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Ausgabe Nr. 37/2024 vom 10.09.2024, Fotos: zVg, CESAR MANSO / AFP / picturedesk.com
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Das Projekt Kapuzinerkirche in Linz.
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Aus Santa Barbara wurde ein Skate-Park.
„Abverkauf “ unserer Kirchen
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Hohe Kosten für die Gebäudeerhaltung, eine steigende Zahl an Kirchenaustritten und weniger Einnahmen – immer öfter muss sich die katholische Kirche von ihren Gotteshäusern trennen.
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Kirche mit Pfarrhaus und Kloster in Lispenhausen (D) abzugeben, Verhandlungsbasis € 395.000,–. Die 1963 errichtete katholische Kirche ist vollständig mit Altar und Sitzbänken für 70 Personen ausgestattet.“ Vor wenigen Monaten sorgte dieses Inserat auf der Kleinanzeigen-Plattform „Ebay“ für Aufsehen, werden dort doch normalerweise Elektrogeräte, Einrichtungsgegenstände und Mode zum Verkauf angeboten.

„Die Aufgabe von Kirchen – so schmerzhaft sie auch ist – ist ein Teil der Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit“, heißt es dazu vom zuständigen Bistum Fulda (Hessen/D). Das Gotteshaus habe mehr Kosten verursacht, als Glauben gespendet, darum sei ein Verkauf unumgänglich. „Von den 155 in Lispenhausen lebenden Katholiken hat nur noch eine Frau die monatlich stattfindende Messe in der Kirche besucht“, bestätigt deren Pfarrer. Das ist kein Einzelfall, nimmt doch in ganz Europa die Zahl der Katholiken – vor allem der praktizierenden Katholiken – ab. Auch in unserem Land gab es zuletzt mehr als 90.000 Kirchenaustritte (2022). Zum Vergleich, 2021 waren 72.222 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten, 2020 waren es 58.727.

Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten wird vielen der Kirchenbeitrag schlichtweg zu teuer. Das reduziert natürlich auch das Budget der Kirche. Immerhin 75 Prozent ihrer Einnahmen erzielt die katholische Kirche über ihre Mitglieder. Geld, das dringend gebraucht wird, um die 8.000 römisch-katholischen Kirchen und Kapellen im Land instandzuhalten.

Es wird auf eine würdige Nachnutzung der Kirchen geachtet

Alleine die Erzdiözese Wien kümmert sich um den Erhalt von rund 850 Kirchen. „Darüber hinaus werden Nebengebäude wie Pfarrhäuser – in denen die Priester wohnen, die Pfarrkanzlei angesiedelt ist und Räumlichkeiten wie Pfarrsaal, Räume für Jungschar-, Firm- oder Erstkommunionsstunden untergebracht sind – erhalten“, erklärt Mag. Katharina Mayr von der Erzdiözese Wien.

„Wenn sich eine Gemeinde mittel- oder langfristig die Erhaltung des Kirchengebäudes nicht mehr leisten kann, dann ist zu prüfen, ob die Kirche abgegeben werden kann, etwa im Zusammenhang mit einer Zusammenlegung der Pfarrgemeinde mit einer anderen“, sagt Mayr. Derzeit stehen etwa die Verkäufe von Kirchen im niederösterreichischen Krems und Mödling im Raum.

„In der Erzdiözese Wien gibt es die Vorgabe des Erzbischofs, eine solche Kirche tunlichst an eine andere christliche Konfession zu geben, damit sie ein christliches Gotteshaus bleibt“, sagt Mayr. Das sei in den vergangenen 35 Jahren mit acht Kirchen in Wien so passiert, etwa im Jahr 2022, als die Pfarrkirche am Schöpfwerk an die serbisch-orthodoxe Kirche übergeben wurde. „Sollte die Abgabe an eine andere christliche Konfession nicht möglich sein, wird seitens der Diözese auf eine würdige Nachnutzung geachtet, wie das etwa mit der Augustinerkirche in Korneuburg (NÖ) geschehen ist“, berichtet Mayr. Die wurde vor zwei Jahren um wohlfeile € 300.000,– an die Beteiligungsgesellschaften „Ventana Holding GmbH“ verkauft, die auch das dazugehörige Kloster erwarb. Die neuen Eigentümer haben die denkmalgeschützte Anlage saniert und wollen sie unter dem Namen „K4“ – das steht für Kultur, Kulinarik und Kooperation in Korneuburg – für verschiedene Veranstaltungen nutzen, etwa Konzerte.

Weit ungewöhnlicher werden ehemalige Gotteshäuser in anderen europäischen Ländern genutzt. Im niederländischen Maastricht etwa beherbergt die ehemals katholische Dominikanerkirche eine riesige Buchhandlung. Das ist nicht die erste Umwidmung, ist die Kirche doch schon seit rund 200 Jahren nicht mehr als Gotteshaus in Verwendung. Sie war davor unter anderem schon Schlangenhaus und Fahrradparkstation.

In der nordspanischen Stadt Llanera wurde 2015 in der neoromanischen Santa Barbara Kirche ein „Indoor-Skate-Park“ gebaut. Skateboardfahrer können auf mehreren Rampen in dieser ungewöhnlichen Sportstätte ihre Fahrkünste unter Beweis stellen. In der oberösterreichischen Hauptstadt Linz wird derzeit das Kapuzinerkloster mit der zugehörigen Kapuzinerkirche einer neuen Bestimmung zugeführt. Aus dem denkmalgeschützten Ensemble soll bis Ende 2024 die Europazentrale der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer „Leitner & Leitner“ sowie „Leitner Law“ einziehen. „Die Sanierung wurde in guter Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalschutz umgesetzt“, verrät das zuständige Wiener Immobilien-Projektentwickler-Unternehmen FLOW. Neben dem modernen Bürogebäude sind auch ein Betriebskindergarten, eine barocke Bibliothek mit 6.600 Drucken sowie gastronomische Bereiche geplant.

Nach der „Entweihung“ ist eine Kirche
kein heiliges Gebäude mehr


„Eine ,Profanierung‘ – also eine ,Entweihung‘ einer Kirche durch die Entfernung der geweihten Gegenstände – ist bei uns in der Diözese Graz-Seckau (Stmk.) derzeit nicht denkbar. Erst nach einer Profanierung könnte man in einer Kirche etwas anderes machen. Dann wäre sie kein heiliges Gebäude mehr“, erklärt DI Thomas Stanzer, der Pressesprecher der Katholischen Kirche Steiermark.

Für einen Verkauf einer katholischen Kirche brauche es laut Stanzer die Genehmigung des Vatikans (und ebenso der diözesanen Gremien) samt sehr guter Begründung. Die gab es, als vor Kurzem die Stiegenkirche im Zentrum von Graz in den Privatbesitz der steirischen Unternehmer-Familie Goess-Saurau überging.

„Wir haben einen neuen Eigentümer für die Stiegenkirche gefunden, dem Glauben und Kirche wichtig sind. So bleibt ein Zeugnis unseres Glaubens auch in unserer sich rasant ändernden Zeit erhalten und für Feiern zugänglich. Gleichzeitig ist das eine wirtschaftliche Entlastung für die Diözese. Der Erlös trägt dazu bei, dass wir andere kirchliche Bauwerke wirtschaftlicher und umweltfreundlicher betreiben können“, freut sich Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl über die Lösung. Im Fall der Stiegenkirche fließt der Erlös in die umweltfreundliche Energieversorgung der Pfarren, primär in Photovoltaik-Projekte ein.

Auch die Diözese Innsbruck (T) trennte sich von einer ihrer Besitztümer. Die Benediktiner-Abtei Fiecht samt Stiftskirche wurde 2018 an den Tiroler Unternehmer Christoph Swarovski verkauft, der daraus „eine Bildungsstätte mit regionaler und landesweiter Bedeutung“ machen wollte. „Zur Zeit befindet sich dort temporär eine Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge“, weiß Pater Gottfried Meier, Prior des Benediktinerklosters. Zumindest die barocke Stiftskirche bleibt als Pfarrkirche erhalten. rz
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