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Ausgabe Nr. 14/2025 vom 01.04.2025, Fotos: Cynthia Vice Acousta/Kauck
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Das Brautpaar Michelle und Antonio mit dem schwerkranken Brautvater Jose Avila.
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Jose Avila bei der Hochzeit im Kreise seiner Liebsten.
Tochter feiert Hochzeit im Spital des todkranken Vaters
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Die Amerikanerin Michelle Avila und ihr 65 Jahre alter Vater Jose hatten eine besonders innige Beziehung. Als er schwer am Norovirus erkrankte und im Sterben lag, war die Trauer groß. Um ihm seinen letzten Wunsch erfüllen zu können, verlegte Avila die geplante Hochzeit zu ihm ins Spital. Dort gab er seiner Tochter kurz vor seinem Tod seinen Segen.
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Der Spitalsflur war mit gelben Sonnenblumen und roten Rosen geschmückt. Auf dem Boden verstreut lagen die Blütenblätter, über die die Braut auf den Mann im Rollstuhl zuging. Der 65jährige Jose Avila hatte voller Vorfreude auf diesen Moment gewartet.

Im Rollstuhl sitzend und mit einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht, blickte der todkranke Mann seiner Tochter Michelle entgegen.

„Ich sah das Glück in seinen Augen“, erzählt Michelle Avila, als sie an diesen besonderen Moment zurückdenkt. „Der Augenblick war bittersüß. Es gab viele Tränen, weil ich wusste, ich würde meinen Vater verlieren und mein weiteres Leben nicht mehr mit ihm teilen können. Immerhin konnte ich ihm seinen letzten Wunsch erfüllen, indem ich heiratete.“

Hochzeitspläne von Krankheit durchkreuzt

Michelle Avila ist die jüngste Tochter der insgesamt fünf Kinder ihres Vaters. Er ist bereits als kleiner Bub von Mexiko in die USA eingewandert und hat in Lubbock (Texas) eine Familie gegründet. Mit Anfang dreißig war Michelle Avila deren letzte unverheiratete Frau. Jose Avila hatte oft gescherzt und zu seiner Familie gesagt, „Ich werde den Griffel nicht weglegen, bevor ihr nicht alle sicher im Hafen der Ehe gelandet seid.“

Dementsprechend groß war die Freude, als die Tochter dem Vater vor zwei Jahren schließlich ihren Freund Antonio Moreno, 34, vorstellte, einen Ingenieur. „Ich mag ihn“, ließ Jose Avila seine Tochter wissen, nachdem er ihren Liebsten zu einem ausführlichen Gespräch gebeten hatte. „Lass ihn nicht entwischen“, sagte er damals und lachte.

„Er ist der Richtige für dich.“ Im Jänner 2024 bekam Avila schließlich einen Antrag. Gemeinsam gingen die
beiden aufs Amt, um sich die vorgeschriebene Heirats-
lizenz zu holen. „Wir planten die Hochzeit für den 8. Mai. Zusammen mit meiner Schwester Ana bereitete ich die Feier vor.

Wir mieteten einen Ballsaal, ich bestellte das Brautkleid, lud die Gäste ein. Aber dann kam alles ganz anders“, sagt Michelle Avila. Ihr Vater kränkelte seit Jahren und wurde, trotz regelmäßiger Arztbesuche, immer schwächer.

Dann kamen auch Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall dazu. Avila und ihr Verlobter fuhren ihn zur Notstation des UMC-Spitals in Lubbock. Einige Untersuchungen später wurde Jose Avila eine Infektion mit dem Norovirus diagnostiziert. Die Behandlungen dauerten noch an, als plötzlich Schmerzen im Unterleib hinzukamen. Avilas Nieren waren nicht mehr funktionsfähig und kurz vor dem Kollaps.

Die Ärzte behielten ihn im Spital, seitdem war er an den Rollstuhl gefesselt. Nur die Dialyse und die Sauerstoffflasche hielten ihn am Leben. „Macht euch keine Sorgen“, versuchte der Kranke seine Familie zu beruhigen.

„Im Mai bin ich bestimmt wieder fit. Ich bin doch derjenige, der die Braut zum Altar führen muss.“ Doch auch Anfang Mai war keine gesundheitliche Besserung in Sicht. So äußerte Moreno seiner Verlobten gegenüber seine Zweifel. „Glaubst du wirklich, dass dein Vater zur Hochzeit kommen kann? In seinem Zustand?“ Als er Michelle Avilas bedenkliche Miene sah, machte er ihr einen Vorschlag. „Vielleicht sollten wir stattdessen bei ihm im Spital feiern. Es muss ja keine große Angelegenheit werden.“ Michelle Avila stimmte zu.

Hochzeitsplanerin dekorierte das Spital

Am nächsten Tag kontaktierte Avila das Spital, in dem ihr Vater untergebracht war. Sie telefonierte lange mit der leitenden Krankenschwester Sheena Helm.

„Ich werde den Chef fragen“, erwiderte diese auf die ungewöhnliche Bitte, eine kleine Hochzeitsfeier im Krankenzimmer zu gestatten. Schon ein paar Stunden später traf per Kurznachricht die Antwort ein, „Er ist einverstanden.“

So kam es, dass am 7. Mai 2024, um 9 Uhr in der Früh, im städtischen Hochzeitspalast „Eventfully Yours“, das Telefon klingelte. „Hier ist die Notstation des UMC-Spitals“, meldete sich die Krankenschwester zu Wort.

„Vor Schreck wäre mir fast das Telefon aus der Hand geglitten“, erinnert sich die Hochzeitsplanerin Julie Hodges zurück. „Es war in der Tat ein ungewöhnlicher Anruf. Sie baten uns, einen Spitalsflur und einen Patientenraum für eine Hochzeit herzurichten. Es sei der letzte Wunsch eines todkranken Vaters.“

Diesen Wunsch konnte ihm die Hochzeitsplanerin natürlich nicht abschlagen. „Ich kontaktierte sofort meine beiden Mitarbeiter“, erzählt Hodges. „Wir beluden mein Auto mit allem möglichen Hochzeitszubehör und fuhren zum Spital. Für uns war es eine große Ehre, diesen letzten Wunsch erfüllen zu dürfen.“

Obgleich Jose Avila am Hochzeitstag bereits äußerst schwach war, streckte er seiner Tochter auf dem dekorierten Spitalsflur beide Arme entgegen. Die Krankenschwestern hatten ihm ein braunes Sakko besorgt und ihn fein eingekleidet. Michelle Avilas Schwager Christian führte die Braut durch ein Spalier aus Ärzten, Schwestern, medizinischen Helfern, Freunden und Familienmitgliedern zu ihrem Vater. Antonio Morenos neunjähriger Sohn Carlos streute Blumen.

Eine Krankenschwester hatte einen Gitarristen organisiert, der mexikanische Volkslieder spielte und die Zeremonie musikalisch untermalte. Nach der Trauung drückte Jose Avila sanft die Hände des Paares und flüsterte, „Ich wünsche euch ein Leben voller Glück und Liebe.“

Nach der Feier zogen sich Vater und Tochter zurück in ein Zimmer.

„Er hatte merkliche Schwierigkeiten zu sprechen“, erzählt die Frischvermählte. Aber sie vernahm seine Worte, „Nun kann ich ruhen.“

Am nächsten Tag war Avila unfähig, sich zu bewegen, zwei Tage darauf starb er. Trotz der Trauer konnte Michelle Avila einen positiven Gedanken fassen. „Es gibt mir Frieden zu wissen, dass ich meinen Vater zum Schluss noch einmal glücklich machen konnte“, sagte sie am Grab.
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