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Ausgabe Nr. 35/2024 vom 27.08.2024, Fotos: AdobeStock, zVg
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Weisheitszähne machen oft Ärger.
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Zahnarzt Dr. Christopher Greifeneder
(Tel.: 02254/75888)
Für Weisheitszähne ist kaum noch Platz
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Verlieren wir im Volksschulalter die Milchzähne, kommt das bleibende Gebiss mit 28 Zähnen. Jahre später melden sich vier „Nachzügler“, die Weisheitszähne. Trotz ihres schönen Namens ist ihr Ruf schlecht. Ob das gerecht ist, verrät ein Zahnarzt.
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Die Weisheitszähne liegen ganz hinten im Kiefer und brechen meistens ab dem 16. Lebensjahr durch. Zu diesem Zeitpunkt ist das restliche Gebiss fertig ausgebildet.

Über die vier Neuen freuen sich aber nur die wenigsten, gelten die späten Backenzähne meist als „Problemkinder“. So haben acht von zehn der jungen Erwachsenen in Europa mindestens einen Weisheitszahn, der nicht durchgebrochen ist. Schmerzen, Schwellungen und eine kleine Operation können die Folge sein. Der Zahnarzt Dr. Christopher Greifeneder aus Ebreichsdorf (NÖ, Tel.: 02254/75888) mit Schwerpunkt auf Implantologie, Parodontologie und Prothetik klärt im Gespräch mit der WOCHE auf und korrigiert Irrtümer über Weisheitszähne.

Dr. Greifeneder, hatten schon unsere Urahnen Weisheitszähne? Wenn ja, welche Funktion hatten diese?

Der Grund, weshalb wir dritte Backenzähne, die „Weisheitszähne“, besitzen, liegt weit zurück. In einer Zeit, als Nahrung kornreich und meist roh, also hart, war. Damals benötigten die Menschen die verstärkte Kaukraft. Die heutige Nahrung ist viel weicher, die dritten Backenzähne sind nicht mehr notwendig. Sie sind ein Relikt der Evolution und werden künftig weniger vorkommen.

Bekommt heute noch jeder Mensch Weisheitszähne?

Nein, sie sind nicht mehr bei jedem vorhanden.

Wie lässt sich klären, ob Weisheitszähne kommen?

Ab dem jugendlichen Alter kann der Zahnarzt mittels Röntgen feststellen, ob Weisheitszähne angelegt sind, wie diese im Bezug zum Kieferknochen liegen und ob ihr Durchbrechen durch das Zahnfleisch möglich ist.

Es heißt, die Kiefer werden kleiner. Weisheitszähne haben keinen Platz und verschieben die Backenzähne. Sehen Sie das in der Praxis?

Ja, die Kiefer werden kleiner, somit auch das Platzangebot in der Zahnreihe. Ob Weisheitszähne durch das Zahnfleisch kommen und Teil der Zahnreihe werden, ist vom Platz im Kiefer und der Lage der Weisheitszähne abhängig. In vielen Fällen verbleiben die Weisheitszähne im Kieferknochen eingebettet oder nur vom Zahnfleisch bedeckt. Manchmal liegen sie schräg oder quer im Kieferknochen. Ist deren Wurzelwachstum nicht abgeschlossen, muss davon ausgegangen werden, dass es beim Wurzelwachstum zum „Anschieben“ der Zahnreihe kommt. Das kann zu Zahnfehlstellungen führen. Meist ist das an den Frontzähnen zu sehen, wenn sich diese plötzlich „auffächern“.

Von Weisheitszähnen wird gesagt, sie seien aus schlechterem Zahnmaterial gemacht. Ist das so?

Nein, Weisheitszähne sind aufgebaut wie alle anderen Zähne. Das Aussehen und die Anzahl der Wurzeln variieren jedoch. Sie können eine normale Größe haben oder kleiner sein. Der Irrglaube von schlechtem Zahnmaterial rührt daher, dass die Weisheitszähne weit hinten im Kiefer liegen und daher beim Zähneputzen schlecht erreicht oder ausgelassen werden. Es kommt dann oft zu Karies.

Gibt es tatsächlich Weisheitszähne, deren Wurzeln irgendwie verwachsen sind?

Ja, bei verdeckten Weisheitszähnen kommt es vor, dass deren Wurzeln miteinander verwachsen sind oder die Wurzelspitzen gekrümmt sind.

Sollten Weisheitszähne, wie früher oft empfohlen wurde, immer entfernt werden?

Weisheitszähne sollten entfernt werden, wenn ihr Durchbruch Schmerzen, Schwellungen und / oder Infektionen verursacht. Weiters empfiehlt es sich, bei geplanter Zahnspange Weisheitszähne zu entfernen. Im Falle eines „Anschiebens“ können sie wieder zu Fehlstellungen führen und die durchgeführte Behandlung beeinträchtigen. Machen sie keine Probleme, liegen sie ruhig im Knochen oder haben sie den Durchbruch problemlos geschafft, können sie im Kiefer verbleiben.

Können Weisheitszähne zu einer Gefahr für das Kiefer werden?

Weisheitszähne, die im Kiefer liegen bleiben, bilden in seltenen Fällen Zysten. Diese können sich innerhalb des Knochens ausdehnen und schädigen dadurch die Stabilität des Kieferknochens. Solche Weisheitszähne müssen mit der Zyste schnellstmöglich entfernt werden.

Die operative Entfernung eines Weiszeitszahnes ist gefürchtet. Angeblich sind die Schmerzen danach besonders stark …

Bei einer operativen Entfernung muss oft Knochen entfernt werden, der den Zahn bedeckt. Dies und die dafür benötigte Dauer sowie die anschließende Naht führen zu einer leichten Schwellung sowie zu Schmerzen in den Tagen nach der operativen Entfernung. Meist genügt es aber in den Tagen nach einer Zahnentfernung, durch Kühlung, weiche Kost und Schmerzmittel die Beschwerden im Zaum zu halten. Der Zahnarzt entscheidet, ob ein Antibiotikum notwendig ist. Unkomplizierte Weisheitszähne werden in kürzerer Zeit entfernt. Schmerzen und Schwellungen sind selten.

Sind Berichte über Kieferbrüche bei Weisheitszahn-Operationen übertrieben?

Als Komplikationen kann es zur Wundinfektion oder, selten und vor allem bei stark abgebautem Kieferknochen oder ausgeprägtem Knochenschwund, zum Bruch eines geschwächten Unterkiefers kommen. Ein solcher wäre auf einem Röntgenbild erkennbar. Recht häufig kann es durch die starke und lange Mundöffnung während des Eingriffes zur Überdehnung des Bandapparates im Kiefergelenk kommen. Dies kann sich durch ein Knacken oder Schmerzen beim Schreien und Gähnen oder beim Kauen harter Speisen bemerkbar machen. Dann helfen Schmerz- und entzündungshemmende Mittel sowie Physiotherapie oder eine Aufbissschiene.

Warum haben diese Zähne so einen besonderen Namen?

Früher lag die Lebenserwartung deutlich unter jener des modernen Menschen. Da im Vergleich diese Backenzähne erst spät durchbrechen, meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, war der Mensch damals eher alt und galt als weise.
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