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Ausgabe Nr. 04/2025 vom 21.01.2025, Foto: picturedesk.com
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Im Landesgericht Klagenfurt müssen sich die
beiden Betreuerinnen den Anschuldigungen stellen. Sie weisen die Vorwürfe zurück.
Tränen in der Krabbelstube
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In einer Kärntner Kindertagesstätte sollen zwei Betreuerinnen ihnen anvertraute Buben und Mädchen über Jahre hinweg gequält und gedemütigt haben. Nun stehen sie vor Gericht. Eine lange Haftstrafe droht.
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Wenn Eltern ihre Kinder in die Krabbelstube schicken, dann mit der Absicht, dass sie dort gut aufgehoben sind und liebevoll umsorgt werden. Das scheint in der Hilfswerk-Kindertagesstätte Maria Saal (K) nicht der Fall gewesen zu sein. Dort stehen zwei Kleinkind-Betreuerinnen im Alter von 53 und 48 Jahren unter Verdacht, ihre hilflosen Schützlinge gequält und gedemütigt zu haben.

Deshalb nahm im Jänner 2023 die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Ermittlungen gegen die ehemalige Leiterin und deren Stellvertreterin auf. Auslöser war eine Anzeige des Hilfswerkes selbst, das die beiden Pädagoginnen, die für die Betreuung von ein- bis dreijährigen Kindern verantwortlich waren, beschuldigte.

Allein im Turnsaal

Die Vorwürfe wiegen schwer. Eine ehemalige Kollegin, die namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet: „Ein Bub, gerade einmal elf Monate alt, hat geweint, also wurde er allein in den Turnsaal gesteckt, die Tür wurde geschlossen. Er konnte nicht gehen, also ist er zur Glastür gekrochen und hat hilfesuchend herausgeschaut. Sein verweintes Gesicht war gut zu erkennen.“

Zudem sollen die Betreuerinnen den Kindern Essen gewaltsam in den Mund gestopft und sie zum Verzehr gezwungen haben.

„Ein Bub war heikel, er wollte kein Gemüse essen. Da ist die 53jährige gekommen, hat ihm in die Wangen gekniffen, damit er den Mund aufmacht. Dann hat sie ihm Paprika in den Mund gestopft und gesagt: ‚Trau dich ja nicht, ihn auszuspucken‘“, schildert die Zeugin.

Toilettengang wurde Kindern untersagt

Auch den Toilettengang sollen die beiden angeklagten Pädagoginnen den Kindern untersagt haben, weil sie die Buben und Mädchen nicht begleiten wollten. Dafür sollen sie Drohungen ausgestoßen und den Kindern verboten haben, in die Hose zu machen. Haben sich die Kleinen dann eingenässt, wurden sie von den beiden Pädagoginnen lächerlich gemacht.

„Das sei schiach oder ekelhaft, hieß es dann“, erinnert sich die 28jährige ehemalige Mitarbeiterin, die mittlerweile in einem anderen Kindergarten arbeitet. Franz Pfaller, der Bürgermeister der Marktgemeinde Maria Saal, bestätigt die Schilderungen der jungen Pädagogin.

„Damals habe ich einen Informationsabend für 90 Eltern organisiert. Anfangs glaubte nur etwa die Hälfte der Anwesenden den Vorwürfen. Doch als sechs junge Krabbelstuben-Betreuerinnen unter Tränen schilderten, was alles vorgefallen war, wurde das Ausmaß des Geschehens klar. Ich bin erleichtert, dass inzwischen wieder Ruhe eingekehrt ist und die 35 Kleinkinder nun bestens betreut werden“, erklärt der Ortschef.

Die beiden beschuldigten Betreuerinnen weisen indes sämtliche Vorwürfe entschieden zurück und sprechen von einer Verschwörung ehemaliger Kolleginnen. Ihr Verteidiger, Dr. Christoph Reitmann, unterstreicht dies.

„Die Anschuldigungen sind teilweise aus dem Zusammenhang gerissen und basieren auf Wahrnehmungen, die ehemalige Mitarbeiterinnen weitergegeben haben, ohne diese selbst erlebt zu haben.“

„Unterschiedliche pädagogische Ansätze“

Es sei korrekt, dass die Angeklagten „unterschiedliche pädagogische Ansätze“ im Vergleich zu ihren früheren Kolleginnen hätten, doch diese Unterschiede stellten in keiner Weise strafbares Verhalten dar, erklärt Reitmann. Dennoch müssen sich seine Mandantinnen Ende Jänner vor dem Landesgericht Klagenfurt verantworten. In einer ersten Sitzung im Dezember konnte kein Licht in die unterschiedlichen Auffassungen gebracht werden.

So wollte die Richterin Sabine Götz mehrfach wissen, warum die ehemaligen Kolleginnen derart belastende Aussagen machen sollten, wenn nichts dran sei. „Ich weiß es nicht“, antwortete die 53jährige Angeklagte schließlich. Kinder seien nie allein im Turnsaal eingesperrt worden, vielmehr habe sie die Kleinen dorthin begleitet, wenn sie geweint hätten, um sie zu beruhigen.

Auch beim Essen habe es keinen Zwang gegeben. „Ich wollte lediglich, dass jedes Kind einmal etwas Neues probiert.“ Die zweite Angeklagte wies die Vorwürfe ebenfalls zurück. Kindern sei weder auf die Finger geklopft worden, noch habe sie ihnen den Gang zur Toilette verwehrt.

Den abschwächenden Aussagen der beiden Angeklagten widersprachen die sieben geladenen Zeuginnen energisch. Eine Betreuerin berichtete unter anderem von einem Mädchen, das nach dem Essen erbrach.

Statt Rücksicht zu nehmen, habe die Angeklagte einfach einen neuen Teller hingestellt, den das Kind auslöffeln musste. Auch das Verhalten beim Spaziergang wurde heftig kritisiert. Kleine Kinder sollen von einer der Angeklagten regelrecht durch die Gegend gezogen worden sein, um sie zum Gehen zu zwingen.

Wer nicht mitsingt, bekommt keinen Kuchen

Äußerst erschütternd war die Schilderung, dass Kindern der Kuchen verweigert wurde, wenn sie nicht „Happy Birthday“ sangen oder einem Geburtstagskind nicht gratulierten. Wer sich weigerte, „Bitte“ oder „Danke“ zu sagen, soll keine Jause bekommen haben. Weinende Kinder seien in die Garderobe geschickt, nörgelnde Kinder in die Ecke gestellt worden.

Die Zeuginnen kritisierten vor allem den autoritären Erziehungsstil der Angeklagten. „Sie haben mit Macht und Angst gearbeitet“, betonte eine Pädagogin, die selbst wegen der belastenden Arbeitsbedingungen kündigte.

Das Hilfswerk bestätigt die Aussagen. Seit dem Jahr 2019 hätten zehn Mitarbeiterinnen die Einrichtung verlassen, viele begründeten dies mit dem harten Führungsstil der Leitung.

Sollte die Richterin genügend Beweise für die Belegbarkeit der Vorwürfe sehen, drohen den Angeklagten bis zu drei Jahre Haft. morri
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