Seine Lebensmittel holt er sich aus dem Müll
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In Wien stand ein Mann vor Gericht, weil er noch genießbare Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Diskonters fischte. Eine Passantin rief die Polizei, er wurde noch im Müllraum verhaftet und vor Kurzem wegen Diebstahles verurteilt. Eine Unverschämtheit, sagt der Angeklagte. Immerhin landen bei uns jährlich fast eine Million Tonnen Lebensmittel im Abfall.
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Die Stirnlampe ist eingeschaltet und leuchtet den Müllraum aus. Christian Adenheimer (Name von der Redaktion geändert) beugt sich über die Kante der Biomüll-Tonne und fischt Würstel, Paradeiser, Brot, Joghurt und Salat heraus. Alles original in Plastik verpackt. „Einmal habe ich Forellen, eine gebratene Stelze und Hühnerschnitzel gefunden. Die Tiere sind umsonst gestorben, das ist so traurig.“
Ekelhaft findet er das nicht. „Andere würden gar nicht erst hineingreifen, weil es stinkt und schmutzig ist. Aber für mich sind das wahre Schätze.“ Oft fischt er so viele Lebensmittel heraus, dass er sie nicht mehr tragen kann. Die Waren transportiert er am Fahrrad oder mit dem Tretroller nach Hause. „Das Aufwändigste danach ist immer das Waschen der Lebensmittel.“ Was Adenheimer zurücklassen muss, lässt er oft für Nachfolgende obenauf liegen, damit sie es leichter finden können.
Seit vier Jahren radelt der 50jährige ein Mal pro Woche durch Wien auf der Suche nach noch genießbaren Lebensmitteln aus der Mülltonne. Was der gebürtige Wiener betreibt, nennt sich „Dumpstern“, zu Deutsch „Mülltauchen“. Noch genießbares Essen vor der Müllverbrennungsanlage zu bewahren, dieser Mission hat sich der Umweltaktivist verschrieben. Einen Teil der Waren behält er selbst, den Großteil verschenkt er allerdings an Freunde oder Bekannte. „Ich ernähre mich schon seit Jahren nur vom Essen aus der Tonne. Einkaufen gehe ich nur für Öl oder Gewürze.“
Wie ein Schwerverbrecher abgeführt
Mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist er in der Nacht auf den 26. Mai. Gegen zwei Uhr war er mit einer Bekannten auf einer seiner Rettungsmissionen. Die beiden waren gerade dabei, den Abfall eines Diskonters in der Stromstraße (20. Wiener Gemeindebezirk) zu durchsuchen, als plötzlich ein Polizeikommando den Müllraum stürmte. „Eine Passantin hat uns gesehen und die Polizei verständigt. Wir sind wie Schwerverbrecher in einem Gefangenentransporter abgeführt worden“, berichtet Adenheimer.
Die Anklage lautete Diebstahl durch Einbruch. Eine Farce, wie Adenheimer findet. „Wir sind nicht eingebrochen, das Tor war offen, nicht versperrt.“ Der Diskonter selbst hat keine Anzeige erstattet. Der Streitwert des Verfahrens beträgt, laut Schätzung der Staatsanwaltschaft, gerade einmal € 50,–.
Die meisten Supermärkte sind kulant und lassen die Mülltaucher gewähren. So geben zwar sowohl „Hofer“ als auch „Rewe“ auf Anfrage bekannt, von Lebensmitteln aus der Tonne abzuraten (Gesundheitsrisiko durch Produktrückrufe oder Verschmutzungen), rechtliche Schritte würden aber keine eingeleitet.
Die juristische Lage ist eine Grauzone. Wer in unserem Land noch genießbare Lebensmittel aus dem Müll fischt, kann sich strafbar machen. Und zwar dann, wenn das Delikt des Diebstahles oder Einbruchsdiebstahles zutrifft. Wenn also Türen oder Tore aufgebrochen werden.
Denn Müll ist, entgegen der öffentlichen Meinung, nicht herrenlos. Das Eigentum weggeworfener Waren geht laut Abfallrecht meistens auf Entsorgungsunternehmen (in Wien die MA48) oder die Gemeinden über. Adenheimer hat keine Vorstrafen, ist derzeit arbeitslos und hat Schulden. Der gelernte Nachrichtentechniker wurde Ende August zu vier Wochen Haft verurteilt, bedingt auf drei Jahre (nicht rechtskräftig).
Das bedeutet, wenn er noch einmal beim Mülltauchen erwischt wird, muss er für vier Wochen ins Gefängnis. Nun will er, gemeinsam mit seinem Anwalt Mag. David Jodlbauer, Berufung gegen das Urteil einlegen.
Jodlbauer bekundete seine Verwunderung über das Verfahren. „In den meisten Fällen werden solche Anzeigen wegen Geringfügigkeit eingestellt oder es wird eine Diversion (Strafzahlung) angeboten.“ Für Adenheimer steht hinter dem „Mülltauchen“ nur der Gedanke, das eigene Geldbörsel zu schonen. Was ihn antreibt, ist vor allem der Umweltaspekt. „Ich will Ressourcen schonen und die Überproduktion von Lebensmitteln bekämpfen.“
Mit dem Retten von Lebensmitteln aus der Mülltone will er gegen die Wegwerfgesellschaft kämpfen. Laut eines Berichtes des Vereines „Land schafft Leben“ werden in unserem Land jährlich etwa eine Million Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht etwa einer vollbeladenen LKW-Kolonne, die aneinandergereiht einen 750 Kilometer langen Stau von Wien nach Zürich (Schweiz) verursachen würde. Weltweit landen 30 bis 40 Prozent der produzierten Lebensmittel in der Mülltonne.
Am häufigsten weggeworfen werden Brot, Süß- und Backwaren sowie Obst und Gemüse. Große Supermarkt-
ketten spenden einen Teil der noch verwertbaren Lebensmittel an karitative Einrichtungen oder verarbeiten
sie zu Tierfutter. Das meiste wird jedoch in den Privathaushalten weggeschmissen. „Der durchschnittliche Haushalt entsorgt pro Jahr Lebensmittel mit einem Warenwert von € 800,–“, sagt Hannes Royer, Vereinsgründer von „Land schafft Leben“.
Für Adenheimer hat seine Situation, obwohl negativ, auch etwas Positives. „Endlich bekommt das Thema die Aufmerksamkeit, die es verdient. Vielleicht denken die Menschen jetzt um und wir bewirken endlich eine Gesetzesänderung.“
Welche Lebensmittel am häufigsten in den Mülltonnen landen:
28 % Brot, Süß- und Backwaren
27 % Obst und Gemüse
22 % diverse Speisen (Reis, Getränke, Nudeln …)
12 % Milchprodukte und Eier
11 % Fleisch, Wurst und Fisch
Quelle: Institut für Abfallwirtschaft, Boku Wien, Sekundärstudie Lebensmittelabfälle in Österreich
Ekelhaft findet er das nicht. „Andere würden gar nicht erst hineingreifen, weil es stinkt und schmutzig ist. Aber für mich sind das wahre Schätze.“ Oft fischt er so viele Lebensmittel heraus, dass er sie nicht mehr tragen kann. Die Waren transportiert er am Fahrrad oder mit dem Tretroller nach Hause. „Das Aufwändigste danach ist immer das Waschen der Lebensmittel.“ Was Adenheimer zurücklassen muss, lässt er oft für Nachfolgende obenauf liegen, damit sie es leichter finden können.
Seit vier Jahren radelt der 50jährige ein Mal pro Woche durch Wien auf der Suche nach noch genießbaren Lebensmitteln aus der Mülltonne. Was der gebürtige Wiener betreibt, nennt sich „Dumpstern“, zu Deutsch „Mülltauchen“. Noch genießbares Essen vor der Müllverbrennungsanlage zu bewahren, dieser Mission hat sich der Umweltaktivist verschrieben. Einen Teil der Waren behält er selbst, den Großteil verschenkt er allerdings an Freunde oder Bekannte. „Ich ernähre mich schon seit Jahren nur vom Essen aus der Tonne. Einkaufen gehe ich nur für Öl oder Gewürze.“
Wie ein Schwerverbrecher abgeführt
Mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist er in der Nacht auf den 26. Mai. Gegen zwei Uhr war er mit einer Bekannten auf einer seiner Rettungsmissionen. Die beiden waren gerade dabei, den Abfall eines Diskonters in der Stromstraße (20. Wiener Gemeindebezirk) zu durchsuchen, als plötzlich ein Polizeikommando den Müllraum stürmte. „Eine Passantin hat uns gesehen und die Polizei verständigt. Wir sind wie Schwerverbrecher in einem Gefangenentransporter abgeführt worden“, berichtet Adenheimer.
Die Anklage lautete Diebstahl durch Einbruch. Eine Farce, wie Adenheimer findet. „Wir sind nicht eingebrochen, das Tor war offen, nicht versperrt.“ Der Diskonter selbst hat keine Anzeige erstattet. Der Streitwert des Verfahrens beträgt, laut Schätzung der Staatsanwaltschaft, gerade einmal € 50,–.
Die meisten Supermärkte sind kulant und lassen die Mülltaucher gewähren. So geben zwar sowohl „Hofer“ als auch „Rewe“ auf Anfrage bekannt, von Lebensmitteln aus der Tonne abzuraten (Gesundheitsrisiko durch Produktrückrufe oder Verschmutzungen), rechtliche Schritte würden aber keine eingeleitet.
Die juristische Lage ist eine Grauzone. Wer in unserem Land noch genießbare Lebensmittel aus dem Müll fischt, kann sich strafbar machen. Und zwar dann, wenn das Delikt des Diebstahles oder Einbruchsdiebstahles zutrifft. Wenn also Türen oder Tore aufgebrochen werden.
Denn Müll ist, entgegen der öffentlichen Meinung, nicht herrenlos. Das Eigentum weggeworfener Waren geht laut Abfallrecht meistens auf Entsorgungsunternehmen (in Wien die MA48) oder die Gemeinden über. Adenheimer hat keine Vorstrafen, ist derzeit arbeitslos und hat Schulden. Der gelernte Nachrichtentechniker wurde Ende August zu vier Wochen Haft verurteilt, bedingt auf drei Jahre (nicht rechtskräftig).
Das bedeutet, wenn er noch einmal beim Mülltauchen erwischt wird, muss er für vier Wochen ins Gefängnis. Nun will er, gemeinsam mit seinem Anwalt Mag. David Jodlbauer, Berufung gegen das Urteil einlegen.
Jodlbauer bekundete seine Verwunderung über das Verfahren. „In den meisten Fällen werden solche Anzeigen wegen Geringfügigkeit eingestellt oder es wird eine Diversion (Strafzahlung) angeboten.“ Für Adenheimer steht hinter dem „Mülltauchen“ nur der Gedanke, das eigene Geldbörsel zu schonen. Was ihn antreibt, ist vor allem der Umweltaspekt. „Ich will Ressourcen schonen und die Überproduktion von Lebensmitteln bekämpfen.“
Mit dem Retten von Lebensmitteln aus der Mülltone will er gegen die Wegwerfgesellschaft kämpfen. Laut eines Berichtes des Vereines „Land schafft Leben“ werden in unserem Land jährlich etwa eine Million Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht etwa einer vollbeladenen LKW-Kolonne, die aneinandergereiht einen 750 Kilometer langen Stau von Wien nach Zürich (Schweiz) verursachen würde. Weltweit landen 30 bis 40 Prozent der produzierten Lebensmittel in der Mülltonne.
Am häufigsten weggeworfen werden Brot, Süß- und Backwaren sowie Obst und Gemüse. Große Supermarkt-
ketten spenden einen Teil der noch verwertbaren Lebensmittel an karitative Einrichtungen oder verarbeiten
sie zu Tierfutter. Das meiste wird jedoch in den Privathaushalten weggeschmissen. „Der durchschnittliche Haushalt entsorgt pro Jahr Lebensmittel mit einem Warenwert von € 800,–“, sagt Hannes Royer, Vereinsgründer von „Land schafft Leben“.
Für Adenheimer hat seine Situation, obwohl negativ, auch etwas Positives. „Endlich bekommt das Thema die Aufmerksamkeit, die es verdient. Vielleicht denken die Menschen jetzt um und wir bewirken endlich eine Gesetzesänderung.“
Welche Lebensmittel am häufigsten in den Mülltonnen landen:
28 % Brot, Süß- und Backwaren
27 % Obst und Gemüse
22 % diverse Speisen (Reis, Getränke, Nudeln …)
12 % Milchprodukte und Eier
11 % Fleisch, Wurst und Fisch
Quelle: Institut für Abfallwirtschaft, Boku Wien, Sekundärstudie Lebensmittelabfälle in Österreich
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