Anmelden
Abonnieren
Ausgabe Nr. 5152/2024 vom 17.12.2024, Fotos: Judith M. Trölß
Artikel-Bild
Artikel-Bild
Geschick und Feinarbeit sind beim Spinnen nötig.
Artikel-Bild
Spinn-Oma Ehrentraud Hunger mit ihren Kuscheltieren.
Artikel-Bild
Omas Rad kommt noch heute zum Einsatz.
Artikel-Bild
V. li.: Ursula Grad, Maria Bindreiter, Christine Haunschmid, Sylvia Stockhammer, Maria Mara, Christina Fürnhammer, Ehrentraud Hunger, Renate Stölnberger und Margit Killinger.
Ihre kleine Spinnerei
Jetzt neu: Hier klicken
und Artikel an Freunde verschenken.
Eine wunderbare Methode, kalte und triste Nachmittage zu verbringen, ist, sich hinter das Spinnrad zu setzen und Wollknäuel herzustellen. Im oberösterreichischen Mühlviertel gibt es eine fröhliche Damenrunde, die sich dazu wöchentlich trifft und sich dabei austauscht.
Auf Play drücken
um Artikel vorlesen
zu lassen.
Wenn die Tage kürzer werden und es gemütlicher ist, in der guten Stube beisammenzusitzen, als draußen dem kalten und nassen Wetter ausgesetzt zu sein, ist die Zeit für die „Rockaroas“ gekommen. Dann treffen sich neun Frauen zu einer fröhlichen Runde und setzen sich hinter ihre mitgebrachten Spinnräder. Wobei „Rocka“ das Arbeitsgerät, also das Spinnrad bezeichnet, und „Roas“ darauf hinweist, dass sich die Frauen wöchentlich bei einer anderen Gastgeberin einfinden. Bis zu 45 Minuten Anfahrstweg nehmen die Damen aus dem oberösterreichischen Mühlviertel dabei in Kauf.

An diesem Nachmittag hat die 64jährige Ursula Grad in ihr Haus in St. Leonhard bei Freistadt geladen. Und wie bei jedem Treffen üblich, wird zunächst einmal in der geräumigen Stube bei Kaffee und Kuchen beisammengesessen. „Wir reden über Gott und die Welt, tauschen neue Ideen zum Handwerk aus, erzählen Anekdoten, geben Koch-Rezepte weiter und es wird gelacht, bis wir uns ermahnen, warum wir eigentlich zusammengekommen sind“, meint Ursula Grad mit einem Schmunzeln.

„Früher sind die Frauen und Mägde bei der ,Rockaroas‘ an den Winterabenden beisammengesessen und haben gesponnen. Sie haben dabei Lieder gesungen und sich alte Geschichten erzählt“, weiß Ehrentraud Hunger, die mit ihren 81 Jahren die Älteste in der Gruppe ist und seit fünf Jahrzehnten auf „Spinn-Wanderschaft“ geht. Sie hat schon einige Frauen kommen und gehen sehen, denn die Gruppe entwickelt sich immer wieder neu. „Junge kommen dazu und naturgemäß scheiden ältere aus“, erklärt die rüstige Rentnerin, die von allen liebevoll Spinn-Oma genannt wird.

Auf die Frage, wie sie denn alle zusammengefunden haben, schmunzelt Maria Mara, die mit ihren 40 Jahren die Jüngste in der Runde ist und verrät, dass sie von ihrer Arbeitskollegin Maria Bindreiter, die auch der Gruppe angehört, im Vorjahr einfach mitgenommen wurde. „Umfassend lässt sich sagen, dass uns unser Interesse am Spinnen und unsere Gemeinschaft verbinden. Wir sind frei nach dem Motto ,durchs Reden kommen d‘Leut z‘samm‘ zu unserer jetzt bestehenden Gruppe zusammengewachsen“, unterstreicht die Hausherrin Grad das Projekt.

Viele Materialien kommen zum Einsatz

„Wir verwenden unterschiedliche Fasern, die jede für sich als Vlies mitbringt“, erklären die Frauen. Angora, Milchseide, Brennnessel, Hanf, Minzfaser und Schafwolle sind in den Taschen der Handwerkerinnen zu finden. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

„Ich habe schon probiert, von unserem Langhaarhund die Haare zu verspinnen, aber das war eine Spinnerei, das hat nicht funktioniert und der Geruch war bis zum Endprodukt nicht angenehm“, wirft Margit Killinger in die lachende Runde ein. Während sie davon berichtet, tritt ihr Fuß im gleichmäßigen Rhythmus das Pedal auf und ab, um das Spinnrad anzutreiben. Es surrt und quietscht – eine angenehme leise Atmosphäre macht sich im Raum breit. „Spinnen ist wie Meditation, es ist unglaublich beruhigend und entschleunigend“, meint Christina Fürnhammer und ihre Freundin Renate Stölnberger erklärt, während sie den Faden aus dem Vlies zieht, dass vorerst zwei Spulen besponnen werden müssen, damit diese dann verzwirnt werden können.

Der Fuß und die Hände im gleichen Takt

„Gesponnen wird linksseitig. Verzwirnt wird über die rechte Seite. Das heißt, beim Spinnen dreht sich das Rad nach vorne, beim Verzwirnen nach hinten. Aber bis es soweit ist, müssen wir erst unsere Spindeln befüllen.“ Dabei sind
Fingerspitzen- und Taktgefühl gefragt, denn wenn sich das Rad zu schnell dreht, kommen die Hände nicht mehr nach und der Faden reißt. „Es sollte ein stimmiges Ineinandergreifen von Händen und Füßen sein“, weiß Sylvia Stockhammer. Am Ende freuen sich die Spinnerinnen über gelungene Wollknäuel, die zur Weiterverarbeitung verwendet werden können.

Die 81jährige Hunger häkelt daraus herzige Kuscheltiere. Hauben, Westen und Decken sind weitere Handarbeitsstücke, die von den Frauen hergestellt werden. „Ich bringe meine Wolle ins Altersheim und schenke sie den Strickdamen, die daraus warme Socken machen“, berichtet Christine Haunschmid, deren Arbeitsgerät für sie eine tiefe Bedeutung hat.

„Bereits meine Oma hat mit diesem Rad gesponnen. Deshalb hat es für mich einen ideellen Wert.“ Gut drei Stunden lang arbeitet die neunköpfige Runde an den Spinnrädern, ehe sie sich fürs nächste Mal verabredet. „Wir treffen uns dann bei mir“, lädt Sylvia Stockhammer ein. „Das machen wir so lange, bis, wie eine alte Redewendung besagt, uns die Maus im Frühling den Faden abbeißt“, meint die Spinn-Oma Hunger und erntet allgemeines Gelächter.
Weitere Inhalte dieser Ausgabe:
Ihre Meinung
Ihre Meinung ist uns wichtig.

Schreiben Sie Ihren Kommentar zu diesem Artikel, den wir dann prüfen und veröffentlichen werden.
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Werbung