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Ausgabe Nr. 07/2025 vom 11.02.2025, Fotos: AdobeStock, ZEPPELZAUER
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Unbedachte Müllentsorgung bietet Ratten einfachen Zugang zu Nahrung.
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Mag. Dr. Madeleine Petrovic zeigt eine Köderbox. Oft lösen sich die Gift-Hinweise.
Ein Rattenschwanz an Problemen
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Für Ratten tödlich, bringen sogenannte Rodentizide schwerwiegende Umweltprobleme und Risiken für Haus- und Wildtiere, darunter auch den streng geschützten Feldhamster, mit sich.
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Die überall in Wien aufgestellten Rattengiftboxen töten nicht nur Ratten, sondern ebenso strengstens geschützte Tiere. Auch Kinder und Haustiere sind gefährdet,“ ärgert sich Mag. Dr. Madeleine Petrovic, die Präsidentin des Wiener Tierschutzvereines „Tierschutz Austria“.

Im Arne-Carlsson-Park im 9. Wiener Bezirk etwa stehen die schwarzen Köderboxen unter Parkbänken, in der Nähe von Kinderspielplätzen und Hundefreilaufzonen oder sind im Gebüsch platziert. Die darauf angebrachten Aufkleber mit den Angaben über den verwendeten Wirkstoff lösen sich teilweise schon ab und sind oft nur schwer zu lesen. „Im Ernstfall wird dehalb kaum rasch ein Gegengift zu finden sein“, befürchtet Petrovic.

Zur Bekämpfung von Schadnagern wie Ratten und Mäusen werden chemische Substanzen, sogenannte Rodentizide eingesetzt. Die meisten enthalten Antikoagulantien, das sind blutgerinnungshemmende Mittel. Die Aufnahme des Wirkstoffes führt dazu, dass die Tiere innerlich verbluten. Der Tod tritt drei bis sieben Tage nach Giftaufnahme ein. Das schmerzhafte lange Sterben der Tiere durch die mit Antikoagulantien versetzten Fraßköder wird bewusst in Kauf genommen. Die Zeitverzögerung sorgt nämlich dafür, dass die „schlauen“ Ratten keinen direkten Zusammenhang zwischen den Ködern und dem Tod von vorkostenden Artgenossen herstellen können. Damit entwickeln sie auch keine Scheu vor den für sie tödlichen Fraßködern.

Bei der Verwendung von derartigen – landläufig als „Rattengift“ bezeichneten – Mitteln besteht eben die Gefahr, dass nicht nur Ratten, sondern auch andere Tiere, die nicht Ziel der Bekämpfung sind, von den Giftködern fressen und dadurch unabsichtlich vergiftet werden. „Das betrifft auch Eichhörnchen, aber vor allem die streng geschützten Feldhamster sind gefährdet“, bestätigt Petrovic. Erst vergangenen Herbst wurde im Innenhof eines Hauses am Reumannplatz (Wien 10), in dem Rattengiftboxen aufgestellt wurden, ein zappelnder, sterbender Feldhamster gefunden. Offensichtlich vergiftet.

„In einem anderen Fall ließen wir einen toten Feldhamster extra an der Veterinärmedizinischen Universität München untersuchen. Der toxikologische Befund ergab Spuren von Brodifacoum – ein in Fraßködern verwendeter Blutgerinnungshemmer der 2. Generation“, berichtet die Tierschutz Austria-Präsidentin. Mittlerweile gibt es sogar eine Feldhamsterkarte von Wien, aus der ersichtlich ist, dass der 10., 11., 21. und 22. Bezirk zum Lebensbereich der weltweit vom Aussterben bedrohten Tiere gehören. Aber gerade im 10. Bezirk werden zahlreiche Köderboxen aufgestellt, auch bei U-Bahn-Stationen.

Gefährliche Giftköder töten auch Raubvögel und Füchse

Dabei handle es sich laut einer Schädlingsbekämpfungsfirma aber nur um Kontrollköder, die keinen Wirkstoff enthalten. In Hamstergebieten würden außerdem im Freibereich keine Wirkstoffköder ausgebracht, beziehungsweise nur in Absprache mit der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22), nach eingehender Begutachtung der Hamstersituation in einem Objekt, heißt es.

„Das wird immer behauptet, aber was hätte das für einen Sinn“, fragt sich Petrovic. „Wird ein angeblich ungiftiger Köder angeknabbert, ist nicht feststellbar, ob das Ratten oder Hamster waren – außer mit einer teuren DNA-Analyse in jedem Einzelfall, was nie geschieht.“

Analysiert wurden in einer Kurzstudie des Umweltbundesamtes hingegen die Auswirkungen „Rodentizider Wirkstoffe in der Umwelt“. Die Studie zeigt erstmals den verbreiteten Einsatz von Blutgerinnungshemmern in Nicht-Zielarten wie Fuchs oder Raubvögeln in unserem Land. Zwei Drittel der untersuchten Leberproben der Tiere waren mit Wirkstoffen belastet – ein Nachweis für sogenannte Sekundärvergiftungen bei nicht Zieltieren. Auch in Fischen wurden Gerinnungshemmer festgestellt. Damit ist der Eintrag dieser Wirkstoffe in aquatische Ökosysteme (Flüsse und Seen) belegt. Untersucht wurden ebenso Proben aus Grundwasser und Kläranlagen. Ein Problem sind dahingehend normale (nicht wasserdichte) Giftköderboxen, die auch in Ufernähe häufig so ausgelegt werden, dass die Köder bereits bei leicht erhöhten Pegelständen in Kontakt mit Wasser kommen, wobei Gift in die Umwelt austreten kann.

Petrovic fordert daher eine flächendeckende Wassergütemessung, denn „in Wien gibt es noch immer Hausbrunnen, die Simmeringer Gärtner etwa bewässern das Gemüse damit.“

Geregelt wird die Rattenbekämpfung jedenfalls durch die seit 2005 geltende Wiener Rattenverordnung. Wiener Wohnen etwa, die größte kommunale Hausverwaltung des Landes, beteuert, dass ihnen eine „behutsame Rattenbekämpfung, die die Umwelt und andere in den Grünflächen des Gemeindebaus lebende Tiere schützt, sehr wichtig“ sei. „Die ,Tox-Rattenköderboxen‘ (mit Gift) werden nur dann eingesetzt, wenn bereits ein Rattenbefall im Gebäude besteht. Die Bekämpfung von Ratten im Außenbereich erfolgt vorzugsweise im Winter“, erklärt die Wiener-Wohnen-Sprecherin Mag. Andrea Janousek. Feldhamster seien dann auch weniger aktiv.

Nur „rumgifteln“ sei jedenfalls keine Lösung. Viel eher müsse die Stadt ihr Müllproblem in den Griff bekommen, betont Petrovic. „Da stehen Rattenköderboxen, wo Mist gelagert wird, anstatt den Mist zu verhindern, etwa bei den Wiener Märkten“, sagt sie. Überquellende Mistkübel sind ein Paradies für Ratten. Es brauche ein überregionales Management. „Jede Kommune tut was sie will. Es gibt keine Übersicht, wer, wo und wie Gift auslegt.“ rz
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