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Ausgabe Nr. 03/2025 vom 14.01.2025, Foto: Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com
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Claudia Reiterer, 56.
Claudia Reiterer:
„Die Kindheit hat mich gelehrt zu kämpfen“
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Mit Jahresende hat Claudia Reiterer, 56, ihre letzte Politik-Runde „Im Zentrum“ moderiert.
Was sie im ORF in Zukunft machen wird, weiß sie noch nicht. Die Wienerin ist sich aber sicher, dass die Sterne in diesem Jahr auf ihrer Seite sein werden.
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Frau Reiterer, wie geht es Ihnen so kurze Zeit nach Ihrer letzten Sendung „Im Zentrum“?

Ich weiß nicht so recht. Ich bin nach der Sendung um sechs Uhr in der Früh nach Hause gekommen, weil wir noch ein wenig gefeiert haben. Es wird dauern, bis ich diese Veränderung verinnerlicht habe. Ich muss nach acht Jahren nicht mehr am Wochenende arbeiten und auch nicht mehr Tag und Nacht wissen, was, wer, wann, wo gesagt hat in der Politik. Das ist neu. Ich habe in diesen acht Jahren ein eigenes Leben geführt. Aber das Leben ist Veränderung, pflegte eine meiner besten Freundinnen zu sagen. So ist es.

Es gibt Lustigeres, als sich in Zeiten wie diesen ständig mit Politik beschäftigen zu müssen. Gleichzeitig sagen Sie, Politik sei Ihr Leben. Wie werden Sie künftig Medien konsumieren?

Politik, also politische und allgemeine Kommunikation werden immer interessant bleiben. Ich werde jeden Tag meine Zeitungen lesen, ab sofort kann ich es aber mehr genießen, weil ich nicht mehr so fokussiert auf bestimmte Themen sein muss. Fest steht, ich bin und bleibe eine neugierige Nase.

Wenn es um das Nahe-Verhältnis zwischen Journalisten und Entscheidungsträgern geht: Plädieren Sie für das Du-Wort oder das Sie?

Bei manchen ist es normal, Du zu sagen, weil ich sie schon in der Schule oder im Studium kennengelernt habe. Dennoch war ich mit den meisten per Sie. Zu denen, die ich von früher kenne, sage ich nicht plötzlich Sie. Generell hatte ich zu allen Parteien die gleiche Distanz und bin mir sicher, dass „Im Zentrum“ von den Talk-Runden dieser Art in unserem Land am ausgeglichensten in der Einladungspolitik war und alle Parteien entweder gleich gern oder gleich ungern zu uns gekommen sind.

Der ORF hat uns in einem Schreiben mitgeteilt, dass Sie sich in Zukunft anderen Aufgaben widmen werden. Welche werden das sein?

Es ist alles offen. Ich weiß nicht, was ich machen werde. Ich hatte bis sechsten Jänner Urlaub und werde in mich gehen und versuchen herauszufinden, wohin mich mein Weg führen könnte. Ich bin seit 27 Jahren für den ORF tätig und seit 22 Jahren angestellt.

Angenommen, es findet sich keine Aufgabe, die Ihnen zusagt, wäre die Politik eine Möglichkeit?

Ich habe in meinem Leben gelernt, nie etwas auszuschließen. Obwohl ich geglaubt habe, dass mir gewisse Dinge nicht passieren, ist es anders gekommen. Vielleicht ist das eine kleine Weisheit meines Alters, offen für neue Dinge zu sein. Aber ich kann nur sagen, dass ich mit Leib und Seele Journalistin und Krisenkommunikatorin bin. Nichts anderes war meine Sendung und das ist der Bereich, der mir Spaß macht.

Fortgeschrittenes Alter ist ein gutes Stichwort. Verena Scheitz musste die Sendung „Studio 2“ verlassen, weil der ORF „mehr Frische“ wollte. Wie wurde Ihnen gesagt, dass „Im Zentrum“ und damit auch Ihre Moderation auslaufen wird?

Verena Scheitz ist eine meiner Lieblingskolleginnen als Moderatorin, die ich schätze und vermissen werde. Bei mir ist halt der Vertrag ausgelaufen.

Zum Verständnis: Sie sind angestellt und hatten zudem einen Vertrag als Moderatorin?

Genau, als Moderatorin hatte ich einen eigenen Vertrag, der über ein oder zwei Jahre läuft. Heuer ist mein Zweijahres-Vertrag ausgelaufen. Die Chefredaktion hat das Recht, etwas Neues zu machen. Ich habe aber auch gesagt, dass es auffällig ist, dass Männer mit 65, aber auch mit 94 Jahren wie Paul Lendvai noch im Fernsehen zu sehen sind – im Gegensatz zu gleichaltrigen Frauen. Ich würde mir wünschen, dass das auch für Frauen selbstverständlich ist.

Wer Ihren Lebenslauf liest, begegnet der diplomierten Krankenschwester ebenso wie der Absolventin eines Pädagogikstudiums. Am Beginn stand aber ein Baby, das mit seiner Geburt ins Kinderheim und mit elf Monaten zu Pflegeeltern kam. Hilft Ihnen der schwere Start ins Leben, Veränderungen wie jetzt leichter zu nehmen?

Natürlich hat mich meine Kindheit geprägt, im Positiven wie im Negativen. Was ich behalten habe, ist: Ich kämpfe und kämpfe. Irgendwann würde ich gerne aufhören damit, aber ich gebe nicht auf. Was mir bleibt, ist das Durchhaltevermögen. Wer einen schweren Weg hatte, für den gibt es keinen Mittelweg. Entweder wirst du stark und widerstandsfähig oder du sinkst total ab.

In die Zeit Ihrer Moderation sind auch schwierige Phasen gefallen wie die Trennung von Ihrem Mann. Wie ist es Ihnen gelungen, dennoch professionell Ihre Arbeit zu machen?

Der Unterschied zu anderen Menschen ist, dass ich im Scheinwerferlicht stehe. Jede Kellnerin, Lehrerin oder Krankenschwester macht dasselbe durch. Niemand kann einen Gast, einen Schüler oder einen Patienten unfreundlich behandeln, weil er einen Schicksalsschlag erleidet. Es ist meine Aufgabe, jedem Respekt zu zollen und mir nicht ansehen zu lassen, was ich von jemandem halte. Das habe ich als Krankenschwester gelernt. Damals hatte ich mit Menschen jedes Bildungsgrades zu tun und habe alle gleich behandelt.

2025 ist erst wenige Tage alt. Sind Sie ein Mensch, der mit Vorsätzen ins neue Jahr geht?

Es war gut, dass „Im Zentrum“ Ende 2024 ins Finale gegangen ist. Ich bin ein Weihnachtsmensch. Es hat mir geholfen, dass es überall glitzert, ich liebe Weihnachtsfilme und mein Sohn ist zu Weihnachten geboren. Das klingt vielleicht komisch, aber es hätte keine schönere Zeit für einen Abschied geben können. Es gibt da diesen Film „Ritter aus Leidenschaft“ mit Heath Ledger. Da will einer Ritter werden, sein Vater ist aber Handwerker und sagt: Du kannst kein Ritter werden, das ist eine Standesgeschichte. Weil der Sohn es aber will, meint sein Vater, dann musst du die Sterne neu ordnen. Irgendwie habe ich das verinnerlicht und beschlossen, die Sterne werden 2025 mit mir sein.

Zur Person
Claudia Reiterer wurde am 5. Juli 1968 in Wien geboren. Sie verbrachte die ersten elf Monate ihres Lebens in einem Kinderheim und kam danach zu einer Pflegefamilie nach Fersten in die Oststeiermark. In Graz absolvierte sie die Ausbildung zur Diplomkrankenschwester und arbeitete in der Herzchirurgie des Landeskrankenhauses. Im Jahr 2002 schloss sie das Studium der Pädagogik, Psychologie und Sozialmedizin ab.
Reiterer ist seit 27 Jahren für den ORF tätig. Mit ihrem Ex-Mann Lothar Lockl hat die Moderatorin einen Sohn. Das Paar trennte sich Ende 2019.
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