Jetzt anmelden
Ausgabe Nr. 34/2024 vom 20.08.2024, Fotos: AdobeStock, www.kufstein.at
Artikel-Bild
Margaretenbrücke
Artikel-Bild
Franziska-Kinz-Brücke
Artikel-Bild
Dora-Winkler-Hermann-Brücke
Brückenschlag zu Frauennamen
Jetzt neu: Hier klicken
und Artikel an Freunde verschenken.
Im tirolerischen Kufstein hat die Umbenennung von elf Brücken und Stegen in Frauennamen für Unverständnis gesorgt. Dabei geht es nicht nur um die Namensgeberinnen, die entweder kaum bekannt sind oder eine fragwürdige Vergangenheit haben.
Auf Play drücken
um Artikel vorlesen
zu lassen.
Es ist geradezu zur Manie mancher Politiker geworden, die Namen von Straßen, Gassen oder Plätzen umzuändern. Weil die namensgebende Person einen zweifelhaften Ruf habe, wird argumentiert. Oder weil Frauen zu wenig gewürdigt werden, müssten eben Männernamen weichen.

Jüngstes Beispiel dafür ist die Tiroler Gemeinde Kufstein. Dort hat sich der Kulturreferent Klaus Reitberger, der ebenso wie Bürgermeister Martin Krumschnabel den „Unparteiischen“ angehört, dafür stark gemacht, die Brücken der Stadt umzubenennen.

„Es wäre schön, wenn die Idee von mir gewesen wäre, weil ich total hinter dem Projekt stehe. Es war aber ein Mitarbeiter der Stadtgemeinde, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass auch in anderen Städten schon Brücken nach Frauen benannt wurden und es gut wäre, dies auch zu machen.“

Gesagt, getan. Nicht zuletzt, weil Reitberger, studierter Physiker und Philosoph, quasi eins und eins zusammenzählte und auf folgendes Ergebnis kam: „Derzeit gibt es in der Stadt laut Grundbuch rund achtzig Straßen und Plätze, die nach Männern benannt sind und nur drei Straßen mit weiblichen Namensgeberinnen. Das ist eine historische Ungerechtigkeit, die den Zeitgeist früherer Jahrzehnte und Jahrhunderte in die Gegenwart trägt und dem wir entgegenwirken sollten.“

Selbst winzige Brücken bekamen Namen

Demnach folgte der Gemeinderat dem Zeitgeist und beschloss einig wie selten, und zwar einstimmig, elf Brücken nach Frauen zu benennen, die für die Region Großes geleistet haben. Daran scheiden sich allerdings die Geister, nicht nur, weil einige „Brücken“ so winzig sind, dass sie mit der Bezeichnung wenig zu tun haben.

Anwohner sprechen bei deren Anblick und dem Gedanken an eine Namensgeberin sogar von „blankem Hohn“ wie im Fall der Kienbachbrücke, im Volksmund genannt „Kudelbachbrücke“. Dazu kommt, dass die geehrten Frauen der Bevölkerung kaum bekannt und deren Errungenschaften bei genauer Betrachtung teilweise fragwürdig sind. So wurde die Stadtzufahrtsbrücke etwa nach Blanka Teleki benannt, einer ungarischen Frauenrechtlerin, die zwar jahrelang auf der Festung, die auch als Gefängnis diente, einsaß, ansonsten aber keine Berührungspunkte mit Kufstein hatte. Weiters trägt die Fußgängerbrücke Innpromenade ab sofort den Namen Friederikenbrücke und erinnert an eine unglückliche Liebende, die sich Erzählungen zufolge angeblich von der Festung in die Tiefe gestürzt hat.

Genaueres ist nicht bekannt. Ebenso bemerkenswert ist, dass die einstige Waginger-Brücke nach Therese Zöttl, einer Foto-Ikone und Verlegersgattin aus Kufstein benannt wurde. Sie steht jedoch genau dafür, wofür die meisten Frauen heute nicht mehr stehen wollen. Denn Zöttls Verdienst war es, schön zu sein und reich zu heiraten und zwar einen Berliner (D) Zeitungstycoon.

Dies soll nun einen Brückennamen wert sein. „Es ist nicht so, dass ich mir diese Namen ausgesucht hätte“, kontert Klaus Reitberger. „Diese Namen sind ident mit jenen, die in den anerkannten Büchern zur Geschichte der Stadt immer wieder vorkommen. Zum Beispiel im Werk ,Kufstein: Bayerns Glanz – Perle Tirols‘ von Hans Treichl.“ Darin ist auch von Franziska Kinz die Rede, die als Brückennamensgeberin der ehemaligen Fußgänger- und Radwegbrücke Kufstein West für die größten Diskussionen sorgt.

Die „Helden-Orgel“ behielt den Namen

Die einstige Schauspielerin und Tierschützerin, die von 1897 bis 1980 lebte, wirkte während der NS-Diktatur in Propaganda-Filmen mit. „Das ist unbestritten“, sagt Kulturreferent Reitberger. „Sie hat die problematischen Filme aber weder produziert noch deren Drehbücher geschrieben. Außerdem war sie mit Carlo Mierendorff, einem der damals führenden sozialdemokratischen Politiker Deutschlands und erbitterten Gegner des Nationalsozialismus liiert.“

Allerdings war es Reitberger selbst, der die Latte bei der Vergangenheitsbewältigung hoch gelegt hat. So hat er im Jahr 2022 den kriegerischen Hintergrund der berühmten Kufsteiner „Helden-Orgel“ angeprangert, und im Gemeinderat einen Antrag zur Umbenennung eingebracht. Mit ihr wird den Opfern von Kriegen und Gewalt gedacht. Die Distanzierung zu Kriegshelden ging Reitberger zu wenig weit, weshalb er einen neuen Namen für die Orgel forderte. Der Widerstand innerhalb der Bevölkerung war aber so groß, dass die Orgel ihren Namen behielt und lediglich das „Lied vom guten Kameraden“, das traditionell jedes Mittags-Konzert beendet hat, wegen seines starken militärischen Kontextes weichen musste. Gespielt wird es zwar noch, aber nur zu besonderen Anlässen.

Bei den Brücken ist noch kein Ende im Namensstreit in Sicht. „Wir haben in Kufstein ja nicht nur elf Brücken, sondern, wenn wir alle Nebenbrücken miteinbeziehen, mehr als 60, die noch keine schönen Namen haben“, erklärt Reitberger. „Für die nächsten zehn Namen wird es im Herbst allerdings einen Bevölkerungsbeteiligungsprozess geben.“ reiter
Weitere Inhalte dieser Ausgabe:
Ihre Meinung
Ihre Meinung ist uns wichtig.

Schreiben Sie Ihren Kommentar zu diesem Artikel, den wir dann prüfen und veröffentlichen werden.
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Werbung