sie wissen, dass sie viele Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen und wir wollen diese in bester Qualität bieten. Das kostet aber etwas. Die Alternative wäre gewesen, die Pensionsanpassungen zu kürzen und das hielte ich für den viel schlechteren Weg.
Die Koalition hat sich zu höheren Verteidigungsausgaben bekannt, der Raketenabwehrschirm „Sky Shield“ kommt auch. Wäre das Geld nicht besser in Bildung, Gesundheit und Pflege angelegt?
Generell ist es so, dass sich aufgrund dieser Lage, ich sage nur Trump und Putin, Europa auf die Hinterbeine stellen muss. Das betrifft bestimmt auch die Verteidigung, aber nicht nur. Wir müssen das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell stärken.
Es spricht einiges dafür, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, aber es ist nicht so, dass das Verteidigungsministerium sagen könnte, für uns gelten die Sparbedingungen nicht. Sie müssen genauso sparen wie jedes andere Ministerium, wir werden manche Projekte vielleicht verschieben müssen. Es ist nicht so, dass, wenn jetzt irgendwelche Panzer und Raketen gekauft werden, das nicht die Staatsschuld erhöhen würde oder meine Finanzierungskosten für die Staatsschuld.
Die FPÖ fürchtet, dass wir mit einem EU-Defizitverfahren „die finanzielle Souveränität nach Brüssel“ abtreten. Sie nicht?
Das ist Unsinn. Ich halte es für wirklich gefährlich, wenn im Sinne einer Politik der Angstmacherei gesagt wird, wir werden „besachwaltet“ oder was ich da alles Haarsträubendes gehört habe.
Jeder, der sich mit dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit beschäftigt hat, weiß, dass das falsch ist. Wenn die Kommission und der Rat der Finanzminister im Juli das Verfahren für Österreich eröffnen, was ich erwarte, dann bedeutet das im Wesentlichen, dass wir die Schritte, die wir zur Budgetsanierung setzen, Brüssel mitteilen müssen. Niemand anderer als Österreich wird über die Maßnahmen entscheiden.
Sie haben Ex-Kanzler Nehammer für den Posten als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) vorgeschlagen, mit einem Verdienst von 31.500 Euro brutto im Monat. Ein Versorgungsposten für jemanden, der als Regierungs-Chef dieses Finanz-Schlamassel hinterlassen hat?
Es ist kein Versorgungsposten, das ist harte Arbeit dort. Das Gehalt des EIB-Vizepräsidenten bestimme nicht ich, das bestimmt die EIB. Aber ich halte es auch für außergewöhnlich hoch, deutlich höher als das Gehalt des Bundeskanzlers zum Beispiel. In der EIB finden sich viele ehemalige Politikerinnen und Politiker. Die jetzige EIB-Präsidentin war spanische Finanzministerin, ein Vizepräsident aus unserem Land war vorher Finanzminister. Es ist das Ziel der EIB, Menschen zu nehmen, die politische Erfahrung und wirtschaftliches Verständnis haben.
Karl Nehammer war aber nicht Finanzminister …
Nein, aber als Bundeskanzler ist man wirklich mit allen Themen beschäftigt. bike
Das Budget ist ein bisschen ein Abbild der Wirtschaftsentwicklung. Im Laufe des Jahres 2024 haben sich die Budgeterwartungen verschlechtert, weil die wirtschaftliche Lage immer schlechter wurde. Im Oktober 2023 hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für 2024 ein reales Wirtschaftswachstum von plus 1,2 Prozent prognostiziert, jetzt sind wir bei minus 1,2 Prozent. Da ist eine Welt dazwischen.
Die Staatseinnahmen hängen an der Wirtschaftsentwicklung und an der Beschäftigung. Als wir vor einem Monat hierherkamen, haben wir gewusst, dass das Budgetdefizit schon viel höher ist. Ein bisschen überrascht hat uns die Höhe jetzt doch noch, mit den Zusatzinformationen von Ländern und Gemeinden.
Das Finanzministerium hat erst nach der Nationalratswahl bekannt gegeben, dass es ein Defizit von mehr als drei Prozent gibt. Wurde etwas verschleiert?
Aus dem Haus sicher nicht. Ich habe die Beamtinnen und Beamten des Hauses kennengelernt, das sind Top-Experten und -Expertinnen. Der Rest ist Vergangenheit und wir schauen in die Zukunft.
Sie wollen Ihrem Vorgänger nichts Böses nachsagen?
Will ich nicht.
Sie haben „zwei harte Jahre“ vorhergesagt, werden es jetzt ein paar mehr harte Jahre?
Unmittelbar werden es auf jeden Fall zwei harte Jahre. Die Sanierung ist dann noch nicht vorbei, aber den gröbsten Teil haben wir dann geschafft. Heuer macht das Sanierungsprogramm den größten Teil aus, mehr als sechs Milliarden Euro. Wir hatten noch nie ein so umfassendes Sparpaket wie das heurige. Ich hoffe zudem, dass die wirtschaftliche Entwicklung besser wird, das ist eine
Voraussetzung dafür, dass die Sanierung gelingt.
Sie haben als Arbeiterkammer-Chefökonom 15.000 verlorene Arbeitsplätze vorhergesagt, wenn das Sparpaket von FPÖ/ÖVP kommt. Jetzt ist das Sparpaket fast dasselbe …
Jede Budgetsanierung wirkt sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung und damit auf die Beschäftigung aus. Wir haben jetzt aber eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die kaum oder nur geringe Dämpfungseffekte haben, etwa die Bankenabgabe. Ich wüsste nicht, warum sich das in irgendeiner Weise negativ auswirken sollte, wenn die Banken 350 Millionen Euro mehr zahlen, bei einem Gewinn von zwölf Milliarden.
Wir haben zudem eine Reihe von Offensivmaßnahmen, beispielsweise heuer zusätzlich mehr als 220 Millionen Euro für Qualifizierung und Beschäftigungssicherung. Ich glaube auch, dass der größte Beitrag zur Sanierung, die Abschaffung des Klimabonus wenig Effekte haben wird, sondern eher verringerte Ersparnisse mit sich bringen wird.
Auswirkungen auf die Ersparnisse klingt aber auch nicht gut.
Wir greifen die Ersparnisse nicht an. Aber wenn die verfügbaren Einkommen etwas sinken, dann finanzieren viele Haushalte das nicht, indem der Konsum schwächer wird, sondern indem weniger gespart wird. Es ist vor allem das obere Drittel der Haushalte, das sehr viel spart, bis zur Hälfte ihres Einkommens. Wenn sie keinen Klimabonus bekommen, verändern sie den Konsum gar nicht, sie sparen halt ein bisschen weniger und das ist kein Drama.
Als AK-Chefökonom haben Sie gewarnt, dass sich die Abschaffung des Klimabonus vor allem auf die Niedrigverdiener auswirkt. Die haben gar kein Erspartes, auf das sie zurückgreifen können …
Ja, vor allem Niedrigverdiener am Land, die nicht direkt auf den öffentlichen Verkehr umsteigen können, sind hauptbetroffen. Aber insgesamt sind die Auswirkungen relativ gering.
Ist die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten tatsächlich notwendig?
Ja, das ist fair, weil alle Bevölkerungsgruppen zur Sanierung beitragen. Ich kann keinen zweistelligen Milliardenbetrag sparen, ohne dass es jemand merkt. Alle Bevölkerungsgruppen müssen beitragen. Ich glaube jedoch, dass das Verständnis bei den Pensionistinnen und Pensionisten relativ hoch ist. Sie wissen, dass sie viele Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen und wir wollen diese in bester Qualität bieten. Das kostet aber etwas. Die Alternative wäre gewesen, die Pensionsanpassungen zu kürzen und das hielte ich für den viel schlechteren Weg.
Die Koalition hat sich zu höheren Verteidigungsausgaben bekannt, der Raketenabwehrschirm „Sky Shield“ kommt auch. Wäre das Geld nicht besser in Bildung, Gesundheit und Pflege angelegt?
Generell ist es so, dass sich aufgrund dieser Lage, ich sage nur Trump und Putin, Europa auf die Hinterbeine stellen muss. Das betrifft bestimmt auch die Verteidigung, aber nicht nur. Wir müssen das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell stärken.
Es spricht einiges dafür, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, aber es ist nicht so, dass das Verteidigungsministerium sagen könnte, für uns gelten die Sparbedingungen nicht. Sie müssen genauso sparen wie jedes andere Ministerium, wir werden manche Projekte vielleicht verschieben müssen. Es ist nicht so, dass, wenn jetzt irgendwelche Panzer und Raketen gekauft werden, das nicht die Staatsschuld erhöhen würde oder meine Finanzierungskosten für die Staatsschuld.
Die FPÖ fürchtet, dass wir mit einem EU-Defizitverfahren „die finanzielle Souveränität nach Brüssel“ abtreten. Sie nicht?
Das ist Unsinn. Ich halte es für wirklich gefährlich, wenn im Sinne einer Politik der Angstmacherei gesagt wird, wir werden „besachwaltet“ oder was ich da alles Haarsträubendes gehört habe.
Jeder, der sich mit dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit beschäftigt hat, weiß, dass das falsch ist. Wenn die Kommission und der Rat der Finanzminister im Juli das Verfahren für Österreich eröffnen, was ich erwarte, dann bedeutet das im Wesentlichen, dass wir die Schritte, die wir zur Budgetsanierung setzen, Brüssel mitteilen müssen. Niemand anderer als Österreich wird über die Maßnahmen entscheiden.
Sie haben Ex-Kanzler Nehammer für den Posten als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) vorgeschlagen, mit einem Verdienst von 31.500 Euro brutto im Monat. Ein Versorgungsposten für jemanden, der als Regierungs-Chef dieses Finanz-Schlamassel hinterlassen hat?
Es ist kein Versorgungsposten, das ist harte Arbeit dort. Das Gehalt des EIB-Vizepräsidenten bestimme nicht ich, das bestimmt die EIB. Aber ich halte es auch für außergewöhnlich hoch, deutlich höher als das Gehalt des Bundeskanzlers zum Beispiel. In der EIB finden sich viele ehemalige Politikerinnen und Politiker. Die jetzige EIB-Präsidentin war spanische Finanzministerin, ein Vizepräsident aus unserem Land war vorher Finanzminister. Es ist das Ziel der EIB, Menschen zu nehmen, die politische Erfahrung und wirtschaftliches Verständnis haben.
Karl Nehammer war aber nicht Finanzminister …
Nein, aber als Bundeskanzler ist man wirklich mit allen Themen beschäftigt. bike
Weitere Inhalte dieser Ausgabe:
Ihre Meinung
Ihre Meinung ist uns wichtig.
Schreiben Sie Ihren Kommentar zu diesem Artikel, den wir dann prüfen und veröffentlichen werden.
Schreiben Sie Ihren Kommentar zu diesem Artikel, den wir dann prüfen und veröffentlichen werden.
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Werbung