Die Wiener Kaffeehaus-Tradition: Ein Platzerl fürs Plauscherl
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Kaffeehäuser gibt es auf der ganzen Welt. Kein Ort ist jedoch enger mit dem dampfenden Getränk verbunden als unsere Bundeshauptstadt. Die alteingesessenen Kaffeehäuser in Wien sind mit ihrem unvergleichlichen Charme bereits ein Weltkulturerbe.
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Du hast Sorgen, sei es die, sei es jene – ins Kaffeehaus! Du findest keine, die dir passt – ins Kaffeehaus! Du hasst und verachtest die Menschen und kannst sie dennoch nicht missen – ins Kaffeehaus!“ – Diese Zeilen verfasste der Schriftsteller Peter Altenberg (1859 bis 1919), der zu den prominentesten Stammgästen im Café Central gehörte. Eröffnet im Jahr 1868, ist das Kaffeehaus im Erdgeschoß des im toskanischen Neorenaissance-Stil errichteten Palais Ferstel in der Wiener Herrengasse beheimatet.
Für Altenberg war das Café Central sein „Zuhause“, das er als seine Wohnadresse angab und wohin er sich die Post schicken ließ. Selbst heute sitzt der Literat noch dort – in Form einer Pappmaché-Figur an einem Tisch beim Eingang.
Die Faszination rund um das Wiener Kaffeehaus in Worte zu fassen, damit taten sich selbst die Literaten schwer. Stefan Zweig (1881 bis 1942) hielt in seinen Memoiren fest, dass das Wiener Kaffeehaus eine „Institution der besonderen Art darstellt, die mit keiner in der Welt zu vergleichen ist“. Von einer „nomadenhaften Häuslichkeit“ sprach Karl Kraus (1874 bis 1936), Alfred Polgar (1873 bis 1955) philosophierte über die „holde Wurschtigkeit des Augenblicks“.
„Im Kaffeehaus wurden literarische Schulen und Stile geboren und wieder verworfen, vom Kaffeehaus nahmen neue Richtungen der Maler, der Musik und Architektur ihren Ausgang“, schrieb Friedrich Torberg (1908 bis 1979), der stolz darauf war, als „Kaffeehausliterat“ tituliert zu werden.
Wie wichtig das Kaffeehaus in der kargen Zwischenkriegszeit für die Menschen war, darüber wusste Karl Farkas (1893 bis 1971) zu berichten. Er meinte, dass er oft völlig mittellos stundenlang bei einer trockenen Semmel im Kaffeehaus saß, um dort zu erfahren, was es Neues in der Stadt gab und ob nicht doch irgendwo eine Arbeit abzustauben sei. Irgendwann bat er dann den „Herrn Ober Lehner“, ihm doch den Platz freizuhalten, denn er gehe jetzt rasch nach Hause, um dort einen Kaffee zu trinken.
Die Kaffeehauskultur in Wien ist Tradition
Bei genauerer Betrachtung der historischen Huldigungen fällt auf, dass kaum bis gar nicht vom namensgebenden Heißgetränk, dem Kaffee, die Rede ist. „Das Wiener Kaffeehaus ist ein Ort des Aufenthaltes, an dem es nicht primär ums Kaffeetrinken geht. Die Wiener Kaffeehauskultur ist mehr als nur guter Kaffee, sie ist eine Tradition, ein Lebensgefühl“, erklärt der Cafetier Berndt Querfeld, der Inhaber des Café Landtmann, das in den 1970er Jahren von seiner Familie übernommen wurde.
In der Nachbarschaft des Burgtheaters sowie des Rathauses gelegen, gilt das Landtmann seit 150 Jahren als Institution in Wien. Es gehört neben dem Café Prückel und dem Café Schwarzenberg zu den noch verbliebenen Ringstraßen-Kaffeehäusern, von denen es in der Kaffeehaus-Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als dreißig gab. Das älteste heute noch existierende Kaffeehaus Wiens ist das Café Frauenhuber in der Himmelpfortgasse in der Innenstadt, wo im Vorjahr das 200jährige Bestehen gefeiert wurde.
Der wahre Ursprung der Wiener Kaffeehaustradition, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, ist allerdings nicht vollkommen geklärt. Legende und Wahrheit sind dabei schwer auseinanderzuhalten. Die Türken haben bei ihrer Belagerung Wiens im Jahr 1683 der Sage nach den Kaffee zu uns gebracht. Ein gewisser Georg Franz Kolschitzky soll, als Türke verkleidet, die feindlichen Linien durchbrochen und Karl von Lothringen eine wichtige Nachricht überbracht haben. Für diese Heldentat wurde er belohnt, unter anderem mit Säcken voller dunkler Bohnen. Kolschitzky soll damit das erste Wiener Kaffeehaus in der Nähe des Wiener Stephansdomes gegründet haben. Diese Legende hat sich jahrhundertelang gehalten. Tatsächlich wurde das erste dokumentierte Kaffeehaus in Wien im Jahr 1683 vom armenischen Spion Johannes Theodat (auch Deodato genannt) eröffnet. Der stand im Dienst des Wiener Hofes, war aufgrund seiner Herkunft mit der Zubereitung der Kaffeebohnen bestens vertraut und erhielt die erste offizielle Kaffeeschank-Erlaubnis. Die schlichte Gaststätte mit Holzbänken befand sich am Haarmarkt, in der heutigen Rotenturmstraße 14.
Ebenso sagenhaft, weil bislang unerforscht, ist der Name desjenigen, der den Kaffee mit Milch und Zucker vermengte. Mit der „Melange“ eroberte der unbekannte Erfinder die Wiener Herzen und Gaumen und machte mit der berühmten Kaffeespezialität das Kaffeehaus noch beliebter. „Die durch Napoleon im Jahr 1806 ausgelösten Handelsblockaden stellten die Kaffeehäuser dann aber auf eine harte Probe. Der Zoll auf Kaffeebohnen war so hoch, dass sie kaum noch leistbar waren. Als unser Land der Handelssperre beitrat, standen die Wiener Kaffeehäuser kurz vor dem Ruin. In dieser Zeit wurde allerdings erstmals gestattet, Wein auszuschenken und warme Speisen zu servieren. Mit dem Ende der Handelssperre gab es auch wieder Kaffee im Kaffeehaus. In der Zeit um 1800 war es verboten, in Kaffeehäusern zu rauchen. Es gab Raucherzimmer, allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen wie heute, sondern einfach deshalb, weil es für die Nichtraucher unangenehm war“, erzählt Mag. Karl Schilling, der das Kaffeemuseum im fünften Bezirk, www.kaffeemuseum.at, leitet.
Kaffeehäuser waren einst Männer-Klubs
Dort bekommen die Besucher historische Exponate zu sehen und können dabei zugleich in die Geschichte der braunen Bohne eintauchen. „Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Kaffeehäuser fast ausschließlich Männer-Klubs. ,Mann‘ wollte der Ehefrau, den Kindern und dem Küchengeruch entfliehen und unter sich sein.
Die einzige Dame, der ein Zutritt gewährt wurde, war die sogenannte ,Sitzkassiererin‘. Sie hatte eine wichtige Aufgabe, saß sie doch hinter ihrem Tischchen, um die Verteilung des Zuckers zu überwachen und die Abrechnung vorzunehmen. Erst ab dem Jahr 1856 erhielten Frauen Zutritt, jedoch nur in Begleitung, um sie zu schützen, damit sie nicht angesprochen werden, und sie sollten auch keinen Alkohol trinken“, sagt Schilling. Im Jahr 1880 durften die Damen dann erstmals ein Kaffeehaus allein betreten. Das legendäre Café Korb, bis heute ein Stammcafé der Kunst- und Kulturszene, galt als eines der ersten Kaffeehäuser, das von Frauen besucht wurde.
In dieser Zeit des Um- und Aufbruches entstanden an der Wiener Ringstraße, dem etwa fünf Kilometer langen, fast kreisförmigen Straßenzug, wahre Prunkbauten. Die dem Historismus verpflichteten Herrschaftsgebäude stellten Macht, Geld und Geschmack dar.
All dies mussten die Kaffeehäuser widerspiegeln, galten sie doch als noble Orte für noble Menschen und freilich für all jene, die über das nötige Geld verfügten. In den Ringstraßen-Cafés spielten kleine Orchester auf, die Kaffeehausmusik entwickelte sich zu einem beliebten Genre. Das Kaffeehaus wurde zum Treffpunkt von Schriftstellern, Musikern, Malern, Schauspielern und Politikern sowie Wirtschaftstreibenden. Darüber hinaus hat es sich als Platz der Wiener Gemütlichkeit einen Namen gemacht, weil man dort solange sitzen bleiben darf, solange es beliebt.
Mit der Gemütlichkeit war es vorbei, als unsere Republik im Jahr 1929 in den Sog der Weltwirtschaftskrise geriet. Der Zweite Weltkrieg und das veränderte Freizeitverhalten in der Nachkriegszeit bedeuteten den Niedergang der berühmten Wiener Kaffeehauskultur. Viele ehemals namhafte Kaffeehäuser mussten schließen. Nach wirtschaftlich herausfordernden Jahren besannen sich die Wiener im Jahr 1956 wieder ihrer Tradition und gründeten den „Klub der Wiener Kaffeehausbesitzer“, zu dessen wichtigsten Aufgaben die Förderung kultureller Projekte in den Kaffeehäusern gehört. Als „Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht“ wurde die gerettete Wiener Kaffeehauskultur im Jahr 2011 in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der
UNESCO aufgenommen.
Im neuen Buch „Wiener Melange“ (Verlag echomedia) haben prominente Persönlichkeiten den Autoren Andrea Buday und Clemens Trischler verraten, welches der rund 2.000 Wiener Kaffeehäuser zu ihren liebsten gehört. Dabei geht es vor allem ums Verweilen im Kaffeehaus und um einen Plausch mit Freunden. wieser
Café Hummel, 1080 Wien
„Das Kaffeehaus ist wie ein Büro“ – Wolfgang Böck, 71, Kammerschauspieler und Intendant der Schlossspiele Kobersdorf (B)
Grundsätzlich ist das Hummel so etwas wie mein Wiener Büro. Da ich keine Vorsprechen organisiere, treffe ich Schauspieler und Regisseure zum gegenseitigen Kennenlernen hier im Kaffeehaus. Seit ich in der Lerchenfelder Straße wohne, also seit mehr als 20 Jahren, bin ich Stammgast im Café Hummel“, erzählt Wolfgang Böck, der sich bevorzugt einen großen Braunen bestellt. In der Früh kommt für ihn allerdings nur eine Melange oder ein Milchkaffee in Frage. „Ich bin ja kein leidenschaftlicher Kaffee-, sondern ein Weintrinker, allerdings erst abends“, verrät er schmunzelnd.
Gut findet er, dass er im Kaffeehaus nie das Gefühl hat, ständig etwas konsumieren zu müssen, um nicht jemandem den Platz wegzunehmen. „In vielen Restaurants werden die Tische an einem Abend mehrfach vergeben, da wirkt die Ruhe in den Kaffeehäusern fast aus der Zeit gefallen. Ich trinke entspannt meinen Kaffee, lese alle Zeitungen, die das Land zu bieten hat, und plaudere mit Freunden und Kollegen. Ehrlich gesagt, ist es weniger der Kaffee, sondern vielmehr die Atmosphäre, die mich im Kaffeehaus verweilen lässt. Und wenn ich hungrig werde, gibt es hier noch die gute Wiener Küche.“
Die gibt es dort immer, denn das Café Hummel kennt keine Ruhetage. Als kulinarische Spezialitäten gelten das Gulasch und die vegetarischen Speisen. Die Einrichtung erinnert aufgrund der braunen, mit Kunstleder bezogenen Sitzmöbel an die 1970er Jahre.
Ursprünglich hieß es Café Parsifal und wurde als solches in den 1870er Jahren eröffnet. 1935 übernahm es Karl Hummel, dessen Familie seither das Kaffeehaus führt. 1967 trat Georg Hummel mit seiner ungarischstämmigen Frau Erzsébet die Nachfolge an. Seit 2005 hält deren Tochter Christina Hummel, 47, das Zepter in der Hand. „Die größte Herausforderung für mich war der Umbau im Jahr 2012. Die Wiedereröffnung war für uns und vor allem für unsere Gäste eine große Freunde.“
Café Ritter, 1060 Wien
„Ich liebe es, Menschen im Kaffeehaus zu beobachten“ –Laura Bilgeri, 29, Schauspielerin und Sängerin
Das Café Ritter in Wien-Mariahilf ist ein Schmuckstück, ein Künstlercafé. Ich liebe das Licht dort, die hohen Räume und die entzückenden Kellner. Ich bestelle mir einen Einspänner, das ist ein frisch gebrühter Mokka mit einer Schlagobershaube, und dazu eine Zuckerexplosion in Form eines köstlichen Punschkrapferls. Das Café nutze ich hauptsächlich für geschäftliche Treffen. Wenn ich eine Inspiration für neue Texte und meine Musik brauche, bin ich lieber im Kaffeehaus als zu Hause. Zudem liebe ich es, Menschen zu beobachten, und das kann ich im Kaffeehaus am allerbesten.
Wann immer ich in Wien bin, bin ich mindestens zwei bis drei Mal in der Woche im Café Ritter zu finden“, verrät Laura Bilgeri, die in Vorarlberg und in Los Angeles (USA) lebt. Selbst aus einem künstlerischen Umfeld stammend, fühlt sie sich in Lokalen wohl, deren Geschichte künstlerisch geprägt ist. Das Café Ritter wurde im Jahr 1867 im ehemaligen Sommerpalais des Fürsten Esterházy eröffnet. Um die Jahrhundertwende übersiedelte das Traditionslokal in das Eckhaus Schadeckgasse/Amerlinggasse. Das Kaffeehaus galt als Treffpunkt des bürgerlichen Publikums, zu den Besuchern gehörten Ludwig Anzengruber und Peter Rosegger.
Der L-förmige Raum beeindruckt mit seinen opulenten Stuckdecken, einer edlen Holzvertäfelung und der Einrichtung aus den 1950er Jahren. Die Speisekarte ist vielseitig und bietet vom Frühstück bis zum Mittag- oder Abendessen ein breites Angebot. Seit das Café im Jahr 2010 von Harald Holzer übernommen wurde, herrscht in dem unter Denkmalschutz stehenden Lokal ein vorbildlicher Kaffeehausbetrieb.
Café Demel, 1010 Wien
„Ein Besuch im Kaffeehaus bereichert die Kreativität“ – Aaron Karl, 34, Schauspieler
Der Demel am Kohlmarkt in der Wiener Innenstadt ist als kaiserlicher und königlicher Hofzuckerbäcker ein legendärer Ort und in architektonischer Hinsicht eine Augenweide. Die zum Teil noch erhaltene opulente Rokoko-Einrichtung ist ein Traum“, zeigt sich Aaron Karl begeistert. Der Schauspieler geht fast ausschließlich aus beruflichen Gründen in Kaffeehäuser. „Dann erscheine ich gerne etwas früher, um noch in aller Ruhe die Atmosphäre aufzusaugen. Ich mag es, wenn das Zeitungspapier knistert und die Tassen und Löffeln klingeln. Entspannt sitze ich da und vernehme die gedämpften Gespräche, von denen ich alles und nichts zu verstehen glaube. Es liegt an meinem Beruf, dass ich es liebe, die Gäste zu beobachten und über deren Historie zu spekulieren. Kaffeehausbesuche können die Kreativität auf jeden Fall bereichern. Auf Kaffee muss ich leider verzichten, da mein Körper nicht will, dass ich ihn trinke. Ich vertrage keinen Kaffee, nach Schweißausbrüchen und einer gewissen Euphorie folgt rasch die Ermüdung, gepaart mit Bauchschmerzen. Deshalb bestelle ich mir einen Kakao. Dazu gönne ich mir die wunderbaren Dukatenbuchteln mit Vanillesauce – ein kulinarischer Traum, nur übertroffen von den Buchteln meines Großvaters“, schwärmt der 34jährige.
Für seine einzigartige Mehlspeisen-Kultur und die Schokoladen- und Marzipan-Skulpturen im Schaufenster, zubereitet in der hauseigenen Konditorei, ist der Demel berühmt. Im Jahr 1786 vom deutschen Konditor Ludwig Dehne gegründet und von dessen Nachkommen an Christoph Demel verkauft, residiert die „Kaiserlich und königliche Hofzuckerbäckerei“ seit dem Jahr 1888 am Kohlmarkt. Zwei Weltkriege und einige Nachkriegsjahre später ging der Demel an Udo Proksch über, der im dort angesiedelten berühmt-berüchtigten „Club 45“ für eine turbulente Ära sorgte. Bis zur Verhaftung Prokschs galt der Demel als Treffpunkt für trinkfeste Politiker und illustre Gestalten aus der Wiener Unterwelt.
Daraufhin wechselten mehrmals die Besitzer, bis sich schließlich mit dem Catering-Unternehmen Do & Co der derzeitige Inhaber gefunden hat. Legendär sind „Demelinerinnen“, wie die Servierdamen des Hauses seinerzeit genannt wurden. Denn bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die kaisertreuen „Demelinerinnen“ in einer katholischen Klosterschule aus der Wiener Vorstadt rekrutiert. Sie waren in strenges Schwarz gekleidet und trugen weiße Hauben. Schwarz tragen sie noch heute, mit weißen Krägen und weißen Servierschürzen.
Für Altenberg war das Café Central sein „Zuhause“, das er als seine Wohnadresse angab und wohin er sich die Post schicken ließ. Selbst heute sitzt der Literat noch dort – in Form einer Pappmaché-Figur an einem Tisch beim Eingang.
Die Faszination rund um das Wiener Kaffeehaus in Worte zu fassen, damit taten sich selbst die Literaten schwer. Stefan Zweig (1881 bis 1942) hielt in seinen Memoiren fest, dass das Wiener Kaffeehaus eine „Institution der besonderen Art darstellt, die mit keiner in der Welt zu vergleichen ist“. Von einer „nomadenhaften Häuslichkeit“ sprach Karl Kraus (1874 bis 1936), Alfred Polgar (1873 bis 1955) philosophierte über die „holde Wurschtigkeit des Augenblicks“.
„Im Kaffeehaus wurden literarische Schulen und Stile geboren und wieder verworfen, vom Kaffeehaus nahmen neue Richtungen der Maler, der Musik und Architektur ihren Ausgang“, schrieb Friedrich Torberg (1908 bis 1979), der stolz darauf war, als „Kaffeehausliterat“ tituliert zu werden.
Wie wichtig das Kaffeehaus in der kargen Zwischenkriegszeit für die Menschen war, darüber wusste Karl Farkas (1893 bis 1971) zu berichten. Er meinte, dass er oft völlig mittellos stundenlang bei einer trockenen Semmel im Kaffeehaus saß, um dort zu erfahren, was es Neues in der Stadt gab und ob nicht doch irgendwo eine Arbeit abzustauben sei. Irgendwann bat er dann den „Herrn Ober Lehner“, ihm doch den Platz freizuhalten, denn er gehe jetzt rasch nach Hause, um dort einen Kaffee zu trinken.
Die Kaffeehauskultur in Wien ist Tradition
Bei genauerer Betrachtung der historischen Huldigungen fällt auf, dass kaum bis gar nicht vom namensgebenden Heißgetränk, dem Kaffee, die Rede ist. „Das Wiener Kaffeehaus ist ein Ort des Aufenthaltes, an dem es nicht primär ums Kaffeetrinken geht. Die Wiener Kaffeehauskultur ist mehr als nur guter Kaffee, sie ist eine Tradition, ein Lebensgefühl“, erklärt der Cafetier Berndt Querfeld, der Inhaber des Café Landtmann, das in den 1970er Jahren von seiner Familie übernommen wurde.
In der Nachbarschaft des Burgtheaters sowie des Rathauses gelegen, gilt das Landtmann seit 150 Jahren als Institution in Wien. Es gehört neben dem Café Prückel und dem Café Schwarzenberg zu den noch verbliebenen Ringstraßen-Kaffeehäusern, von denen es in der Kaffeehaus-Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als dreißig gab. Das älteste heute noch existierende Kaffeehaus Wiens ist das Café Frauenhuber in der Himmelpfortgasse in der Innenstadt, wo im Vorjahr das 200jährige Bestehen gefeiert wurde.
Der wahre Ursprung der Wiener Kaffeehaustradition, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts ihren Anfang nahm, ist allerdings nicht vollkommen geklärt. Legende und Wahrheit sind dabei schwer auseinanderzuhalten. Die Türken haben bei ihrer Belagerung Wiens im Jahr 1683 der Sage nach den Kaffee zu uns gebracht. Ein gewisser Georg Franz Kolschitzky soll, als Türke verkleidet, die feindlichen Linien durchbrochen und Karl von Lothringen eine wichtige Nachricht überbracht haben. Für diese Heldentat wurde er belohnt, unter anderem mit Säcken voller dunkler Bohnen. Kolschitzky soll damit das erste Wiener Kaffeehaus in der Nähe des Wiener Stephansdomes gegründet haben. Diese Legende hat sich jahrhundertelang gehalten. Tatsächlich wurde das erste dokumentierte Kaffeehaus in Wien im Jahr 1683 vom armenischen Spion Johannes Theodat (auch Deodato genannt) eröffnet. Der stand im Dienst des Wiener Hofes, war aufgrund seiner Herkunft mit der Zubereitung der Kaffeebohnen bestens vertraut und erhielt die erste offizielle Kaffeeschank-Erlaubnis. Die schlichte Gaststätte mit Holzbänken befand sich am Haarmarkt, in der heutigen Rotenturmstraße 14.
Ebenso sagenhaft, weil bislang unerforscht, ist der Name desjenigen, der den Kaffee mit Milch und Zucker vermengte. Mit der „Melange“ eroberte der unbekannte Erfinder die Wiener Herzen und Gaumen und machte mit der berühmten Kaffeespezialität das Kaffeehaus noch beliebter. „Die durch Napoleon im Jahr 1806 ausgelösten Handelsblockaden stellten die Kaffeehäuser dann aber auf eine harte Probe. Der Zoll auf Kaffeebohnen war so hoch, dass sie kaum noch leistbar waren. Als unser Land der Handelssperre beitrat, standen die Wiener Kaffeehäuser kurz vor dem Ruin. In dieser Zeit wurde allerdings erstmals gestattet, Wein auszuschenken und warme Speisen zu servieren. Mit dem Ende der Handelssperre gab es auch wieder Kaffee im Kaffeehaus. In der Zeit um 1800 war es verboten, in Kaffeehäusern zu rauchen. Es gab Raucherzimmer, allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen wie heute, sondern einfach deshalb, weil es für die Nichtraucher unangenehm war“, erzählt Mag. Karl Schilling, der das Kaffeemuseum im fünften Bezirk, www.kaffeemuseum.at, leitet.
Kaffeehäuser waren einst Männer-Klubs
Dort bekommen die Besucher historische Exponate zu sehen und können dabei zugleich in die Geschichte der braunen Bohne eintauchen. „Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Kaffeehäuser fast ausschließlich Männer-Klubs. ,Mann‘ wollte der Ehefrau, den Kindern und dem Küchengeruch entfliehen und unter sich sein.
Die einzige Dame, der ein Zutritt gewährt wurde, war die sogenannte ,Sitzkassiererin‘. Sie hatte eine wichtige Aufgabe, saß sie doch hinter ihrem Tischchen, um die Verteilung des Zuckers zu überwachen und die Abrechnung vorzunehmen. Erst ab dem Jahr 1856 erhielten Frauen Zutritt, jedoch nur in Begleitung, um sie zu schützen, damit sie nicht angesprochen werden, und sie sollten auch keinen Alkohol trinken“, sagt Schilling. Im Jahr 1880 durften die Damen dann erstmals ein Kaffeehaus allein betreten. Das legendäre Café Korb, bis heute ein Stammcafé der Kunst- und Kulturszene, galt als eines der ersten Kaffeehäuser, das von Frauen besucht wurde.
In dieser Zeit des Um- und Aufbruches entstanden an der Wiener Ringstraße, dem etwa fünf Kilometer langen, fast kreisförmigen Straßenzug, wahre Prunkbauten. Die dem Historismus verpflichteten Herrschaftsgebäude stellten Macht, Geld und Geschmack dar.
All dies mussten die Kaffeehäuser widerspiegeln, galten sie doch als noble Orte für noble Menschen und freilich für all jene, die über das nötige Geld verfügten. In den Ringstraßen-Cafés spielten kleine Orchester auf, die Kaffeehausmusik entwickelte sich zu einem beliebten Genre. Das Kaffeehaus wurde zum Treffpunkt von Schriftstellern, Musikern, Malern, Schauspielern und Politikern sowie Wirtschaftstreibenden. Darüber hinaus hat es sich als Platz der Wiener Gemütlichkeit einen Namen gemacht, weil man dort solange sitzen bleiben darf, solange es beliebt.
Mit der Gemütlichkeit war es vorbei, als unsere Republik im Jahr 1929 in den Sog der Weltwirtschaftskrise geriet. Der Zweite Weltkrieg und das veränderte Freizeitverhalten in der Nachkriegszeit bedeuteten den Niedergang der berühmten Wiener Kaffeehauskultur. Viele ehemals namhafte Kaffeehäuser mussten schließen. Nach wirtschaftlich herausfordernden Jahren besannen sich die Wiener im Jahr 1956 wieder ihrer Tradition und gründeten den „Klub der Wiener Kaffeehausbesitzer“, zu dessen wichtigsten Aufgaben die Förderung kultureller Projekte in den Kaffeehäusern gehört. Als „Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht“ wurde die gerettete Wiener Kaffeehauskultur im Jahr 2011 in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der
UNESCO aufgenommen.
Im neuen Buch „Wiener Melange“ (Verlag echomedia) haben prominente Persönlichkeiten den Autoren Andrea Buday und Clemens Trischler verraten, welches der rund 2.000 Wiener Kaffeehäuser zu ihren liebsten gehört. Dabei geht es vor allem ums Verweilen im Kaffeehaus und um einen Plausch mit Freunden. wieser
Café Hummel, 1080 Wien
„Das Kaffeehaus ist wie ein Büro“ – Wolfgang Böck, 71, Kammerschauspieler und Intendant der Schlossspiele Kobersdorf (B)
Grundsätzlich ist das Hummel so etwas wie mein Wiener Büro. Da ich keine Vorsprechen organisiere, treffe ich Schauspieler und Regisseure zum gegenseitigen Kennenlernen hier im Kaffeehaus. Seit ich in der Lerchenfelder Straße wohne, also seit mehr als 20 Jahren, bin ich Stammgast im Café Hummel“, erzählt Wolfgang Böck, der sich bevorzugt einen großen Braunen bestellt. In der Früh kommt für ihn allerdings nur eine Melange oder ein Milchkaffee in Frage. „Ich bin ja kein leidenschaftlicher Kaffee-, sondern ein Weintrinker, allerdings erst abends“, verrät er schmunzelnd.
Gut findet er, dass er im Kaffeehaus nie das Gefühl hat, ständig etwas konsumieren zu müssen, um nicht jemandem den Platz wegzunehmen. „In vielen Restaurants werden die Tische an einem Abend mehrfach vergeben, da wirkt die Ruhe in den Kaffeehäusern fast aus der Zeit gefallen. Ich trinke entspannt meinen Kaffee, lese alle Zeitungen, die das Land zu bieten hat, und plaudere mit Freunden und Kollegen. Ehrlich gesagt, ist es weniger der Kaffee, sondern vielmehr die Atmosphäre, die mich im Kaffeehaus verweilen lässt. Und wenn ich hungrig werde, gibt es hier noch die gute Wiener Küche.“
Die gibt es dort immer, denn das Café Hummel kennt keine Ruhetage. Als kulinarische Spezialitäten gelten das Gulasch und die vegetarischen Speisen. Die Einrichtung erinnert aufgrund der braunen, mit Kunstleder bezogenen Sitzmöbel an die 1970er Jahre.
Ursprünglich hieß es Café Parsifal und wurde als solches in den 1870er Jahren eröffnet. 1935 übernahm es Karl Hummel, dessen Familie seither das Kaffeehaus führt. 1967 trat Georg Hummel mit seiner ungarischstämmigen Frau Erzsébet die Nachfolge an. Seit 2005 hält deren Tochter Christina Hummel, 47, das Zepter in der Hand. „Die größte Herausforderung für mich war der Umbau im Jahr 2012. Die Wiedereröffnung war für uns und vor allem für unsere Gäste eine große Freunde.“
Café Ritter, 1060 Wien
„Ich liebe es, Menschen im Kaffeehaus zu beobachten“ –Laura Bilgeri, 29, Schauspielerin und Sängerin
Das Café Ritter in Wien-Mariahilf ist ein Schmuckstück, ein Künstlercafé. Ich liebe das Licht dort, die hohen Räume und die entzückenden Kellner. Ich bestelle mir einen Einspänner, das ist ein frisch gebrühter Mokka mit einer Schlagobershaube, und dazu eine Zuckerexplosion in Form eines köstlichen Punschkrapferls. Das Café nutze ich hauptsächlich für geschäftliche Treffen. Wenn ich eine Inspiration für neue Texte und meine Musik brauche, bin ich lieber im Kaffeehaus als zu Hause. Zudem liebe ich es, Menschen zu beobachten, und das kann ich im Kaffeehaus am allerbesten.
Wann immer ich in Wien bin, bin ich mindestens zwei bis drei Mal in der Woche im Café Ritter zu finden“, verrät Laura Bilgeri, die in Vorarlberg und in Los Angeles (USA) lebt. Selbst aus einem künstlerischen Umfeld stammend, fühlt sie sich in Lokalen wohl, deren Geschichte künstlerisch geprägt ist. Das Café Ritter wurde im Jahr 1867 im ehemaligen Sommerpalais des Fürsten Esterházy eröffnet. Um die Jahrhundertwende übersiedelte das Traditionslokal in das Eckhaus Schadeckgasse/Amerlinggasse. Das Kaffeehaus galt als Treffpunkt des bürgerlichen Publikums, zu den Besuchern gehörten Ludwig Anzengruber und Peter Rosegger.
Der L-förmige Raum beeindruckt mit seinen opulenten Stuckdecken, einer edlen Holzvertäfelung und der Einrichtung aus den 1950er Jahren. Die Speisekarte ist vielseitig und bietet vom Frühstück bis zum Mittag- oder Abendessen ein breites Angebot. Seit das Café im Jahr 2010 von Harald Holzer übernommen wurde, herrscht in dem unter Denkmalschutz stehenden Lokal ein vorbildlicher Kaffeehausbetrieb.
Café Demel, 1010 Wien
„Ein Besuch im Kaffeehaus bereichert die Kreativität“ – Aaron Karl, 34, Schauspieler
Der Demel am Kohlmarkt in der Wiener Innenstadt ist als kaiserlicher und königlicher Hofzuckerbäcker ein legendärer Ort und in architektonischer Hinsicht eine Augenweide. Die zum Teil noch erhaltene opulente Rokoko-Einrichtung ist ein Traum“, zeigt sich Aaron Karl begeistert. Der Schauspieler geht fast ausschließlich aus beruflichen Gründen in Kaffeehäuser. „Dann erscheine ich gerne etwas früher, um noch in aller Ruhe die Atmosphäre aufzusaugen. Ich mag es, wenn das Zeitungspapier knistert und die Tassen und Löffeln klingeln. Entspannt sitze ich da und vernehme die gedämpften Gespräche, von denen ich alles und nichts zu verstehen glaube. Es liegt an meinem Beruf, dass ich es liebe, die Gäste zu beobachten und über deren Historie zu spekulieren. Kaffeehausbesuche können die Kreativität auf jeden Fall bereichern. Auf Kaffee muss ich leider verzichten, da mein Körper nicht will, dass ich ihn trinke. Ich vertrage keinen Kaffee, nach Schweißausbrüchen und einer gewissen Euphorie folgt rasch die Ermüdung, gepaart mit Bauchschmerzen. Deshalb bestelle ich mir einen Kakao. Dazu gönne ich mir die wunderbaren Dukatenbuchteln mit Vanillesauce – ein kulinarischer Traum, nur übertroffen von den Buchteln meines Großvaters“, schwärmt der 34jährige.
Für seine einzigartige Mehlspeisen-Kultur und die Schokoladen- und Marzipan-Skulpturen im Schaufenster, zubereitet in der hauseigenen Konditorei, ist der Demel berühmt. Im Jahr 1786 vom deutschen Konditor Ludwig Dehne gegründet und von dessen Nachkommen an Christoph Demel verkauft, residiert die „Kaiserlich und königliche Hofzuckerbäckerei“ seit dem Jahr 1888 am Kohlmarkt. Zwei Weltkriege und einige Nachkriegsjahre später ging der Demel an Udo Proksch über, der im dort angesiedelten berühmt-berüchtigten „Club 45“ für eine turbulente Ära sorgte. Bis zur Verhaftung Prokschs galt der Demel als Treffpunkt für trinkfeste Politiker und illustre Gestalten aus der Wiener Unterwelt.
Daraufhin wechselten mehrmals die Besitzer, bis sich schließlich mit dem Catering-Unternehmen Do & Co der derzeitige Inhaber gefunden hat. Legendär sind „Demelinerinnen“, wie die Servierdamen des Hauses seinerzeit genannt wurden. Denn bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die kaisertreuen „Demelinerinnen“ in einer katholischen Klosterschule aus der Wiener Vorstadt rekrutiert. Sie waren in strenges Schwarz gekleidet und trugen weiße Hauben. Schwarz tragen sie noch heute, mit weißen Krägen und weißen Servierschürzen.
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