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Ausgabe Nr. 01/2025 vom 30.12.2024, Fotos: picturedesk.com
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Andreas Widhölzl, 48 Jahre
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„Schi-Adler“
Andreas Widhölzl: „Der Glaube hat mich zum besseren Trainer gemacht“
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Nach neunjähriger Durststrecke wollen die rot-weiß-roten „Schi-Adler“ bei der Vierschanzentournee wieder an die Spitze fliegen. Der Springertrainer Andreas Widhölzl, 48, erklärt im Interview mit dem WOCHE-Reporter Wolfgang Kreuziger, warum das gelingen könnte.
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Herr Widhölzl, seit neun Jahren will trotz vieler WM-Titel, Gesamtweltcupsiege oder zuletzt des Nationenwertungsrekordes gerade bei der Vierschanzentournee nicht viel klappen. Warum?

Ich kann gar nicht sagen, warum es nie gereicht hat. Nehmen wir das vorige Jahr, da ist Stefan Kraft als dominierender Gesamtweltcup-Führender zur Tournee gekommen und plötzlich hat Ryoyu Kobayashi aus Japan seine besten Sprünge ausgepackt. Auf vier verschiedenen Schanzen Top-Leistungen zu bringen, ist eben schwer, braucht Glück und zudem ist die Erwartungshaltung extrem hoch. Anderen geht es da auch nicht besser, die Deutschen warten seit mehr als zwanzig Jahren auf einen Sieg.

Nach vielen Podestplätzen bisher sind Stefan Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig unsere „Leit-Adler“ im Horst. Wie lassen sich die drei charakterisieren?

Stefan Kraft sehe ich als den „Killer im Wettkampf“. Wenn dieser Allrounder, der einfach alles kann, erst einmal Lunte riecht, ist er kaum zu schlagen. Hörl ist vor allem beim Absprung spitze, körperlich extrem stark und haut auch mental in jedem Wettkampf alles raus, was er hat. Tschofenig wiederum ist ein Wahnsinns-Techniker, dessen stabile Art zu springen immer funktioniert, der aber noch Reserven im Flug hat. Gemeinsam mit den Älteren wie Michael Hayböck und den Jungen wie Maximilian Ortner oder Stephan Embacher haben wir ein extrem starkes Team. Am meisten tut mir weh, wenn ich nicht allen einen Startplatz geben kann.

Sollte heuer ein Tourneesieg gelingen, wären Sie der Erste, der dies als Aktiver und als Trainer geschafft hat. Spornt Sie so ein Ziel an?

Absolut, als Erster den Gesamtsieg als Athlet und Trainer zu erreichen, das würde ich schon gern mitnehmen, wenn‘s passiert. Als Trainer habe ich bisher den Gesamtweltcupsieg, die Nationenwertung und WM-Gold erleben dürfen, es wäre eine schöne Ergänzung zu diesen Erfolgen. Und sollte es heuer nicht klappen, habe ich ja noch ein paar weitere Jahre Zeit.

In den Regeln wurde die Landung mit Telemark weiter aufgewertet. Manche sagen, das gehe langsam zu weit, beim Leichtathletik-Weitsprung verlangt schließlich auch keiner Stilnoten.

Dem kann ich mich nicht anschließen. Ein schöner Telemark sollte belohnt werden und gehört zur Schisprung-Kultur dazu. Wir haben das auch wegen der Regeländerung im Sommer extra in Anwesenheit eines Kampfrichters trainiert. Ohne Telemark würden wir nur beidbeinige Aufsprünge und ein rücksichtsloses Schinden um jeden Meter sehen, das fände ich nicht gut.

Sie selbst haben im Jahr 2000 unter Trainer Alois Lipburger die Vierschanzentournee gewonnen, der später bei einem Autounfall verstarb. Kommen noch manchmal Erinnerungen auf?

Ja, ich saß im Jahr 2001 im selben Unfallauto wie er, das bei einem Überholmanöver verunglückte, erlitt selbst aber nur leichte Verletzungen. Trotzdem dauerte es mental lange, diesen dramatischen Vorfall zu verarbeiten. Alois war ein feiner Mensch und Freund, der mich als erster Betreuer auch menschlich in alle Trainingsprozesse eingebunden hat, statt Befehle zu erteilen. Heute versuche ich, gegenüber den Athleten wie er ein Ruhepol zu sein, den nichts erschüttert.

Versuchen Sie das auch kraft Ihres Glaubens an Gott?

Ja, um als Mensch gefestigt und ein Vorbild zu sein, ist für mich auch der Glaube wichtig. Ich habe in meiner Zeit als aktiver Springer gemeinsam mit meiner Frau Katharina den Weg zu Gott gesucht und gefunden, später in unserer evangelischen Freikirche sogar Bibeldiskurse und Kinderrunden geführt. Inzwischen hat es bei mir aber nicht mehr den extremen Stellenwert von damals, ich denke jetzt, viele verschiedene Wege führen zu Gott.

Was war das kurioseste Hoppala, das Ihnen selbst bei der Vierschanzentournee passiert ist?

Als ich im Jahr 2002 in Garmisch (D) nach dem ersten Durchgang führte, verschob sich im zweiten meine ausgetrocknete Kontaktlinse im Flug und ich musste notlanden, weil ich plötzlich alles nur noch verschwommen sah. Damals hätte ich dem Deutschen Sven Hannawald den „Grand Slam“, den Sieg bei allen vier Springen, vermiesen können.
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