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Ausgabe Nr. 36/2024 vom 03.09.2024, Foto: FOTOKERSCHI.AT / APA / picturedesk.com
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Beate Meinl-Reisinger steht seit sechs Jahren an der Spitze der NEOS. In Umfragen liegt
die Partei bei neun Prozent.
„Leistung zahlt sich gar nicht aus“
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Am 29. September wählen wir ein neues Parlament. Welche Parteien danach die Regierung bilden, ist noch völlig offen. In der WOCHE kommen die Spitzenkandidaten zu Wort.
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Die Jugend ist pessimistisch. Laut Umfragen sehen fast zwei Drittel die Zukunft unseres Landes „eher schwarz“. Die NEOS sind eine junge Partei, wie würden Sie der Jugend wieder Mut geben?
Die Jungen sind von Generationen von Regierungen im Stich gelassen worden, die viel zu wenig auf sie geschaut haben. Da müssen wir nicht nur in die jüngste Vergangenheit mit Corona und den Auswirkungen auf die seelische Gesundheit blicken. Sie glauben nicht mehr daran, dass sie sich etwas aufbauen oder den Lebensstandard der Eltern erreichen können. Das Wichtigste ist, wieder Optimismus sowie Zuversicht zu schaffen. Und die Möglichkeit, aus seinem Leben eigenverantwortlich etwas zu machen. Die Jungen kriegen derzeit mit, Leistung lohnt sich nicht.

Sie werden nach der Wahl vielleicht die Chance haben, das erste Mal in der Regierung zu sein. Die NEOS möchten gern das Finanzministerium …
Gern kann man da sicher nicht sagen, das wird eine der brutalsten Aufgaben der Republik. Dieser jetzige Schuldenberg ist ein bisserl wie an die Wand fahren mit Anlauf. Angenehm wird das sicher nicht, aber jemand muss es machen. Und zwar jemand, der unabhängig ist und die Energie hat für Reformen. Das sehe ich bei ÖVP und SPÖ nicht. Auch nicht bei der FPÖ, das ist ja Populismus, der packt nie wirklich Reformen an. Es braucht einen ehrlichen Kassasturz und danach muss jeder frei verfügbare Cent in unserem Land umgedreht werden, um zu überprüfen ob das Geld richtig eingesetzt wird. Wir werden einen Haufen Arbeit haben, nicht nur die Schuldendynamik mit einem Schuldenabbauprogramm und einer strikten Ausgabenbremse in den Griff zu bekommen, sondern auch den Spielraum zu schaffen, um die Abgabenquote auf 40 Prozent hinunterzubringen.

Wollen Sie persönlich Finanzministerin werden?
Es geht überhaupt nicht um meine Person. Es geht darum, dass ich überzeugt bin, dass es mutige, vielleicht auch harte, dringend nötige Reformen braucht.

Die Staatsverschuldung hat mit 383 Milliarden Euro einen Höchststand erreicht. Gibt es einen großen Brocken, bei dem Sie auf jeden Fall einsparen wollen?
Die drei großen „F“ des Schuldenmachens in Österreich sind der Föderalismus, der völlig verantwortungslos ist, das zweite der Förderalismus, es wird jeder und alles gefördert, und der dritte Bereich ist der „Fladeralismus“, strukturelle Korruption sowie Postenschacherei. Überall muss nach Proporz ein Roter, ein Schwarzer, manchmal ein Blauer hingesetzt werden. Das kostet alles viel Geld, und das wird man abstellen müssen.

Die Pensionserhöhung für 2025 steht jetzt mit 4,6 Prozent fest. Manche Pensionistenvertreter fordern mehr …
In den vergangenen Jahren waren wir oftmals die einzigen, die auf eine Balance geschaut haben zwischen denen, die aktuell die Beiträge zahlen, und denen, die jetzt Pensionen oder auch Sozialleistungen bekommen. Unser Ziel ist es aber, nicht bei den Pensionen zu kürzen, sondern höhere Pensionen zu haben, indem wir eben auch den Kapitalmarkt einbeziehen. Jeder, der halbwegs rechnen kann, weiß, dass es sich mit der Pensionslücke und der steigenden Lebenserwartung nur dann ausgeht, wenn wir Jahr für Jahr immer mehr Geld aus dem allgemeinen Budget zuschießen. Geld, dass dann in allen anderen Ecken fehlt. Eine Pensionsreform wird über kurz oder lang passieren müssen.

Die 4,6 Prozent sollten nicht überschritten werden?
Nein.

Möglicherweise sind Sie mit einer SPÖ in einer Regierung, die eine Millionärs- und eine Erbschaftssteuer fordert…
Eine Vermögens- und Millionärssteuer sehen wir absolut nicht, auch keine Erbschaftssteuer. Es ist ein Problem, wenn Substanz besteuert wird und nicht Erträge. Das ist auch in der derzeitigen Situation fatal, in der die Wirtschaft am Boden liegt und wir Investitionen in den Standort brauchen. Wir brauchen generell bei dieser Steuerlast keine zusätzliche Steuerbelastung.

In der Schule hat sich seit Jahrzehnten wenig verändert. Sie wollen zum Beispiel verpflichtende Sommer-Deutschkurse. Warum wäre das wichtig?
Das ist jetzt nicht das, was ich unter großer Reform verstehe. Seit 1962 hat keine große Reform im Bildungsbereich stattgefunden. Dort wird man weiter investieren müssen, vor allem, wenn man das Ziel erreichen will, allen Kindern alle Chancen und allen Familien Wahlfreiheit zu bieten. Aber das Thema Integration und Bildung ist eines der brennendsten und wichtigsten. Wir erwarten drei Dinge von Zugewanderten – dass sie sich an unsere demokratischen Werte halten, dass sie Deutsch sprechen und einen Beitrag leisten ins System. Bei den beiden letzten Punkten wurde zu wenig gefordert.

Sie wollen auch eine Residenzpflicht für Asylsuchende …
Was Deutschkurse angeht, die Chance auf Integration im Bildungsbereich, aber auch am Arbeitsplatz, wissen wir, dass es keine gute Idee ist, dass Wien die Hauptlast trägt. In den westlichen Bundesländern gibt es viel mehr offene Stellen. Mit einer Residenzpflicht, also einer Wohnsitz-
Auflage, sagen wir, du bleibst eine Zeit lang in diesem Bundesland, weil dort auch die Chance auf Integration höher ist. Das ist leicht zu machen, indem der Bezug von Sozialleistungen daran gekoppelt wird. Aber umgekehrt muss man ihnen auch einen Arbeitsmarktzugang
ermöglichen.

Asylwerber sollen arbeiten dürfen?
Ja, mit einer Wartefrist. Arbeitgeber suchen händeringend nach Mitarbeitern. Aber nicht nur im Bereich Zugewanderter, sondern allgemein gibt es Inaktivitätsfallen oder negative Leistungsanreize. Leistung zahlt sich gar nicht aus in Österreich.
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